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NHMRC Draft Report
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[[Image:NHMRC-Draft.jpg|frame]]Das australische ''National Health and Medical Research Council (NHMRC)'' veröffentlichte zwischen 2013 und 2015 den bisher (Stand 2019) größten und umfangreichsten Systematischen Review zur Homöopathie. Man kam zu dem Ergebnis, dass es keine Indikation gibt, für die die Wirksamkeit einer homöopathischen Behandlung zweifelsfrei erwiesen ist. Bald danach begegnete man auf homöopathischen Webseiten der Darstellung, es gäbe einen höherwertigen ersten Review von 2012. Dieser sei aber verheimlicht worden, weil er für die Homöopathie deutlich positivere Ergebnisse enthalte. | [[Image:NHMRC-Draft.jpg|frame]]Das australische ''National Health and Medical Research Council (NHMRC)'' veröffentlichte zwischen 2013 und 2015 den bisher (Stand 2019) größten und umfangreichsten Systematischen Review zur Homöopathie. Man kam zu dem Ergebnis, dass es keine Indikation gibt, für die die Wirksamkeit einer homöopathischen Behandlung zweifelsfrei erwiesen ist. Bald danach begegnete man auf homöopathischen Webseiten der Darstellung, es gäbe einen höherwertigen ersten Review von 2012. Dieser sei aber verheimlicht worden, weil er für die Homöopathie deutlich positivere Ergebnisse enthalte. |
Aktuelle Version vom 6. Dezember 2020, 20:42 Uhr
Das australische National Health and Medical Research Council (NHMRC) veröffentlichte zwischen 2013 und 2015 den bisher (Stand 2019) größten und umfangreichsten Systematischen Review zur Homöopathie. Man kam zu dem Ergebnis, dass es keine Indikation gibt, für die die Wirksamkeit einer homöopathischen Behandlung zweifelsfrei erwiesen ist. Bald danach begegnete man auf homöopathischen Webseiten der Darstellung, es gäbe einen höherwertigen ersten Review von 2012. Dieser sei aber verheimlicht worden, weil er für die Homöopathie deutlich positivere Ergebnisse enthalte.
Im August 2019 veröffentlichte das NHMRC als Reaktion auf die erhobenen Vorwürfe das fragliche Dokument. Dabei zeigte sich jedoch, dass es sich hierbei um eine unvollendete Entwurfsversion des Reviews („Draft Report“) handelt, die niemals alle Qualitätskontrollen durchlaufen hat. Aufgrund von vielen nachvollziehbaren gravierenden Fehlern wurde diese Version nicht weiter verfolgt und die Arbeiten neu in Auftrag gegeben.
Von Homöopathen wird dieses Dokument jedoch in Aufrechterhaltung der ursprünglichen Behauptungen als „First Report“ bezeichnet. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit dem nun veröffentlichten ersten Entwurf („Draft Report“) des NHMRC-Berichtes: mit seiner Methodik, seinen Ergebnissen und wie diese Ergebnisse von homöopathischen Interessensvertretern gegenüber der Öffentlichkeit dargestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Im Jahr 2015 veröffentlichte das australische Gesundheitsministerium das Schlussdokument der bisher umfangreichsten Untersuchung zur Wirksamkeit der Homöopathie. Diese war vom National Health and Medical Research Council (NHMRC), einem Regierungsausschuss für Forschung zur Gesundheit und Medizin, in Auftrag gegeben worden. Die in mehreren Teilen ab 2013 veröffentlichte Dokumentation umfasst knapp 1000 Seiten.[1] Es wurden insgesamt 225 klinische Studien mit Daten zu 85 Krankheitsbildern ausgewertet. Man kam zu dem Ergebnis, dass es keine Indikation gibt, für die die Wirksamkeit einer homöopathischen Behandlung zweifelsfrei erwiesen ist.
Als Konsequenz veröffentlichte das australische Gesundheitsministerium eine Stellungnahme zur Homöopathie, dass Patienten die Homöopathie weder bei chronischen noch bei ernsthaften Beschwerden oder solchen, die sich zu ernsthaften Beschwerden entwickeln könnten, anwenden sollten. Wer sich homöopathisch behandeln lässt und dafür auf Therapien verzichtet, deren Wirksamkeit und Sicherheit nachgewiesen ist, gehe ein Gesundheitsrisiko ein.[B 1][1]
Für eine ausführliche Beschreibung des NHMRC-Berichtes siehe Hauptartikel ⇒ Systematische Reviews zur Homöopathie - NHMRC (2015).
