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Q-Potenzen
Der Name „Q-Potenz“ geht auf Jost Künzli von Fimelsberg zurück[1][2] und ist eine Abkürzung für „Quinquagintamillesimal-Potenz". Die einzelnen Verdünnungsstufen erfolgen jeweils im Verhältnis 1:50.000 („Quinquaginta mille = 50.000“). Nach jeder Verdünnung erhält die neue Lösung 100 Schüttelschläge zur „Dynamisierung“. Diese Potenzen werden häufig auch „Plus-Potenzen“ genannt, was aber ungenau ist, da man auch D- oder C-Potenzen nach der „Plus-Methode“ potenzieren kann. Dies bedeutet nichts anderes, als die Potenz etwas höher zu machen.[2]
Inhaltsverzeichnis
Definitionen
Jede Potenzstufe ist durch eine Zahl gekennzeichnet, die die Anzahl der Verdünnungen und „Dynamisierungen“ benennt. Aus mathematischer Sicht besteht eine logarithmische Abhängigkeit der Kennzahl vom Verdünnungsgrad. Weil die Verdünnungen jedoch nicht mit der Urtinktur beginnen, sondern mit einer C3-Verreibung, und weil bei den 50.000er Verdünnungsschritten jeweils der Faktor „5“ vorhanden ist, sind die exakten Logarithmen der Verdünnungen keine ganzen Zahlen – also anders als bei den C- oder D-Potenzen. Bezogen auf die Dynamisierung gibt die Kennzahl an, wie viele Hunderterserien an Schüttelschlägen die entsprechende Potenzstufe erhalten hat.
Da die Ausgangssubstanz eine C3-Verreibung (Trituration) ist, beginnt die Potenzreihe der 50.000er Potenzen nicht bei 1:50.000, sondern bei 1:50.000.000.000 (50 Milliarden).
Choudhury[3] erklärt die Herleitung folgendermaßen:
- Vermischung (Verdünnung) von 1 Tropfen (= 1 Gran) Ausgangssubstanz mit 100 Gran Milchzucker. Anschließend 1 Stunde verreiben. Verhältnis: 1/100 in der 1. Trituration.
- Vermischung (Verdünnung) von 1 Gran der 1. Trituration mit 100 Gran Milchzucker. Anschließend 1 Stunde verreiben. Verhältnis 1/10.000 in der 2. Trituration.
- Vermischung (Verdünnung) von 1 Gran der 2. Trituration mit 100 Gran Milchzucker. Anschließend 1 Stunde verreiben. Verhältnis 1/1.000.000 in der 3. Trituration.
- Vermischung (Verdünnung) von 1 Gran der 3. Trituration mit 500 Tropfen Lösungsmittel. Verhältnis 1/1.000.000 x 1/500 = 1/500.000.000 in der „Urkraft der neuen Potenzform“
- 1 Tropfen der „Urkraft der neuen Potenzform“ wird mit 100 Tropfen Alkohol verdünnt und mit 100 Schüttelschlägen dynamisiert. Verhältnis 1/500.000.000 x 1/100 = 1/50.000.000.000 in der Potenz Q1 bzw. LM1
Die weiteren Potenzstufen werden nach Hahnemann jeweils im Verhältnis 1/50.000 hergestellt wie unten beschrieben.
Stufe | Verdünnung | Dynamisierung[B 1] | ||
Q1 | 1:5 x 1010 = | 1:50.000.000.000 | 1 x 100 = | 100 Schüttelschläge |
Q2 | 1: 25 x 1014 = | 1:2.500.000.000.000.000 | 2 x 100 = | 200 Schüttelschläge |
Q3 | 1:125 x 1018 = | 1:125.000.000.000.000.000.000 | 3 x 100 = | 300 Schüttelschläge |
Q4 | 1:(125 x 1018) x | 1:(5 x 104)1 = 1:625 x 1022 | 4 x 100 = | 400 Schüttelschläge |
Q5 | 1:(125 x 1018) x | 1:(5 x 104)2 | 5 x 100 = | 500 Schüttelschläge |
Q6 | 1:(125 x 1018) x | 1:(5 x 104)3 | 6 x 100 = | 600 Schüttelschläge |
Q7 | 1:(125 x 1018) x | 1:50.0004 | 7 x 100 = | 700 Schüttelschläge |
Q8 | 1:(125 x 1018) x | 1:50.000(8-3) | 8 x 100 = | 800 Schüttelschläge |
Q9 | 1:(125 x 1018) x | 1:50.000(9-3) | 9 x 100 = | 900 Schüttelschläge |
Q10 | 1:(125 x 1018) x | 1:50.000(10-3) | 10 x 100 = | 1.000 Schüttelschläge |
Ab der Potenzstufe Q4 wird jede neue Potenzstufe durch Verdünnung im Verhältnis 1/50.000 und Dynamisierung mit 100 Schüttelschlägen erzeugt.
Will man eine Q-Potenz in eine D-Potenz umrechnen, dann muss man von der C3-Trituration ausgehen, die rechnerisch einer D6 entspricht. Jede höhere Stufe wird durch eine Verdünnung von 1:50.000 erreicht. Der Logarithmus von 50.000 zur Basis 10 ist ungefähr 4,5 (≈ 4,69). Um rechnerisch aus einer Q-Potenz die D-Potenz zu ermitteln, muss man die Anzahl der Potenzgrade mit 4,5 multiplizieren und – für die Ausgangstrituration – noch die Zahl 6 addieren. Eine Q6 entspricht beispielsweise einer D33 (6 x 4,5 + 6).[4]
Wichtig für die pharmakologische Wirkung ist die Frage, ob und wie viele Moleküle der Ausgangssubstanz in der Arzneiform (Tropfen, Globuli) enthalten sind. Mit Entdeckung der Avogadro-Konstante oder Loschmidt-Konstante ist die Frage leicht zu beantworten.
