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Quantenphysik
Die Quantenmechanik (auch: Quantenphysik, Quantentheorie) ist ein Gebiet der Physik, das sich mit dem Verhalten kleinster Teilchen beschäftigt. Da viele homöopathische Präparate derart hoch verdünnt sind, dass die Ausgangssubstanz in ihnen nicht mehr enthalten ist, steht die Homöopathie vor der Herausforderung, einen plausiblen und mit der modernen Physik zu vereinbarenden Wirkmechanismus darzulegen. Die Quantenmechanik ist eine sehr grundlegende, die Struktur der Materie betreffende (und häufig missverstandene) Theorie. Es scheint daher naheliegend, sie zu bemühen, um der Homöopathie eine theoretische Basis zu geben. Es gibt allerdings kaum detaillierte Modelle dieser Art und es ist bisher nicht gelungen, eine überzeugende Verbindung zwischen Homöopathie und Quantenmechanik herzustellen.
Die Quantenmechanik entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts und unterscheidet sich grundlegend von der klassischen Physik, da wesentliche Größen, die zur Beschreibung eines Systems verwendet werden, sich in vielen Fällen nicht mehr kontinuierlich ändern können, sondern nur noch in diskreten Schritten. Diese Schrittgrößen stehen in Bezug zum Planck‘schen Wirkungsquantum (h ≈ 6,626·10-34 Js), also einer äußerst kleinen Größe, die für die „Stärke“ quantenmechanischer Effekte maßgeblich ist und für die es in der klassischen Physik keine Entsprechung gibt.
Die Quantenmechanik und die aus ihr hervorgegangene Quantenfeldtheorie gehören zu den erfolgreichsten und am besten experimentell bestätigten Theorien der modernen Physik. Heutzutage selbstverständliche technische Entwicklungen wie Transistor, Laser oder Photovoltaik können nur auf Grundlage der Quantenmechanik verstanden werden.
Inhaltsverzeichnis
Geschichtliche Entwicklung
Zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der Physik eine bedeutende Strömung, die davon ausging, dass alle wesentlichen Entdeckungen gemacht seien und alle Phänomene sich auf Mechanik und Elektrodynamik reduzieren lassen würden. Doch bereits damals waren einige Beobachtungen bekannt, die sich sämtlichen Erklärungsversuchen der klassischen Physik hartnäckig widersetzten, z. B. die thermische Strahlung heißer Körper, der photoelektrische Effekt und die Stabilität von Atomen, die man sich damals analog zum Sonnensystem vorstellte, mit kleinen Elektronen, die einen massiven Kern umkreisen. Mit den Gesetzen der Thermodynamik konnte z. B. der Infrarotanteil der thermischen Strahlung gut erklärt werden, für den kurzwelligen Ultraviolett-Bereich (UV) sagten die Formeln jedoch einen Anstieg der Strahlungsleistung ins Unendliche vorher. Stabile Atome standen im Widerspruch zur Elektrodynamik, denn Elektronen auf Kreisbahnen emittieren elektromagnetische Wellen und müssten aufgrund des damit verbundenen Energieverlustes innerhalb von Bruchteilen von Sekunden in den Kern stürzen.
Im Jahr 1900 schlug Max Planck (1858-1947) in einem „Akt der Verzweiflung“[1] vor, dass elektromagnetische Wellen nur in diskreten, zur Frequenz proportionalen Paketen Energie aufnehmen oder abgeben können (E=hν). Aufbauend auf diesem Schritt erhielt er für das Spektrum der thermischen Strahlung (Schwarzkörperstrahlung) eine Gleichung, die mit den experimentellen Ergebnisse gut in Einklang gebracht werden konnte. Plancks Entdeckung gilt gemeinhin als Geburtsstunde der Quantenmechanik.