Verschiedene homöopathische Verbände – unter anderem das britische Homeopathy Research Institute (HRI) und die Australian Homeopathic Association (AHA) – verbreiteten bereits kurz nach der Veröffentlichung des Berichtes die Behauptung, es hätte eine Vorgängerversion zum vorgelegten Review gegeben. Diese sei der Öffentlichkeit vorenthalten worden, weil sie für die Homöopathie vorteilhafte Ergebnisse ergeben habe.[2][3] Nachdem von homöopathischer Seite sogar eine Petition unter dem Aufruf „Release the first report!“[4] ins Leben gerufen worden war, entschloss sich die australische Gesundheitsbehörde zu einer Reaktion auf die Vorwürfe. Im August 2019 entschied sich das NHMRC zu einer Klarstellung und legte den niemals vollendeten Draft Report[B 2] der Öffentlichkeit vor, ergänzt um erklärende Notizen und ein Begleitschreiben.[5]
Erster Entwurf statt vollendeter Version
Bei seiner Veröffentlichung ergänzte das NHMRC den ursprünglichen Text des Draft Reports mit zahlreichen Anmerkungen, in denen Fehler und Mängel in diesem ersten Berichtsentwurf aufgezeigt und erklärt werden. Die Geschäftsführerin des NHMRC, Prof. Anne Kelso, verfasste zudem einen Begleitbrief, der dem Text des Entwurfs vorangestellt wurde. Sie beschreibt darin zuerst kurz den Ablauf der Ereignisse: Zunächst war ein erstes Dienstleistungsunternehmen mit der Auswertung der wissenschaftlichen Literatur beauftragt. Im August 2012 – kurz nach Vorlage des Berichtsentwurfs – wurde der Vertrag mit diesem Unternehmen einvernehmlich beendet. Der Auftrag wurde anschließend erneut vergeben.
Anne Kelso weist außerdem ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dem nun einsehbar gemachten Entwurf nicht um einen vom NHMRC freigegebenen, eigenständigen oder vollständigen Bericht handelt. Vielmehr wird das nun nachgereichte Papier explizit als Berichtsentwurf („Draft Report“) bezeichnet, der zudem unvollendet sei. Es habe die üblichen qualitätssichernden Maßnahmen des NHMRC nicht durchlaufen.[B 3] Kelso empfiehlt deshalb allen an den Ergebnissen der NHMRC-Untersuchung zur Homöopathie Interessierten, sich ausschließlich an dem bereits 2015 veröffentlichen Bericht zu orientieren. Die Anmerkungen im Text des Berichtentwurfs, so schreibt sie, sollen die Kritikpunkte des NHMRC an diesem ersten Entwurf klären und zur Vermeidung von Missverständnissen beitragen.
Die eingefügten Notizen der Auftraggeber weisen auf eine ganze Reihe von Unzulänglichkeiten im Entwurf hin. Mehrfach wird der Gebrauch von undefinierten Begrifflichkeiten oder nicht nachvollziehbare Eingruppierungen in Evidenzklassen kritisiert. Auch wird das Fehlen wichtiger Bestandteile angesprochen, wie zum Beispiel die Bewertung der Studienqualität. Daneben fand man Inkonsistenzen, etwa wenn textliche und tabellarische Aussagen einander widersprechen.
Fehlen verantwortlicher Autoren
Der Draft Report trägt keinen Namen eines Autors; lediglich das mit der Untersuchung beauftragte Unternehmen geht aus dem Text hervor: das International Centre for Allied Health Evidence (iCAHE), das an der University of South Australia in Adelaide ansässig ist. Dies ist für eine wissenschaftliche Veröffentlichung absolut unüblich, ja eigentlich untragbar, weil dann niemand mit seinem Namen für die Richtigkeit einsteht oder für Rückfragen ansprechbar ist.[B 4]
Von Seiten homöopathischer Verbände – beispielsweise dem Homeopathy Research Institute (HRI),[6] der European Coalition on Homeopathic & Anthroposophic Medicinal Products (ECHAMP)[7][B 5] und der Österreichischen Gesellschaft für Veterinärhomöopathie (ÖGVH)[8][B 6] – wird es dagegen mitunter so dargestellt, als sei der Berichtsentwurf von Prof. Karen Grimmer verfasst worden, die als Expertin für Reviews gilt. Sie war zu der Zeit, als diese Arbeiten ausgeführt wurden, die Leiterin des zuerst beauftragten Dienstleisters iCAHE, doch trägt das Dokument keineswegs ihren Namen. Anders als es in verschiedenen durch Homöopathen verbreiteten Beschreibungen des Draft Reports suggeriert wird, ist nicht davon auszugehen, dass die Chefin die Recherche- und Auswertearbeit persönlich ausgeführt hat – was nicht nur in einem wissenschaftlich arbeitenden Institut eine höchst ungewöhnliche Vorgehensweise wäre.