Hintergrundinformation Avogadro-Konstante |
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Johann Loschmidt bestimmte 1865 erstmals die Größe der Luftmoleküle und berechnete daraus die nach ihm benannte Konstante.[5] Die Loschmidt-Konstante kann in die Avogadro-Konstante umgerechnet werden. Die Avogadro-Konstante gibt an, wie viele Moleküle in einem Mol sind: 6,022.140.857 x 1023 Moleküle sind in einem Mol vorhanden.[5] Ein Mol ist die Stoffmenge in Gramm, die das Atom- bzw. Molekülgewicht angibt. |
Oberhalb der genannten Grenzverdünnung von D24 entsprechend 1:1024 – der Avogadrogrenze – enthält die Arznei mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Molekül mehr. Hahnemann konnte das nicht wissen: Er starb am 2. Juli 1843 in Paris.[6]
Geschichte der Q-Potenzen
Entwicklung bei Hahnemann
Hahnemann verwendet ab 1838 bis zu seinem Tod 1843 die 50.000er Potenzen und veröffentlicht sie im Februar 1842 im Organon 6.[7][8] Die Herstellung der Potenzen nach dem neuen Verfahren ist darin umfangreich beschrieben.
Als Ausgangssubstanzen werden C3-Verreibungen (Triturationen) verwendet. Im weiteren Verlauf erfolgen die Potenzierungsschritte im Wechsel zwischen flüssiger und fester Form. Im Gegensatz zu den C-Potenzen („médicaments a la goutte“)[9] werden beim neuen Potenzierungsverfahren nicht Tropfen mit Lösungsmittel verdünnt, sondern Globuli – jeweils ein Kügelchen. Hahnemann nennt die nach dem neuen Potenzierungsverfahren hergestellten Medikamente dementsprechend „médicaments au globule“ (Kügelchenpotenzen).[2]
Im Wechsel wird jeweils ein Kügelchen, „wovon 100 einen Gran wiegen“, in 100 Tropfen Weingeist gelöst und „dynamisiert“ (1/100). Mit dieser Flüssigkeit wiederum werden 500 Streukügelchen befeuchtet (1/500), so dass das Verdünnungverhältnis 1/100 x 1/500 = 1/50.000 beträgt, „ja größer noch, indem 500 solcher Streukügelchen noch nicht völlig einen Tropfen zu ihrer Befeuchtung annehmen können.“[8]
In einer Anmerkung zu seiner Anweisung an gleicher Stelle schreibt Hahnemann weiter, dass
bei dieser Dynamisations-Weise (deren Präparate ich nach vielen mühsamen Versuchen und Gegenversuchen als die kräftigsten und zugleich mildest wirkenden, d.i. als die vollkommensten befunden habe) das Materielle der Arznei sich bei jedem Dynamisations-Grade um 50,000 mal verringert und dennoch unglaublich an Kräftigkeit zunimmt, so daß die fernere Dynamisation der in 125,000,000,000,000,000,000 erst zur dritten Potenz, zum Kubik-Inhalt erhobnen Cardinale, (50,000), wenn man letztere mit sich selbst multiplicirt und so in stetiger Progression bis zum dreißigsten Grade der Dynamisation fortschreitet, einen Bruchteil giebt, der sich kaum mehr in Zahlen aussprechen lassen würde. Ungemein wahrscheinlich wird es hierdurch, daß die Materie mittels solcher Dynamisationen (Entwicklungen ihres wahren, inneren arzneilichen Wesens) sich zuletzt gänzlich in ihr individuelles geistartiges Wesen auflöse und daher in ihrem rohen Zustande, eigentlich nur aus diesem unentwickelten geistartigen Wesen bestehend betrachtet werden könne.
Hahnemann weiß um den Umstand, dass die Verdünnung einer Q30 (≈ 1:9,31 x 10140) so hoch ist, dass sie sich nicht mehr „in Zahlen aussprechen lassen würde“.[8] Gleichwohl hält er die auf die neue Art erstellten Potenzen für die kräftigsten und mildesten zugleich. Hahnemann hat nach diesen seinen Worten mit dem neuen Potenzierungsverfahren im Organon 6 sein Ziel erreicht: Potenzstufen zu erstellen, die seiner Erfahrung nach kräftiger und milder seien als die bis zur 5. Auflage des Organons verwendeten C-Potenzen. Gleichwohl wird der Verdünnungsgrad einer Q30 von dem einer C100 oder gar C200 deutlich übertroffen. Bei den Schüttelschlägen zur „Dynamisierung“ sind jedoch die Q-Potenzen im Vorteil: Für die Herstellung einer Q30 werden 30 x 100 = 3.000 Schüttelschläge „eingearbeitet", während es bei einer C100 nur 100 x 10 = 1.000 und bei einer C200 mithin 200 x 10 = 2.000 Schüttelschläge sind.
Hahnemanns neue Erfindung der 50.000er Potenzstufen blieb etwa 100 Jahre unbekannt. Hahnemann verstarb am 2. Juli 1843 in Paris.[10] Sein letztes Werk, das Organon in der 6. Auflage, wurde von seiner Witwe Mélanie unter Verschluss gehalten. Sie wollte es teuer verkaufen, aber es gab Querelen um den Nachlass von Hahnemann. Erst im Jahre 1921 wurde die 6. Auflage des Organons von Richard Haehl aus dem Nachlass veröffentlicht.[10]
Robert Flury (1903 – 1977) - Bern
Fast hundert Jahre nach Hahnemanns Tod wurde das neue Potenzierungsverfahren, das Hahnemann im Organon 6 beschrieb, durch Robert Flury (1903 – 1977) im Jahre 1942 wiederentdeckt.[6] In einem nicht veröffentlichten Manuskript, das um 1945 datiert wird, bezeichnet Flury die neuen Potenzen erstmals mit dem korrekten lateinischen Namen: Dynamisatio quinquagintamillesima und die Arznei selbst als Quinquagintamillesimalpotenz. Damals wurde die Potenz sowohl Qu-Potenz als auch Q-Potenz genannt.[11]
Jost Künzli von Fimelsberg (1915 – 1992) – St. Gallen
Jost Künzli von Fimelsberg begann bereits 1948 mit den Quinquagintamillesimalpotenzen zu arbeiten. Er war es wohl, der die heute verwendete Bezeichnung Q-Potenz etablierte.[9][11]
Adolf Voegeli (1899 – 1993) – Pully bei Lausanne
Adolf Vögeli schrieb 1955 ein Grundlagenwerk über die 50.000er Potenzen, wobei er den Begriff „LM-Potenz“ verwendete – ein Missverständnis.[12][9] Dieser Begriff hat sich offenbar schnell eingebürgert, denn ab 1960 wurde dieser Begriff auch von Robert Flury verwendet, ohne jedoch eine Begründung für die Verwendung dieses Begriffes angegeben zu haben.[11]
Die Buchstabenfolge „LM“ als römische Zahl für „50.000“ ist falsch. Nach den Regeln der römischen Zahlen wird eine kleinere Zahl, die links von einer größeren Zahl steht, von der größeren Zahl subtrahiert. Die römische Zahl „LM“ hat also einen Wert von 950. Wenn man aus den Zahlen „L“ für „50“ und „M“ für „1000“ die Zahl „50.000“ schreiben möchte, dann müsste die Darstellung „multiplikativ“ sein – also „L*M". Die korrekte Schreibweise in römischen Zahlen wäre allerdings sehr unhandlich und hätte sich vermutlich nicht durchsetzen können.