Wenige Jahre später (1905) griff Albert Einstein (1879-1955) Plancks Idee auf und erklärte damit den photoelektrischen Effekt. Anders als Planck, der seine Idee als mathematischen Trick betrachtete, ging Einstein von der Existenz von Lichtteilchen aus und belebte damit eine Vorstellung neu, die seit den Beugungsexperimenten Thomas Youngs Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Mode gefallen war. Niels Bohr (1885-1962) entwickelte 1913 auf Basis des Planck‘schen Wirkungsquantums ein Atommodell, das die Stabilität von Atomen sowie das Spektrum des Wasserstoffatoms gut erklären konnte. Louis de Broglie (1892-1987) postulierte 1924 in seiner Dissertation, dass auch Elektronen Wellencharakter aufweisen können und stellte für die zugehörige Wellenlänge eine Gleichung auf.
Aufbauend auf dem Wellen-Teilchen-Dualismus wurden Korrespondenz-Prinzipien zwischen klassischen und quantenmechanischen Größen vorgeschlagen. Erwin Schrödinger (1887-1961) entwickelte daraus eine Wellenmechanik („Schrödinger-Gleichung“, 1926) und Werner Heisenberg (1901-1976) eine mathematisch äquivalente Matrix-Formulierung; gegenüber den älteren Ansätzen waren diese Methoden enorme Verbesserungen und sorgten dafür, dass die Quantenmechanik in den Jahren nach 1927 allgemein akzeptiert wurde. 1928 stellte Paul Dirac (1902-1984) eine Gleichung auf, die Schrödingers Wellenmechanik mit Einsteins spezieller Relativitätstheorie kombinierte und aus der er die Existenz des Elektronenspins und von Anti-Elektronen (Positronen) ableitete; letztere wurden 1932 in der kosmischen Strahlung entdeckt.
Heutzutage beruhen viele andere Gebiete der Physik auf Quantenmechanik oder haben sich daraus entwickelt; gleichzeitig sind die Grundlagen der Quantenphysik selbst immer noch Gegenstand intensiver Forschung. Für größere Objekte geht die Quantenmechanik in die klassische Physik über.
Unterschiede zur klassischen Physik
Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass niemand die Quantenmechanik versteht. (Richard P. Feynman)[B 1][2]
In der klassischen Physik beruht die Modellierung eines Systems meist darauf, dass ein Satz von beobachtbaren Eigenschaften verwendet wird, um die Eigenschaften des Systems zu beschreiben und Gleichungen aufzustellen, die diese Eigenschaften sinnvoll miteinander verknüpfen. Diese Größe dieser Eigenschaften wird durch reelle Zahlen angegeben. Einfache Beispiele sind Position und Geschwindigkeit eines Teilchens; Messungen liefern die zugehörigen Zahlen als Ergebnis. In der Quantenmechanik wird stattdessen der „Zustand“ des Systems modelliert und das System z. B. über seine Wellenfunktion beschrieben. Der Zustand selbst enthält keine direkten Aussagen über beobachtbare Eigenschaften, kann aber verwendet werden, um mit Hilfe von Operatoren zu berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Messung zu einem bestimmten Ergebnis führt. Über den Ausgang einzelner Messungen macht die Quantenmechanik keine Aussagen.
Die mathematische Formulierung der Quantenmechanik (lineare Algebra, partielle Differentialgleichungen) wird von vielen als schwierig und unintuitiv empfunden. Anders als in der klassischen Physik gibt es keine Beispiele, die mit leicht verständlicher, einfacher Mathematik gut zu beschreiben sind. Für einen fundierten Zugang zur Quantenmechanik ist eine mathematische Vorbildung jenseits des Gymnasialniveaus unerlässlich.
