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Wassergedächtnis
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Das Wassergedächtnis ist eine Modellvorstellung, nach der flüssiges Wasser in seiner Struktur von einem darin befindlichen Stoff beeinflusst wird und diese Struktur auch dann beibehält, wenn die Lösung später so stark verdünnt wird, dass der Ausgangsstoff nicht mehr im Arbeitsgefäß vorhanden ist. Synonym wird auch der Begriff ''Imprint-Theorie'' verwendet, oder es wird generell nur auf die Existenz von ''Wasserclustern'' verwiesen.<br> | Das Wassergedächtnis ist eine Modellvorstellung, nach der flüssiges Wasser in seiner Struktur von einem darin befindlichen Stoff beeinflusst wird und diese Struktur auch dann beibehält, wenn die Lösung später so stark verdünnt wird, dass der Ausgangsstoff nicht mehr im Arbeitsgefäß vorhanden ist. Synonym wird auch der Begriff ''Imprint-Theorie'' verwendet, oder es wird generell nur auf die Existenz von ''Wasserclustern'' verwiesen.<br> | ||
Aktuelle Version vom 7. Januar 2021, 17:33 Uhr
Das Wassergedächtnis ist eine Modellvorstellung, nach der flüssiges Wasser in seiner Struktur von einem darin befindlichen Stoff beeinflusst wird und diese Struktur auch dann beibehält, wenn die Lösung später so stark verdünnt wird, dass der Ausgangsstoff nicht mehr im Arbeitsgefäß vorhanden ist. Synonym wird auch der Begriff Imprint-Theorie verwendet, oder es wird generell nur auf die Existenz von Wasserclustern verwiesen.
In der Homöopathie sollen mit diesen Begriffen schlagwortartig die Vorgänge beim Potenzieren erklärt werden. Obwohl diese Modellvorstellung eigentlich auch nur dort sinnvoll anzusetzen ist, wird sie oft so verwendet, als liefere sie eine plausible Erklärung für das gesamte Gedankengebäude der Homöopathie.[1][2]
Inhaltsverzeichnis
Modellvorstellung
Das Wassermolekül aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen ist nicht gerade gestreckt, vielmehr bilden die drei Atome einen Winkel von 104° mit dem Sauerstoffatom als Scheitel. Da das Sauerstoffatom die Elektronen stärker anzieht, ist die elektrische Ladung nicht gleichmäßig verteilt, so dass das Molekül einen Dipol bildet. Das Sauerstoffatom ist elektrisch negativ, die Wasserstoffatome positiv geladen. Da sich entgegengesetzte Ladungen anziehen, führt dies zur Ausbildung von sogenannten Wasserstoffbrücken zwischen jeweils einem Sauerstoffatom und einem Wasserstoffatom eines benachbarten Moleküls. Damit können sich eine Vielzahl von Wassermolekülen zu größeren Verbänden zusammenschließen. In der Imprint-Theorie wird angenommen, dass die Strukturen solcher Verbände durch anwesende (Fremd-)Atome und Moleküle beeinflusst und diese dann über längere Zeit auch dann beibehalten werden, wenn das Fremdmolekül nicht mehr vorhanden ist.[3] Bei den Strukturen könnte es sich um polymere fadenartige Aneinanderreihungen der Wassermoleküle oder auch um dreidimensional vernetzte Gebilde (Wassercluster) handeln.
Die oft verwendeten Metaphern, dass der Fremdstoff seine „Energie“ auf das Lösungsmittel übertrage oder auf „energetische Weise“ wirke, zielen ebenfalls darauf ab, dass das Wasser entweder im Molekül selbst oder im durch Wasserstoffbrücken gebildeten Verband dauerhaft modifiziert werden kann. Dabei wird stillschweigend unterstellt, die „Energie“ oder die „Schwingungen“ seien für den Ausgangsstoff charakteristisch und eindeutig durch den Urstoff geprägt.[4]
Forschung zum Wassergedächtnis
Zum Thema des Wassergedächtnisses gibt es ernsthafte Forschung, die in Journalen mit Peer-Review veröffentlicht wird. Am Anfang standen die Untersuchungen Jacques Benvenistes, der die Reaktionen von speziellen weißen Blutkörperchen (basophile Leukozyten) auf Antikörper (Immunglobulin E, IgE) untersuchte. Er fand, dass selbst dann, wenn die Lösung so weit verdünnt war, dass rechnerisch kein Antikörper mehr enthalten war, die Leukozyten dennoch darauf reagierten. Hieraus entspann sich eine Kontroverse: Einerseits wollte Nature, das Journal, das die Arbeit veröffentlicht hatte, keine sensationelle Entdeckung unterdrücken, andererseits wollte man aber auch keinem Betrug oder Irrtum aufsitzen. Dies führte zu einer langanhaltenden Debatte zwischen den Forschern und den Herausgebern der Zeitschrift, die letztendlich bis heute nicht abschließend geklärt ist. Versuche einer Replizierung waren zumeist erfolglos, allerdings hat eine Forschergruppe um Madeleine Ennis ein Ergebnis erzielt, das Benvenistes Schlussfolgerung zu bestätigen scheint. Bislang hat jedoch noch kein Forscher eine Deutung oder Erklärung für den vermuteten Effekt liefern können (siehe auch Versuche zur Replizierung der Ergebnisse von Benveniste).