Die alten römischen Zeichen für große Zahlen waren:
IƆ (≈ D) | für | 500 | CIƆ | für | 1.000 |
IƆƆ | für | 5.000 | CCIƆƆ | für | 10.000 |
IƆƆƆ | für | 50.000 | CCCIƆƆƆ | für | 100.000 |
IƆƆƆƆ | für | 500.000 | CCCCIƆƆƆƆ | für | 1.000.000 |
Eine 50.000er Potenz hätte also korrekterweise mit einem IƆƆƆ gekennzeichnet sein müssen.[13]
Voegeli selbst schreibt dazu:
Diese Abkürzung „LM-Potenz“ gibt das Wort „quinquaginta millesimalis“ allerdings nur wörtlich wieder. Die Zahl LM ist im Lateinischen nicht zulässig, weil die römischen Zahlen in absteigender Reihenfolge aufgeschrieben werden müssen und dann addiert werden, mit Ausnahme von I, X und C, die von der ihnen nachfolgenden größeren Zahl subtrahiert werden. Dies ist aber beim L = 50 nicht zulässig. Die Bezeichnung „LM“ stellt daher eine rein konventionelle Übereinkunft dar, etwa wie sich das Zeichen ♄ = Saturn eingebürgert hat und allgemein anerkannt wird.[14]
Pierre Schmidt (1894 – 1987)
Hahnemanns letztes Vermächtnis war für die Vertreter der Kent’schen Schule („Hochpotenzler“) ein Problem. Pierre Schmidt (1894 – 1987) als ein führender Vertreter der Kent'schen Richtung hat 1936 – 15 Jahre nachdem Richard Haehl die 6. Auflage des Organons herausgegeben hat – die 50.000er Potenzen in seinem Vortrag auf dem Internationalen Liga-Kongress[B 2] der homöopathischen Ärzte mit keinem Wort erwähnt. Erst 1952 – zehn Jahre nach Rudolf Flurys Wiederentdeckung der Médicaments au globule – wies Pierre Schmidt im Rahmen seiner Übersetzung der 6. Auflage des Organons ins Französische rein rechnerisch auf Hahnemanns 50.000er Potenzen hin, ohne dabei Flury zu erwähnen. 1954 schrieb er einen Aufsatz „The hidden treasures of the last Organon“.[15] 1961 erklärte er in der Zeitschrift für klassische Homöopathie (ZKH), dass er die 50.000er Potenzen etwa 2 bis 3 mal pro Jahr anwende. Er hintertrieb damit Hahnemanns Anweisung und blieb auf der Seite von Kent mit dessen seltenen Gaben sehr hoher C-Potenzen.[16]
Weitere Kritiken und Missverständnisse
Bereits die C30 der 5. Auflage des Organon wurde von Ludwig Grießelich (1804-1848), einem Zeitgenossen Hahnemanns, sowie von Nachfolgern Hahnemanns wie Richard Hughes (1836-1902) – sogenannte „Tiefpotenzler“ – ins Lächerliche gezogen und Hahnemanns zunehmender Senilität zugeschrieben. Die Kent-Schüler als „Hochpotenzler“ hingegen haben den Zusammenhang zwischen der älteren „Potenziertheorie“ und der praktischen Herstellungsweise der Q-Potenzen nicht erkannt. Man hatte zwar gelesen, was Hahnemann über die Notwendigkeit der Potenzsteigerung durch jedesmaliges Schütteln der täglichen Arznei geschrieben hatte, stellte aber keine Verbindung her zu dem neuen Herstellungsverfahren Hahnemanns, der „Médicaments au globule“. Man wendete die Methode der Potenzsteigerung durch jedesmaliges Schütteln einfach auf die C-Potenzen an und nannte das Ganze „Plus-Methode".[17]
Q-Potenzen versus LM-Potenzen
Q-Potenzen und LM-Potenzen sind Mehrglaspotenzen, deren Arzneigehalt rechnerisch bestimmt werden kann.[18][2] Im Gegensatz zu den Einglaspotenzen (C- oder D-Potenzen von Korsakow) treten bei Mehrglaspotenzen andere Adhäsionseffekte an den Gefäßwandungen auf. Haas hat 1949 bei Untersuchungen an D-Potenzen folgende Merkmale homöopathischer Konzentrationsverläufe gefunden:[19]
- Aufgrund von Adsorptionseffekten[B 3] führt die Mehrglasmethode zu einer Konzentrationsverringerung gegenüber den theoretischen Werten.
- Die Einglasmethode führt zu einer Konzentrationserhöhung gegenüber den theoretischen Werten.
- Das Ausmaß des Adsorptionseffektes ist von der Art des potenzierten Arzneirohstoffes abhängig.
- Wird während der Potenzierung das Lösungsmittel gewechselt, z.B. durch Anwendung verschiedener Alkoholkonzentrationen, so können sich aufgrund der Unterschiede der Oberflächenspannungen deutliche Veränderungen der Konzentrationsverhältnisse ergeben.
- Die Konzentrationsabweichungen nehmen mit der Potenzhöhe zu.
- Die absoluten Werte der Konzentrationsabweichungen sind bei Einglaspotenzen höher als bei der Mehrglaspotenz.