Die Quantenmechanik führt zu einigen scheinbar paradoxen Ergebnissen, die mit dem Weltbild der klassischen Physik nicht zu vereinbaren sind. Die klassische Physik ist jedoch aus Beobachtungen hervorgegangen, die teilweise ganz ohne Instrumente durchgeführt wurden. Sie ist daher mit der uns zugänglichen Welt, unserem Alltagsverstand und unserer Intuition tief verknüpft. Für die Quantenmechanik ist nichts dergleichen zu erwarten, denn sie beschäftigt sich mit Dingen, die wir nicht mehr direkt sehen oder wahrnehmen können; Dingen, für die unser „gesunder Menschenverstand“ keine Erfahrung aufbauen kann. Widersprüche gibt es daher nur zwischen der Realität und dem Wunsch einzelner, wie die Realität zu sein habe.[B 2]
Anders als etwa die Relativitätstheorie ist die Quantenmechanik keine geschlossene, auf wenigen Postulaten aufbauende Theorie, sondern vielmehr ein Rahmen, innerhalb dessen Systeme modelliert werden – und ein Werkzeugkasten, mit dessen Hilfe entsprechende Modelle aufgebaut werden. Eine durchaus häufige Situation ist, dass einige Teile eines Systems quantenmechanisch, andere aber klassisch beschrieben werden. Lev Landau und E.M. Lifshitz beschreiben dies in ihrem bewährtem Lehrbuch wie folgt:
Die Quantenmechanik besetzt somit eine sehr sonderbare Stelle unter den physikalischen Theorien: Sie enthält die klassische Physik als Grenzfall, benötigt aber gleichzeitig diesen Grenzfall für ihren eigenen Aufbau.[B 3]
Für die folgenden Effekte gibt es in der klassischen Physik keine Entsprechungen:
- Die Quantenmechanik macht keine Aussagen über den Ausgang einzelner Messungen, nur über deren Wahrscheinlichkeit. Die Entwicklung von Zuständen wird zwar durch die deterministische Schrödinger-Gleichung beschrieben, der Messprozess selbst entzieht sich jedoch dieser Beschreibung und seine Ergebnisse sind auf fundamentaler Ebene zufällig.
- Die Quantisierung zahlreicher Größen wie Energie oder Drehimpuls ist ohne Pendant in der klassischen Physik, wo ein kontinuierlicher und im Prinzip auch beliebig kleiner Austausch immer möglich ist.
- Welle-Teilchen-Dualismus bedeutet, dass ein Objekt sowohl Wellen- als auch Teilchencharakter (oder auch beides gleichzeitig) zeigen kann. Zu Interferenzeffekten kommt es nicht nur während der Wechselwirkung einer Vielzahl von Teilchen untereinander, sondern auch bereits bei einzelnen Teilchen durch Wechselwirkung mit sich selbst. Es ist somit jedes einzelne Teilchen auch immer gleichzeitig eine Welle.
- Gemäß des Heisenberg‘schgen Unschärfeprinzips ist eine beliebig genaue Kenntnis zweier komplementärer Größen (Ort/Impuls, Energie/Zeit, Komponenten des Drehimpulses, Elektrisches/Magnetisches Feld, ...) nicht möglich. Diese Unschärfe ist nicht nur eine Folge unzureichender Messtechnik oder der unvermeidbaren Wechselwirkung zwischen kleinen Teilchen und Messapparatur, sondern fundamentale Eigenschaft quantenmechanischer Objekte. Eine wichtige Folge ist, dass es bei der Bestimmung komplementärer Größen auf die Reihenfolge der Messungen ankommt.
- In der klassischen Physik könnten punktförmige Teilchen weder Drehimpuls noch magnetisches Moment aufweisen; in der Quantenmechanik besitzen z.B. Elektronen einen halbzahligen Spin und ein zugehöriges magnetisches Moment.
- Quantenmechanische Systeme können in einer Überlagerung mehrerer, sich nach der klassischen Physik gegenseitig ausschließender Zustände existieren („Schrödingers Katze“). Erst nach einer Messung ist der Zustand des Systems eindeutig festgelegt.
- Die klassische Physik kennt keine Verschränkung zwischen Teilen eines Systems – eine Kopplung zwischen Objekten, die im Prinzip beliebig weit voneinander entfernt sein können und deren Verhalten auch dann noch korreliert, wenn keine Kommunikation zwischen ihnen mehr möglich ist.
Verschränkung und Messprozess
Messung in der Quantenmechanik
In der Quantenmechanik und insbesondere im Hinblick auf ihre Interpretation spielt der Messprozess eine besondere und herausragende Rolle.