Es gab in der Folgezeit eine ganze Reihe weiterer Untersuchungen, die sich mit unterschiedlicher Methodik und Zielsetzung mit dem Wassergedächtnis beschäftigten (siehe unten). Darunter finden sich auch Untersuchungen, in denen versucht wird, anhand physikalischer Phänomene die Existenz unterschiedlicher Strukturen nachzuweisen zum Beispiel mittels der Thermolumineszenz.
Der Bogen reicht weiterhin von Arbeiten, die nur in geringem Ausmaß mit den Arbeitsverfahren der Homöopathie übereinstimmen und deren Ergebnisse eigentlich eine Erklärung der Phänomene des Potenzierens gerade nicht erlauben (siehe Hauptartikel zu Luc Montagnier), bis hin zu vollkommen der Esoterik zuzuordnenden Behauptungen, die nie in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung dem Fachpublikum zur Diskussion gestellt worden sind[5] (siehe Hauptartikel zu Masaru Emoto), die aber dennoch oft als Forschungsergebnisse zitiert werden.[6][7]
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass es auch in nunmehr fast dreißig Jahren Forschung zum Wassergedächtnis nicht gelungen ist, ein Phänomen eindeutig zu identifizieren, das in reinem Wasser als eine Speicherung von Information über nicht mehr im Kontakt befindliche Inhaltsstoffe gelten könnte.
Wassergedächtnis in der Physik
Es wurden mehrere Versuche unternommen, die Strukturen von klarem Wasser und hochpotenzierten homöopathischen Präparaten zu untersuchen. David Anick veröffentlichte 2004 Ergebnisse von Untersuchungen mittels Kernspinresonanzspektroskopie, einem Verfahren, mit dem man sehr feine Strukturen in der Umgebung einzelner Atome analysieren kann.[8] Er kam zu folgendem Ergebnis:
Es wurden keine Signale gefunden, die auf einen Unterschied zwischen den homöopathischen Mitteln und den Kontrollproben hinweisen. Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese nicht, dass in Wasser hergestellte homöopathische Mittel langlebige, nicht-dynamische Änderungen der Muster der Wasserstoffbrücken beinhalten.
Ein deutsch-kanadisches Forscherteam um M. Cowan (Leitung: Prof. R.J. Dwayne Miller, Universität Toronto) untersuchte mittels Infrarotspektroskopie Schwingungen in den Wassermolekülen.[9] In der deutschen Fassung des Artikels ist zu lesen:[10]
Erstaunlicherweise zeigte sich nun, dass ein Zusammenhang zwischen Schwingungsfrequenzen der Wassermoleküle innerhalb von nur 50 Femtosekunden weitgehend verloren geht. [...] Dieses Ergebnis schließt auch manches Erklärungsmodell für den Wirkmechanismus homöopathischer Medizin aus.
Anmerkung: 50 Femtosekunden = 0,000 000 000 000 050 s. Zur Illustration: In dieser Zeit legt Licht eine Strecke von 0,015 mm zurück!
Dennoch sind in der Physik des Wassers Phänomene bekannt, die zumindest zeitlich befristet eine Nachwirkung eines nicht mehr vorhandenen gelösten Stoffes in flüssigem Wasser hinterlassen, allerdings nicht bei reinem Wasser, sondern nur im Verbund mit Verunreinigungen, festen oder freien Oberflächen.
In einer 2007 veröffentlichten Übersichtsarbeit beschäftigt sich Martin Chaplin mit den vorliegenden Untersuchungen zur Struktur flüssigen Wassers, die als Grundlage für ein Wassergedächtnis in Frage kommen.[11] Obwohl Chaplin der Homöopathie eher aufgeschlossen und wohlwollend gegenübersteht, kann auch er die Idee, dass Wasser in seiner Struktur eine Information speichern könne, die auf die Ursubstanz zurückzuführen sei, nicht unterstützen.