Q-Potenzen bei Hahnemann
Hahnemann schreibt im §270 des Organon 6 die Herstellung der „médicaments au globule“ vor. Den Begriff „Q-Potenz“ kennt Hahnemann nicht. Dieser Begriff wurde erst später von Jost Künzli von Fimelsberg etabliert.[9][11]
Wie bereits oben beschrieben beginnt die Herstellung mit einer „C3-Trituration“.[6] Danach folgen zwei Verdünnungsschritte im Wechsel. Beim jeweils ersten Verdünnungsschritt handelt es sich um eine „aktive Phase“ (mit „Dynamisierung“ durch 100 Schüttelschläge), beim jeweils zweiten Verdünnungsschritt um eine „passive“ Phase (ohne „Dynamisierung"). Zweitens wechselt der Verdünnungsgrad zwischen 1:100 in der aktiven Phase und 1:500 in der passiven Phase. Und drittens wechselt das Medium von flüssig in der aktiven Phase und fest in der passiven Phase. Hahnemann schreibt vor, dass vor jedem aktiven Dynamisierungsschritt 1:100 ein passiver Verdünnungsschritt 1:500 durchzuführen sei.[11]
Für den passiven Verdünnungsschritt von ca. 1:500 füllt Hahnemann Globuli der Größe „0“ – kleine Globuli, „wovon 100 einen Gran wiegen“, entsprechend wiegen ca. 1600 davon ein Gramm – in einen unten gelochten Fingerhut. Seiler schreibt, Hahnemann nenne die Anzahl der einzufüllenden Globuli ausdrücklich nicht.
Diese Globuli werden durch genügendes Übergießen bzw. Beträufeln mit Potenzierungsflüssigkeit der vorangehenden Stufe mit anschließendem kurzem Umrühren allseits und gleichmäßig 'wohl befeuchtet‘. Die Größe der Globuli Nr. 0 ist mit Bedacht so gewählt, dass jedes einzelne Kügelchen bei gesättigter Benetzung nur etwas weniger als ein Fünfhundertstel eines Tropfens Alkohollösung aufnehmen kann. Damit verteilt sich ein einzelner Tropfen der beigefügten Potenzierungslösung von selbst auf etwas mehr als 500 Globuli, womit ein Verdünnungsverhältnis von gut 1:500 entsteht. Form und Größe des Fingerhutgefäßes bewirken hierbei ebenfalls automatisch, dass eine nicht allzu große Menge von Globuli durch lediglich sanftes Umrühren, also praktisch ohne jeglichen energiezuführenden Potenzierungseffekt, gleichmäßig und reichlich benetzt wird. Ein allfälliger Überschuss an Potenzierungsflüssigkeit fließt über das Loch im Fingerhutgefäß ab. Die Globuli werden dann auf Fließpapier ausgebreitet und getrocknet.[20]
Für den anschließenden aktiven Dynamisierungsschritt werde dann 1 Kügelchen – das nach der oben angegebenen Vorschrift 1/500 Tropfen enthält – in 100 Tropfen konzentrierter Alkohollösung aufgelöst und mit 100 Schüttelschlägen versetzt, so dass ziemlich genau ein Verhältnis von 1:50.000 resultiere.[11][21]
Baur weist in einem Interview darauf hin, dass die Originalvorschriften von Hahnemann erst Anfang 2016 als Vorschrift Nr. 59 in das Homöopathische Arzneibuch (HAB) aufgenommen worden seien. Die Vorschrift Nr. 17 des HAB befasse sich zwar schon in früheren Auflagen mit Ausführungsbestimmungen zu Hahnemanns §270 des Organon 6; allerdings beziehe sich die Vorschrift 17 auf LM-Potenzen nach Voegeli. Zudem entspreche die Vorschrift aber nur annähernd den durch Hahnemann gegebenen Vorschriften.[9]
LM-Potenzen bei Voegeli
Voegeli war es, der für die 50.000er Potenzen den irrtümlichen Begriff LM-Potenzen geprägt hat. Der Begriff LM-Potenz kann zudem verwechselt werden mit einer hohen Centesimalpotenz nach Korsakow: Die Potenzstufe CK50.000 wird gelegentlich auch als LM-Potenz bezeichnet.[2]
Voegeli unterliegt einem Missverständnis: Er verwendet nicht Globuli der Größe „0“ (100 Globuli wiegen 1 Gran = 62,1 mg / 1 Globulus der Größe „0“ wiegt 0,621 mg), sondern Globuli der Größe „1“ (500 Globuli wiegen 1 Gramm / 1 Globulus der Größe „1“ wiegt 2 mg).[20] Globuli der Größe „1“ sind 3 mal so schwer und 1,5 mal so dick wie Globuli der Größe „0".[16]
Aber der Name ist nicht der einzige Unterschied zu den Q-Potenzen:
Ausgangssubstanz ist keine Verreibung frischer Pflanzen, sondern Verwendung des alkoholischen Auszugs (Dilution) von C2 in Form der Urtinktur. (Zitat Silke Koch[22])[19]
Die Herstellung einer LM-Potenz gemäß HAB 2003 HV 17 kennt keine Verreibung frischer Pflanzen, sondern verwendet den alkoholischen Auszug in Form der Urtinktur, was auch den wesentlichen Unterschied zu den Q-Potenzen darstellt.[23]
Statt eines unten gelochten Fingerhuts verwendet Voegeli einen geschlossenen Glaszylinder, den er allerdings mit exakt 500 Globuli der Größe „1“ befüllt. Insofern wird auch bei Voegeli ein Tropfen der Potenzierungsflüssigkeit auf 500 Globuli verteilt.
Nach der Benetzung der 500 Globuli mit der Potenzierungsflüssigkeit in einem geschlossenen Glasbehälter wird dieser Behälter „energisch“ verschüttelt. Diese Verschüttelung macht aber – anders als Hahnemann es wollte – einen zweiten dynamischen Verdünnungsschritt aus. Der „passive“ Verdünnungsschritt entfällt bei Voegeli also; statt dessen hat jede Potenzstufe zwei „aktive“ Dynamisierungsschritte.[11] Hahnemann hat das nicht gewollt („Macht’s nach, aber macht’s genau nach.“[24]).