Wenn der quantenmechanische Zustand z. B. durch Präparation im Labor bekannt ist, kann die Wahrscheinlichkeitsverteilung aller möglichen Ergebnisse anhand der Wellenfunktion und des Operators der Messgröße eindeutig berechnet werden. Der Ausgang der einzelnen Messung kann in der Regel jedoch nicht eindeutig vorhergesagt werden, die Messergebnisse selbst sind – nach bestem heutigen Wissen – vollkommen zufällig. Eine exakte Wiederholung des gesamten Vorgangs führt nicht notwendigerweise zum gleichen Messergebnis. Auch befindet sich das System unmittelbar nach der Messung nicht mehr im gleichen Zustand wie vor der Messung (in der Kopenhagener Deutung wird vom „Kollaps der Wellenfunktion“ gesprochen). Es scheint also, dass Eigenschaften des quantenmechanischen Systems erst durch die Messung real werden, und dass die Art der Messung darüber entscheidet, wie das System sich verhält.
Glauben Sie wirklich, dass der Mond nur dann existiert, wenn Sie auf ihn schauen? (Frage von Albert Einstein an Abraham Pais)[B 4]
Illustriert wird das Messproblem der Quantenmechanik durch ein Gedankenexperiment, das als „Schrödingers Katze“ bekannt ist. Das Tier wird in einem Kasten eingesperrt, so dass es von außen nicht beobachtet werden kann. Im Kasten befindet sich ein tückischer Mechanismus, der die Katze tötet, wenn eine quantenmechanische Messung ein bestimmtes Ergebnis liefert, z. B. wenn der Zerfall eines radioaktiven Atoms von einem Geigerzähler registriert wird. Vor der Messung befindet sich das Atom in einer Überlagerung aus „zerfallen“ und „intakt“; erst durch die Messung wird sein Zustand eindeutig. Wie steht es aber dann um die Katze? Ist sie gleichzeitig lebendig und tot, so lange der Kasten nicht geöffnet und ihr Wohlbefinden überprüft wird?
Das Messproblem der Quantenmechanik wurde in letzter Zeit durch Erkenntnisse zur Dekohärenz etwas entschärft. Jede Wechselwirkung mit der Umgebung spielt dabei eine ähnliche Rolle wie die Messung und sorgt für eine Festlegung quantenmechanischer Zustände. Bewusste Beobachter sind für diesen Prozess vollkommen unnötig. Die Größe der Objekte ist dagegen ganz entscheidend – ein einzelnes radioaktives Atom kann von seiner Umgebung ganz gut isoliert werden, eine ganze Katze nicht, zumal die einzelnen Atome, aus denen sie besteht, sich in ständiger Wechselwirkung mit ihren anderen Atomen befinden. Ebenfalls in jüngerer Zeit ist es in mehreren Laboren gelungen, quantenmechanische Überlagerungszustände direkt nachzuweisen, sie sind also nicht nur Ausdruck unseres unvollkommenen Wissens. Schrödingers Katze kann sich dennoch nicht im Überlagerungszustand „lebendig + tot“ befinden – denn erst die Messung durch den Geigerzähler entscheidet über ihr Schicksal, und nach dieser Messung ist auch das Atom eindeutig in einem seiner beiden möglichen Zustände.
Verschränkung
Quantenmechanische Verschränkung lässt sich am besten durch den Gegensatz zu einer einfachen, aber unzulänglichen klassischen Analogie verstehen: Zwei Kerzen gleicher Machart werden gleichzeitig angezündet und dann voneinander getrennt. Die Beobachtung einer Kerze reicht vollkommen aus um zu wissen, wie weit die zweite Kerze schon abgebrannt ist.