Chaplin weist zunächst darauf hin, dass die Kurzlebigkeit der Wasserstoffbindung eines Moleküls nicht notwendigerweise auf die Kurzlebigkeit einer Struktur hindeute. In festem Eis sei schließlich die Lebensdauer einzelner Wasserstoffbrücken auch sehr gering, aber das Eis könne seine Form sehr lange Zeit behalten. Eine Welle auf der Wasseroberfläche wechsle auch kontinuierlich die Wassermoleküle aus, könne aber als Struktur den Ozean überqueren. Auf ähnliche Weise könnten Wassercluster als Strukturelement über längere Zeit bestehen bleiben, auch wenn die einzelnen Wassermoleküle laufend ausgetauscht werden.
Allerdings nennt er als mögliche Mechanismen, die dazu führen könnten, dass aus der Lösung entfernte Atome und Moleküle weiter wirken, nur solche, die im weitesten Sinne auf Kontamination zurückzuführen sind:
- an Oberflächen und Wänden haftengebliebenes und so in die nächste Stufe verschlepptes Material
- Material, das beim Potenzieren als Aerosol in die Luft des Labors gelangte und von dort unbeabsichtigt zurück in die nächste Lösung eingebracht wird
- eingebrachte Bakterien
- Abdruck von Atomen/Molekülen auf zusammengeballten Silikatpartikeln
- verbliebene Cluster an Partikeln und Oberflächen
Alle anderen Effekte beim Potenzieren und Verschütteln, die Bildung von Wasserclustern, Nanobläschen, Bildung von Hyperoxidmolekülen etc. sind unspezifisch. Darunter ist zu verstehen, dass diese Strukturen sich zwar bilden können, dies aber nicht in einer für einen gelösten Stoff typischen Weise.
Auch Teixera kommt in seinen Betrachtungen zu den Vorgängen in reinem Wasser zu eindeutigen Schlussfolgerungen:[12]
In dieser Arbeit wird die Tatsache betont, dass diese Idee [eines Gedächtnisses im Wasser] nicht mit unserem Wissen über reines Wasser zu vereinbaren ist.
Kritik des Konzepts des Wassergedächtnisses
Unabhängig davon, ob ein Wassergedächtnis tatsächlich nachgewiesen werden könnte, ist diese Modellvorstellung ungeeignet, das Potenzieren und seine vermeintlichen Wirkungen im Einklang mit den Naturgesetzen zu erklären. Viele Fragen blieben selbst dann offen, wenn man ein Wassergedächtnis in irgendeiner Form unterstellte:
- Die denkbaren Effekte gehen von der Nachwirkung des entfernten gelösten Stoffes aus. Beim Potenzieren ist dieser aber schon nach recht wenigen Potenzierungsschritten völlig verschwunden. Können die möglicherweise tatsächlich vorhandenen „Erinnerungen“ ihrerseits wieder neue „Erinnerungen“ an den Urstoff hervorrufen und das auch noch in je nach Verdünnung 10-, 100- oder gar 50.000-facher Menge?
- Eine Verstärkung der Wirksamkeit des Urstoffs von Potenz zu Potenz ist durch ein Wassergedächtnis nicht erklärbar
- Ab einer recht niedrigen Potenz sind die Verunreinigungen des Lösungsmittels höher konzentriert als der Urstoff. Wieso potenziert sich nur der Urstoff, der vielleicht schon nicht mehr vorhanden ist?
- Wie wird die „Erinnerung“ auf den Zucker der Globuli übertragen, dort gespeichert und im Körper des Patienten wieder reaktiviert?
- Es ist unklar, ob oder wie die „Erinnerungen“ einen biologischen Effekt auslösen können
- Erlauben die „Erinnerungen“ eine Kodierung, die Tausende von Urstoffen, mehrere Potenzierungsverfahren und Tausende von Potenzierungsstufen unterscheiden kann?
Zusammenfassung
Das Konzept einer Struktur in flüssigem Wasser, das einen einstmals darin gelösten Stoff für längere Zeit abbildet und speichert, ist physikalisch höchst umstritten. Die Strukturen, die Wasser ohne Zweifel bildet, sind entweder zu kurzlebig, um eine geeignete Modellvorstellung für das Potenzieren darstellen zu können, oder sie sind nicht von den Eigenschaften des gelösten Stoffes abhängig. Längerfristige Effekte sind nur durch Verunreinigungen im Wasser gegeben, die aber kaum über mehrere Verdünnungsschritte weitergegeben werden können. Schlussendlich bildet das Konzept des Wassergedächtnisses keine geeignete Modellvorstellung, die angebliche Wirkung des Potenzierens plausibel zu erklären.
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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