Homöopathenstreit um die exakte Berechnung
Pierre Schmidt schreibt:
Leider ist der deutsche Text der Herstellungsvorschrift sehr schwer zu verstehen und überhaupt nicht klar. Wir haben nun, zusammen mit Künzli, den Text soweit geklärt, daß er in der französischen Ausgabe des „Organon“ vollkommen präzis und durchsichtig geworden ist. Man muss den Text nur aufmerksam durchlesen![21]
Samuel Hahnemann (Paris)
Hahnemann hat sich bei der Benennung des Verdünnungsgrades nicht festgelegt. Hochstetter schreibt, Hahnemann habe sich „vorsichtiger“ ausgedrückt:[25]
... so wird das Verhältnis 1:50.000, ja größer noch, indem 500 solcher Streukügelchen noch nicht völlig einen Tropfen zu ihrer Befeuchtung aufnehmen können.[8]
Kurt Hochstetter (Santiago de Chile)
Hochstetter schreibt, ein alter Grundsatz der Mathematik sei es, dass man nur gleiche Begriffe miteinander manipulieren könne – und beginnt die Angaben Hahnemanns auf moderne SI-Einheiten umzurechnen.[26]
Der besseren Übersicht halber werden Hochstetters Textangaben in Tabellenform gezeigt:
Tropfen | Lösung | Kügelchen | Gran | Gramm (g) | Milligramm (mg) |
20 | destilliertes Wasser 20 °C | 1 | 1.000 | ||
1 | destilliertes Wasser 20 °C | 1/20 | 50 | ||
60 | 90 %iger Alkohol 20 °C | 1 | 1.000 | ||
1 | 90 %iger Alkohol 20 °C | 1/60 | 17 | ||
47 | 45 %iger Alkohol 20 °C | 1 | 1.000 | ||
1 | 45 %iger Alkohol 20 °C | 1/47 | 21 | ||
35 | Mischung a) | 1 | 1.000 | ||
1 | Mischung a) | 1/35 | 29 | ||
Größe „0“ c) | 0,01 | 0,0006 b) | 0,6 b) | ||
Größe „1“ d) | 0,01 | 0,002 | 2 | ||
100 St. „0“ | 1 | 0,06 b) | 60 b) | ||
500 St. „0“ | 5 | 0,3 | 300 |
a) Mischung aus „1 Teil Branntwein und 4 Teile Wasser"
b) Der genaue Wert für 1 Gran ist 0,0621 g oder 62,1 mg[6]
c) Globuli der Größe „0“ sind kleine Globuli, von Hahnemann verwendet.
d) Globuli der Größe „1“ sind größere Globuli, von Voegeli verwendet.
Herstellungsanweisung nach Hochstetter |
1. Schritt der Potenzierung: 2. Schritt der Potenzierung: 3. Schritt der Potenzierung:
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Da die Kügelchen rund 1 % der Potenzierungsflüssigkeit aufnehmen können und der Rest im Fließpapier entsorgt wird, resultiere wiederum ein Verhältnis von 1:100.
Hochstetter rechnet nun wieder auf SI-Einheiten um:[26] Er verwendet dabei den Wert
100 Kügelchen wiegen 1 Gran „= 0,6 g“
Anmerkung: der Wert ist um Faktor 10 zu hoch; der korrekte Wert ist 0,06 g = 60 mg
Nach Hochstetter wiegt somit ein Kügelchen 0,06 mg
Anmerkung: dieser Wert ist um Faktor 10 zu klein; korrekt ist 0,6 mg
Die fehlerhafte Gewichtsangabe findet sich übrigens auch bei Gebhard.[27] Auch er schreibt in seinem Aufsatz „Geschichte der Homöopathie“ (Klassifizierte Fortbildung), ein Gran wiege 0,6 g – korrekt ist: ein Gran wiegt 0,06 g = 60 mg (genau: 62,1 mg).
Zurück zu Hochstetter: Ein Kügelchen wird in einem Tropfen Wasser (50 mg pro Tropfen) und 100 Tropfen Alkohol (100 x 17 mg pro Tropfen = 1700 mg) – in Summe 1750 mg – gelöst: das Verhältnis sei also 0,6 mg – Anmerkung: an dieser Stelle erscheint plötzlich der richtige Wert für das Gewicht eines Kügelchens – auf 1750 mg entsprechend einem Verhältnis von 1:2920 (korrekt 1:2917) – gerundet 1:3000.
Da man nun wieder nach den 100 Schüttelschlägen Kügelchen mit 1 % Lösung imprägniere, bedeute jeder Dynamisationsgrad eine Verminderung der Materie um 1:292.000 oder rund 1:300.000, also „etwas mehr", als Hahnemann angenommen habe.[26]
Adolf Voegeli (Pully bei Lausanne)
Hochstetter kritisiert auch Voegeli. Dieser gehe davon aus, dass „500 ganz kleine Milchzuckerkügelchen, von denen 500 auf ein Gramm gehen“ durch einen Tropfen Lösung in dünner Schicht überzogen werden. Hahnemann verwende nämlich „Rohrzuckerkügelchen, von denen 100 auf ein Gran gehen“ – zur Erinnerung: Es handelt sich bei Voegeli um Globuli der Größe „1“ und bei Hahnemann um Globuli der Größe „0". Voegeli – und damit das HAB – verwenden nach Hochstetter also die falschen Globuli.
Bei Voegeli scheine das Verhältnis klar: Es werde eine Dilution 1:100 bereitet und davon ein Tropfen in 500 Teile aufgeteilt. Das Verhältnis sei dann klar 1:50.000.
Hahnemann habe kleinere Kügelchen verwendet, von denen 500 „nicht völlig einen Tropfen“ zur Befeuchtung aufnehmen können. Deshalb habe Hahnemann angegeben, dass das Verhältnis nicht 1:50.000 betrage, sondern „größer noch“ sei.
Hochstetter schreibt:
Nach den oben gemachten Ausführungen würde 1 Tropfen der 1:30.000 verdünnten Lösung auf 500 Rohrzuckerkügelchen ein Verhältnis von 5,67:100 ergeben – 1 Tropfen entsprechend 17 mg auf 500 Rohrzuckerkügelchen von zusammen 300 mg (100 = 1 Gran = 0,6 mg). Da die Kügelchen aber nur 1 % (1:100) aufsaugen, sei die tatsächliche Verdünnung „1:30.000 mal 1:100", also „im ganzen 1:300.000", womit wir den oben ausgerechneten 1:292.000 sehr nahe kommen, statt der von Hahnemann angenommenen 1:50.000. Wenn man diese allerdings mit der 5,67fachen Menge vergleicht, kommt man auch wieder auf 283.500.[26]
Anmerkung: Dieser Abschnitt ist auf den ersten Blick unverständlich und nicht nachvollziehbar. Es ist nicht klar, wo in den „oben gemachten Ausführungen“ ein Verhältnis von 1:30.000 erscheint. Außerdem ist ein Hundertstel von 1:30.000 nicht 1:300.000. Es muss angenommen werden, dass Hochstetter bei der Angabe des Wertes „1:30.000“ eine überzählige Null angegeben hat: Tatsächlich hat er weiter oben ja einen Wert von 1:2.920 – gerundet 1:3.000 – ausgerechnet. Und ein Hundertstel von 1:3.000 ist dann korrekt 1:300.000.