Ähnliche Situationen sind aus der Welt der Elektronen und Photonen bekannt: In einem Experiment kehrt ein Atom, das sorgfältig in einen bestimmten angeregten Zustand präpariert wurde, unter Aussendung zweier Photonen (Lichtteilchen) in seinen Grundzustand zurück. Da Impuls und Drehimpuls bei diesem Vorgang erhalten bleiben, bestehen zwischen den Richtungen und den Spins der beiden Photonen eindeutige Beziehungen – und Messungen zeigen in solchen Situationen, dass die Spins der Photonen eindeutig miteinander korrelieren. Noch scheint es hier am Verhalten der Photonen nichts besonderes zu geben, denn schließlich lässt es sich – analog zum unspektakulären Fall der Kerzen – unter der Annahme ganz gut verstehen, dass beide Photonen mit einer gewissen Polarisationsrichtung entstanden sind und diese bis zur eventuellen Messung unverändert weitergetragen haben. Allerdings erfordert diese Interpretation „versteckte Parameter“ (engl. „hidden variables“), die festlegen, welche Polarisationsrichtung die Photonen bekommen. Solche Parameter kennt die Quantenmechanik nicht, sie wäre also unvollständig. Diese Vermutung äußerten zuerst Albert Einstein und seine Mitarbeiter Boris Podolsky und Nathan Rosen in ihrem berühmten Artikel von 1935.[3]
Der nordirische Physiker John Stuart Bell (1928-1990) konnte 1964 jedoch zeigen, dass die Korrelationen zwischen den Ergebnissen geschickt zueinander ausgerichteten Detektoren unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob die Quantenmechanik vollständig ist oder nicht. Eine Reihe vielbeachteter Experimente hat seitdem nachgewiesen, dass es keine lokalen versteckten Parameter geben kann, die oben angeführte Interpretation also nicht richtig ist.[4][5] Die Vorhersagen der Quantenmechanik wurden in den Experimenten jedoch glänzend bestätigt. Das verblüffende, vielleicht sogar verstörende Ergebnis: Messungen, die an einem Ort durchgeführt werden, „beeinflussen“ zeitgleich durchgeführte Messungen an einem anderen, im Prinzip beliebig weit entfernten Ort. Verschränkte Teilchen verhalten sich wie zwei Würfel, die bei jedem Wurf immer die gleiche Augenzahl zeigen – auch dann noch, wenn sie sehr weit voneinander getrennt und alle Kommunikationsmöglichkeiten zwischen ihnen ausgeschaltet werden. Der scheinbare Widerspruch zu Einsteins Relativitätstheorie, nach der Signale sich höchstens mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen können, löst sich bei näherer Betrachtung auf. Information kann mit diesem Mechanismus nämlich nicht übertragen werden: Für sich genommen erhält jeder Beobachter eine zufällige Serie von Ergebnissen. Ein sinnvolles Muster ergibt sich erst, wenn die Beobachter zusammenkommen und ihre Messungen miteinander vergleichen. Da nicht nur keine „instantane“, sondern überhaupt keine Informationsübertragung stattfindet, verschwindet die Unvereinbarkeit mit der Relativitätstheorie.
Die Quantenverschränkung ist eine seltsame Sache, die sich irgendwo zwischen direkter Kommunikation und vollkommener Trennung abspielt. (Roger Penrose)[B 5]
Das EPR-Paradoxon, nach seinen Entdeckern Einstein, Podolsky und Rosen benannt, aber lange Zeit kaum beachtet, gehört seit einigen Jahrzehnten zu den fruchtbarsten Forschungsgebieten der modernen Physik. Mit einem aus dem Alltagsleben stammenden „gesunden Menschenverstand“ lässt sich der Effekt nicht verstehen.
Quantenmechanik und Homöopathie
Zwischen Homöopathie und Quantenmechanik besteht kein naheliegender Zusammenhang – Quantenmechanik liegt der modernen Physik zugrunde und beschreibt das Verhalten der Bausteine der Materie, während Homöopathie eine umstrittene medizinische Methode ist, deren herausragendste Eigenschaft mitunter das Fehlen von Materie ist.