In seinem Aufsatz hat Hochstetter mehrere falsche Zahlenangaben gemacht, dann aber mit den richtigen Werten weitergerechnet, so dass sein Aufsatz beim aufmerksamen Lesen zu Verwirrung führen muss.
Emil Pelz (Schwalmstadt)
Ein weiterer Autor, der sich um die Berechnung des exakten Verdünnungsverhältnisses bemüht, ist Emil Pelz. Auch er bescheinigt Voegeli, bei dessen LM-Verdünnung exakt ein Verhältnis von 1:50.000 einzuhalten.
Bei Voegeli bedeutet „1 g Globuli“ eine Anzahl von 500 Globuli (Größe „1").
Bei Hahnemann jedoch bedeutet „1 g Globuli“ eine Anzahl von gut 1.666 Globuli.
Pelz schreibt:
Wenn ein Tropfen, wie nachgewiesen wurde, imstande ist, ein ganzes Gramm Globuli zu imbibieren (was praktisch schon von Hahnemann angedeutet wurde), muß das Komma bei den Potenzen Hahnemanns um gut eine Stelle nach rechts verlegt werden. Voegelis Potenzen würden recht genau einer Verdünnung von 1 zu 50.000 entsprechen, die von Hahnemann jedoch ungefähr einer von 1 zu 500.000.[28]
Anmerkung: Das Verhältnis von 1/500 zu 1/1666 entspricht einem Faktor 3,33 und nicht dem Faktor 10. Die Schlussfolgerung von Pelz bleibt unverständlich. Will man seiner Argumentation folgen, dann läge das Verdünnungsverhältnis bei Hahnemanns „médicaments au globule“ bei 1:166.500 und nicht bei 1:500.000.
Die Berechnungen um die exakte Verdünnung und die Erkenntnis der vorgenannten Autoren, Hahnemann habe mit seiner Angabe „1:50.000 oder mehr“ falsch gelegen, führt zu einer heftigen Erwiderung von Jost Künzli von Fimelsberg:
Ab und zu steht einer auf, um Hahnemann der Ungenauigkeit zu bezichtigen, ihn in Zweifel zu ziehen. In unserer nicht mehr denkenden Zeit, die sich durch Schlagzeilen suggerieren läßt, ist dann das Urteil rasch bei der Hand: ‚Hahnemann ist nicht ernst zu nehmen.’ Und dann taucht die ganze Homöopathie sogleich in ein verschwommenes, mystisches Dunkel zurück, in welchem sie manche so gerne sehen. Die Kritikaster, vielleicht gutmeinend, oft aber auch dumm oder gar perfid, erreichen mit ihren Verunglimpfungen mühelos, daß der Homöopathie erneut wieder für Jahre die Aufnahme in den Kreis der ernsten Wissenschaften verweigert wird. Das ist das Traurige an der Sache.[29]
Und dann rechnet Künzli selbst nach: Er schreibt, dass 500 Kügelchen der Größe „0“ – also die Größe, die von Hahnemann verwendet wird und von denen „100 auf ein Gran gehen“ – einen Tropfen Potenzierflüssigkeit absorbieren.[29]
Hochstetter[26] schreibt, Hahnemann habe keine genaue Angabe gemacht über die Zahl der Kügelchen, die von einem Tropfen der Potenzierungsflüssigkeit benetzt werden.
Pelz[28] schreibt, Hahnemann benetze mehr als 1.600 Kügelchen mit einem Tropfen der Potenzierungsflüssigkeit.
Künzli von Fimelsberg[29] schreibt, Hahnemann benetze – so wie Voegeli – genau 500 Kügelchen mit einem Tropfen der Potenzierungsflüssigkeit – nur eben von der Größe „0“ und nicht von der Größe „1“ wie Voegeli.
Schmidt[21] schreibt, Hahnemanns deutscher Text mit der Herstellungsanleitung sei schwer zu verstehen, aber in Schmidts französischer „Übersetzung“ sehr genau (Anm.: Anführungszeichen durch Homöopedia).
Hahnemann[24] beruft sich mit seiner Lehre nicht nur hauptsächlich, sondern einzig auf die Erfahrung: – „macht’s nach!“ ruft sie laut, „aber macht’s genau und sorgfältig nach, und ihr werdet sie auf jeden Fall bestätigt finden“ ...
Dr. Andreas Grimm (Tübingen)
Aber auch die rechnerische Verdünnung bei Voegeli – bei Künzli von Fimelsberg, Hochstetter und Pelz noch völlig unzweifelhaft – wird angezweifelt: Grimm nennt Voegelis 50.000er Potenzen, die Eingang in das HAB gefunden haben, „22.700er Potenzen“.[30]
Grimm stellt bei seiner Berechnung nicht auf die Zahl der Globuli ab – 1 Tropfen auf 500 Globuli sowohl bei Hahnemann als auch bei Voegeli –, sondern auf die Oberfläche der Globuli. Grimm berechnet das Verdünnungsverhältnis bei Voegeli – und damit der Vorschrift 17 des HAB – mit 1:22.700. Globuli der Größe 1 – 500 Stück wiegen 1 g – sind etwa 3,3 mal so schwer wie Globuli der Größe 0 – 500 Stück wiegen 1 Gran; 1.666 Stück wiegen 1 g – und haben demzufolge eine etwa 2,2 mal so große Oberfläche wie Globuli der Größe 0. Da sich der eine Tropfen der Potenzierungsflüssigkeit bei Voegeli auf eine 2,2-fach größere Oberfläche verteilt, sei das Verdünnungverhältnis um diesen Faktor zu korrigieren: 1:22.700 anstatt 1:50.000.[30]
Anmerkung: Grimm geht davon aus, dass die Potenzabstufung bei Hahnemann mit dem Verhältnis 1:50.000 korrekt beschrieben ist, korrigiert die Potenzabstufungen bei Voegeli aber um den Faktor 2,2 auf 1:22.700. Wäre Grimm – wie andere Autoren – davon ausgegangen, dass die Potenzabstufung bei Voegeli mit 1:50.000 korrekt beschrieben ist, dann hätte er die Potenzabstufung bei Hahnemann um den Faktor 2,2 auf 1:110.000 korrigieren müssen. Grimm errechnet, ausgehend vom Gewicht der Globuli über deren Volumen die Oberflächen und kommt zum Ergebnis, dass zwischen den Oberflächen der Globuli Größe 0 und Größe 1 ein Verhältnis von 1:2,2 besteht. Die Kenntnis dieses Faktors ist aber kein Entscheidungskriterium darüber, wessen Potenzabstufung die richtige ist: Ist Hahnemanns Abstufung 1:50.000 korrekt beschrieben oder Voegelis Abstufung 1:50.000? Dass Grimm die Hahnemann'sche Abstufung von 1:50.000 für die Richtige hält, ist nicht das Ergebnis seiner Berechnung, sondern seine Eingangsvoraussetzung.
Verunreinigungsproblem
Die Prinzipien der Herstellung von homöopathischen Arzneien setzen eine Verdünnung mit wirkstofffreiem Lösungsmittel voraus – das ist aber technisch gar nicht möglich. Verunreinigungen in den Lösungsmitteln werden bei jedem Verdünnungsschritt in immer gleicher Konzentration zugeführt (z.B. ist der Grenzwert für Blei im Trinkwasser 0,01 mg/l ≈ D8),[31][32] so dass die Abnahme der materiellen Konzentration aller Verunreinigungssubstanzen unter deren Konzentration im Lösungsmittel nicht möglich ist. Gleichwohl werden aber auch die Verunreinigungen einer „Dynamisation“ durch Verreiben oder Verschütteln ausgesetzt.
Problematisch für die Herstellung von Potenzen ist, dass viele Verunreinigungsstoffe des Lösungsmittels (z.B. Blei) ein eigenes homöopathisches Arzneimittelbild haben, dass mithin diesen Verunreinigungsstoffen eine eigene homöopathische Wirkung zugesprochen wird. In der Homöopathie geht man aber davon aus, dass Wirkstoffspuren im Lösungsmittel nicht mitpotenziert werden.[33]
Voegeli schreibt hierzu:
Von der Schulmedizin wird immer wieder behauptet, daß die Verunreinigungen auch des reinsten destillierten Wassers in Bezug auf die Molekularzahl das ursprüngliche Medikament übertreffen müssen, dies selbst bei verhältnismäßig niedrigen Potenzen. Dies ist nicht abzustreiten. Da aber das Experiment so deutlich die arzneiliche Kraft der Potenzen erweiset, muß eben ein anderer Faktor im Spiele sein, der weit mächtiger ist als die arzneiliche Wirkung der Verunreinigungen, eben die erwähnte Energie, die in maximaler Stärke nur von einer einzigen Substanz stammt, nämlich von der ursprünglich in viel größerer Menge vorhanden gewesenen Ursubstanz, von der aus die Potenz hergestellt wurde. [34]
Energie ist ein physikalisch genau definierter Begriff. Die Eigenschaften der hier beschriebenen Form der „Energie“ sind nicht identisch mit den Eigenschaften der Energie im physikalischen Sinne (unter anderem gilt bei der homöopathischen „Energie“ nicht der Energieerhaltungssatz). Eine wirkliche Erklärung stellt Voegelis Einlassung mithin nicht dar.
Kritische Betrachtung aus wissenschaftlicher Sicht
Allgemeine Bemerkungen
Tiefpotenzen unterhalb Q1 können noch Arzneisubstanzen in einer Menge enthalten, die pharmakologische Wirkungen entfalten kann. Ab einer Q1 kann keine pharmakologische Wirkung erzielt werden.
Oberhalb von C3 bis C4 sind pharmakologische Wirkungen nicht mehr möglich, obwohl noch Arzneisubstanzen vorhanden sind.
Schüttelschläge oder Verreibungen bringen zwar tatsächlich Energie in die Arzneisubstanz, dieser Energieeintrag ist aber vergleichsweise sehr klein und physikalisch nahezu unwirksam.
Die behaupteten geistartigen Arzneikräfte sind immateriell und können mit Materie prinzipiell nicht wechselwirken. Physikalisch ist die Frage, welche materielle Wirkung eine immaterielle Idee hat, sinnlos. Geistartige, immaterielle Arzneikräfte können weder mit Messgeräten auf physikalisch-chemischer Basis wechselwirken noch mit anderen Arzneiträgern auf physikalisch-chemischer Basis wie z.B. Wasser, Alkohol oder Zucker.
Flüssigkeiten sind nicht in der Lage, Informationen dauerhaft zu speichern, das gelegentlich postulierte Wassergedächtnis existiert nicht. Es gibt keine festen Adressen, auf denen man die Informationen ablegen und später wieder auslesen kann. Die Wasserstoffbrückenbindungen, denen man eine theoretische Möglichkeit zur Speicherung von Informationen zuschreibt, sind nur über einen Zeitraum von etwa 200 Femtosekunden (= 10-15 s) stabil und damit als Datenspeicher ungeeignet.[35][36][37] Informationsspeicherung in Wasser oder alkoholischer Lösung ist aber eine der Voraussetzungen für die behauptete materielle Wirksamkeit hoher homöopathischer Potenzen.[38]
Wenn immaterielle Arzneikräfte mit Materie nicht wechselwirken können, dann können sie natürlich auch nicht mit dem Körper des Patienten wechselwirken. Aber genau das müsste möglich sein, wenn homöopathische Arzneien eine heilsame Wirkung auf den Körper haben sollten. Der Körper der Patienten ist materiell. Der Verweis auf ebenfalls immaterielle „Selbstheilungskräfte“ hilft auch nicht weiter, denn dann müssten die immateriellen Selbstheilungskräfte eine Wirkung auf den materiellen Körper des Patienten haben können.