In der wissenschaftlich orientierten homöopathischen Literatur (z. B. in den Fachzeitschriften Homeopathy oder Forschende Komplementärmedizin) sind kaum Arbeiten zu finden, die eine direkte Verbindung zur Quantenmechanik etablieren möchten. Ausnahmen wie Walter Kösters „quantenlogische Medizin“[6] fallen durch das Fehlen konkreter Details auf[7] oder versuchen wenig überzeugend, lebenden Systemen eine „makroskopische Kohärenz quantenmechanischen Ursprungs“ zu attestieren.[8]
Zweifellos ist die Quantenmechanik ein beliebtes Opfer, das gerne und viel häufiger als andere Gebiete der modernen Physik bemüht wird, um bizarre Vorstellungen aller Art zu rechtfertigen. Dementsprechend fehlt es auch nicht an Behauptungen, dass auch die Homöopathie auf Basis der Quantenmechanik erklärt werden könnte. Diese stammen aber in aller Regel nicht von Fachverbänden oder Forschern, sondern von einzelnen Praktikern. Es dürfte mehrere Gründe geben, die die Quantenmechanik für solche Versuche attraktiv machen:
- Die Quantenmechanik steht im Ruf, besonders grundlegend und philosophisch bedeutend zu sein – und gleichzeitig gilt sie als besonders schwierig. Die Versuchung ist also groß, ihr etwas in den Mund zu legen – nicht nur verleiht die Berufung auf die Quantenmechanik eine Aura des Wissens, die Chance ist auch noch groß, dass der angedachte Empfänger der Nachricht nicht ausreichend tief mit der Materie vertraut ist, um den Bluff zu durchschauen.
- Die besondere Rolle der Messung in der Quantenmechanik sowie die Tatsache, dass sie unter bestimmten Bedingungen Entstehung und Vernichtung von Teilchen erlaubt, scheint die Vorrangigkeit vom Geistigen gegenüber dem Materiellen zu bestätigen („Mind over Matter“). Führt die Quantenmechanik etwa direkt zu religiösen Vorstellungen oder der Einheit zwischen Physik und fernöstlicher Philosophie wie in Fritjof Capras „Tao der Physik“?[9] Ein bewusster Beobachter ist aber weder für den Beobachtungsprozess noch für den Realitätsbegriff der Quantenmechanik erforderlich.[10]
- Durch den EPR-Effekt wird der Holismus („Alles hängt mit allem zusammen“) scheinbar durch die Hintertür wieder in die moderne Physik, die bis dahin stolz auf ihre lokalen Theorien war, hineingebracht. Unter Berücksichtigung des hohen Aufwands, der erforderlich ist, um die Verschränkung voneinander getrennter Systeme aufrecht zu halten – jede Wechselwirkung mit der Umgebung (Dekohärenz) kappt die Verbindung zwischen den verschränkten Teilchen – könnte die Quantenmechanik aber auch zur Rechtfertigung eines Weltbildes herangezogen werden, in dem einzelne Systeme im Wesentlichen als voneinander isoliert betrachtet werden.
- Der quantenmechanische Tunneleffekt scheint die Einschränkung außer Kraft zu setzen, dass Dinge an einem festen Ort lokalisiert sind, durch Barrieren vom Erreichen anderer Orte abgehalten werden können und nur dort wirken, wo sie tatsächlich sind. Prinzipiell können tatsächlich nicht nur einzelne quantenmechanische Teilchen an mehreren Orten gleichzeitig sein und Barrieren überwinden, die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt aber mit der Größe des Systems rapide und ist für alltägliche Objekte so gering, dass sie als nichtexistent angesehen werden kann.
- Zweifellos erscheinen manche quantenmechanische Effekte unserem Alltagsverstand reichlich mysteriös. Daraus folgt aber nicht, dass beliebige seltsame Vorstellungen mittels Quantenmechanik gerechtfertigt werden können.
Die Größenordnung expliziter quantenmechanischer Effekte ist durch die Planck-Konstante gegeben, die schon bei mittelgroßen Molekülen gegenüber den relevanten physikalischen Eigenschaften vernachlässigt werden kann.[B 6] Die Quantenmechanik selbst ist gar nicht dazu in der Lage, die Relevanz der seltsamen Effekte, die ihre Faszination ausmachen, in unsere alltägliche Welt zu übertragen. Dies gestehen implizit auch die Väter der „schwachen Quantentheorie“ ein, da sie – um Quanteneffekte auf unsere Lebenswelt oder die Homöopathie zu übertragen – eine eigene, von der Quantenmechanik nur inspirierte Theorie entwickelt haben.[11]
Weiterführende Literatur |
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• Zeilinger A: Einsteins Spuk: Teleportation und weitere Mysterien der Quantenphysik, Goldmann Verlag, 2007 • Fließbach T: Quantenmechanik: Lehrbuch zur Theoretischen Physik III, Spektrum Akademischer Verlag, 5. Auflage, 2008 |
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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