Auch philosophisch gibt es Fragen zur postulierten immateriellen „geistartigen Arzneikraft". Wenn diese immaterielle Arzneikraft angeblich mit jedem Schüttelschlag größer wird, wird sie dann durch die anschließende Verdünnung auf 0,002 % der vorhergehenden Potenzstufe wieder kleiner? Wird sie auch jenseits der Avogadrogrenze durch Verdünnen kleiner, wo die Materie der Arzneimittel nicht mehr kleiner werden kann? Wenn nicht, stellt sich die Frage nach dem Sinn der Verdünnung, wenn der Verdünnungsvorgang weder einen Einfluss auf das Materielle noch auf das Immaterielle hat.
Und wenn der Verdünnungsvorgang auch unterhalb der Avogadrogrenze keinen Einfluss hat auf die immaterielle Arzneikraft, kann diese dann beliebig – jenseits aller Grenzen – wachsen? In den beim Potenzierungsprozess verworfenen Überschüssen wäre dann ein gewisser Anteil an immaterieller Arzneikraft und in dem nicht verworfenen Anteil müsste die restliche Arzneikraft durch Dynamisation auf mehr als das Hundertfache erhöht werden können.
Wie verhält es sich mit dem Anteil der immateriellen Arzneikraft im Lösungsmittel? Ist das Lösungsmittel nach dem Dynamisierungsvorgang an immaterieller Arzneikraft gesättigt? Wenn ja, wäre eine weitere Sättigung durch die nachfolgenden Dynamisierungen unmöglich. Wenn nein, wäre der nachfolgende Verdünnungsschritt kontraproduktiv.
Zusammenfassung der Fakten zu den Q-Potenzen
Hahnemann |
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Hahnemann |
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Flury |
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Künzli v. Fimelsberg |
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Voegeli |
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Hochstetter |
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Pelz |
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Grimm |
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P. Schmidt |
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Kritische Anmerkungen
Hahnemann hat die Q-Potenzen erst in den letzten Jahren seines Lebens erfunden. Allgemein bekannt wurden sie erst 100 Jahre später.
In diesen 100 Jahren haben seine Schüler in Unkenntnis der überraschenden Neuerung, die sich in der 6. Auflage des Organons zeigen würde, weiterhin „konventionelle“ Potenzen verwendet und diese zu Höchstpotenzen gesteigert. Schwierigkeiten, die Hahnemann mit den konventionellen Potenzen hatte und die der Grund waren für seine Neuentwicklung, hatten seine Schüler aus dem Lager der Hochpotenzler offenbar nicht, so dass sie auch nach Kenntnisnahme der Q-Potenzen weiterhin die konventionellen Hochpotenzen bevorzugten.
Hahnemanns Herstellungsvorschriften werden auch von Homöopathen als „schwer verständlich“ bezeichnet. Nach der „Übersetzung“ der Vorschrift in die französische Sprache werden sie jedoch überraschend als „sehr genau“ beschrieben.
Trotz der Eindeutigkeit gibt es eine Vielfalt von behaupteten Verdünnungsfaktoren:
- Q-Potenzen bei Hahnemann: von 1:50.000 über 1:300.000 bis hin zu 1:500.000 und – nur berechnet, aber nicht benannt –: 1:166.500
- LM-Potenzen bei Voegeli: von 1:22.700 bis 1:50.000
Anmerkung: Berechnung Verdünnungsverhältnis |
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Rein rechnerisch ist für die Festlegung des Verdünnungsfaktors auf 1:50.000 nur wichtig, ob 1 Tropfen der Potenzierungsflüssigkeit vollständig von den 500 Kügelchen aufgesaugt wird und ob die Kügelchen alle in gleichem Maße benetzt werden. |
In den Quellen findet man aber nicht nur – untaugliche – Berechnungsversuche von Verdünnungsverhältnissen oder Solidaritätsadressen für Hahnemann und für Vertreter der eigenen Richtung. Die Quellen enthalten eine Vielzahl von Anwendungsanekdoten, die eines gemeinsam haben: Sie haben nichts gemeinsam. Handlungsanweisungen von allgemeiner Gültigkeit sind in den Quellen nicht zu finden.
Die teilweise vollkommen auseinanderdriftenden Aussagen über Q-Potenzen hinsichtlich Verdünnungsgrad, Notwendigkeit des Gebrauchs sowie Einsatzmöglichkeit zeigen eindrucksvoll die Uneinigkeit der Homöopathenschaft. Sie sind ein Indiz für fehlende Fakten als Grundlage der Aussagen.
Nur unter der Annahme, dass alle Aussagen über die Q-Potenzen auf subjektiven Meinungen ohne Realitätsbezug beruhen, kann das Phänomen „Gedankengebäude Q-Potenzen“ verständlich sein.
Hahnemanns alter Auftrag „Macht’s nach, aber macht’s genau und sorgfältig nach“[24] wird bei der Entwicklung der Hochpotenzen von der Kent’schen Schule ebenso missachtet wie von Hahnemann selbst bei seiner Entwicklung der Q-Potenzen. Wer sich an Hahnemanns Gebot hält, kann weder mit „konventionellen“ Hochpotenzen noch mit Q-Potenzen Erfahrungen sammeln. Hahnemanns Gebot wurde missachtet. Es blieb folgenlos.
Schlussbemerkung
Der Verdünnungsvorgang bei den Q-Potenzen betrifft lediglich die materiellen Arzneikräfte. Jenseits der Avogadrogrenze sind weitere Verdünnungen nicht möglich (vom Verunreinigungsproblem der Verdünnungslösung abgesehen).
Die Verschüttelung bezieht sich auf postulierte und aus prinzipiellen Gründen nicht nachweisbare immaterielle Arzneikräfte, die aber – selbst wenn sie existieren würden – keinen Einfluss auf den Körper der Patienten haben können.
Der Potenzierungsvorgang soll nur auf die Wirkstoffe der Ausgangssubstanzen, nicht jedoch auf die Wirkstoffe in Lösungsmitteln wirken. Physikalisch ist eine Zuteilung der Wirkung von Schüttelschlägen oder Verreibungen lediglich auf die Ausgangssubstanz, nicht aber auf die Verunreinigungssubstanz, unmöglich.
Das unabweisbare Fazit ist, dass die Herstellung von pharmakologisch wirksamen Medikamenten durch Verdünnen und Verschütteln nicht möglich ist.
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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