So ist die Behauptung, der Report stamme aus ihrer Feder, einerseits der Versuch, eine Seriosität des Textes aufzubauen, andererseits aber auch ein Autoritätsfehlschluss: Ganz unabhängig vom Expertenruf der Chefin des iCAHE belegen die zahlreichen Textnotizen des NHMRC, dass man im vorgelegten Entwurf umfangreiche Mängel und Ungenauigkeiten fand. Die Nennung von Frau Grimmer, die überhaupt nicht als Autorin des Papiers zeichnet, soll allein über deren Ruf als Expertin eine Qualität des Draft Report suggerieren, der die zahlreichen im Text eingefügten Kommentare des NHMRC zu dessen methodischen Unzulänglichkeiten deutlich widersprechen.
Methodische Unterschiede
Sowohl im Berichtsentwurf als auch im endgültig veröffentlichten-NHMRC Report werden die vorliegenden systematischen Übersichtsarbeiten und nicht direkt die darin ausgewerteten Einzelstudien betrachtet. In der Methodik der Auswertung dieser Übersichtsarbeiten bestehen aber Unterschiede.
Im offiziellen NHMRC Report versuchte man, die essentiellen Daten und die Qualität aus den zugrunde gelegten systematischen Reviews zu erschließen und diese zu einer Beurteilung der Wirksamkeit der Homöopathie bei der jeweils betrachteten Indikation zu verdichten. Insgesamt flossen so die Ergebnisse aller vorgefundenen systematischen Reviews – 58 Stück – in die Stellungnahme des NHMRC ein (siehe hierzu im Hauptartikel ⇒ Systematische Reviews zur Homöopathie - NHMRC (2015) das Kapitel über „Vorgehensweise“ und „Auswertung“).
Im Berichtsentwurf wurden dagegen die Reviews unterschiedlichen Kategorien zugeordnet: Kategorie 1 waren Reviews, die nur eine Indikation und nur die homöopathische Therapie betrachteten. Als Kategorie 2 und Kategorie 3 wurden Arbeiten eingestuft, in denen mehr als ein Krankheitsbild unter homöopathischer Behandlung untersucht wurde oder wenn die Wirksamkeit mehrerer verschiedener Therapien der Komplementär- und Alternativmedizin, eine davon die Homöopathie, untersucht wurde. Als Hauptquellen („key reviews“) benutzte man anschließend, soweit vorhanden, nur die Arbeiten der Kategorie 1. Die Kategorien 2 und 3 dienten als Ergänzung und lieferten nur dann zusätzliche Informationen zu Einzelstudien, wenn diese nicht in einem Kategorie-1-Review enthalten waren.[B 7] Durch dieses Vorgehen sind nur die Ergebnisse von 18 Reviews als Hauptquellen („key reviews“) in die Bewertungen eingeflossen; 22 weitere Arbeiten haben nur ergänzende Daten geliefert. Zwölf Reviews konnten keiner dieser Kategorien zugeordnet werden und flossen deshalb überhaupt nicht in die Ergebnisse ein.[B 8]
Aus diesem Grund hat das offizielle Review von 2015 eine wesentlich größere Datenbasis und damit auch eine höhere Aussagekraft. Dies wird noch einmal verstärkt dadurch, dass hier noch weitere 51 Einzelstudien berücksichtigt wurden, die nicht in den systematischen Reviews enthalten waren und von den Interessengruppen in öffentlicher Anhörung benannt wurden. Diese öffentliche Konsultation gehört zu den qualitätssichernden Maßnahmen, die der Draft Report niemals durchlaufen hat. Der Vorgang ist im Abschlussbericht des NHMRC beschrieben.[9][B 9]
Der Berichtsentwurf betrachtet also nicht zusätzliche, sondern sogar weniger Arbeiten als der offizielle NHMRC Report. Allein deswegen kann der Draft Report keine neuen bzw. zusätzlichen Erkenntnisse liefern, die im 2015 veröffentlichten, umfangreicheren Bericht nicht auch enthalten wären.
Die von Homöopathen mitunter verbreitete Darstellung, im endgültigen NHMRC Report von 2015 seien nur fünf Einzelstudien in die Ergebnisse eingeflossen[10][B 10][11][B 11] ist falsch (siehe hierzu im Hauptartikel ⇒ Systematische Reviews zur Homöopathie - NHMRC (2015) das Kapitel über „Kritik an der Methode“).
Ergebnisse
Einer der wesentlichen Kritikpunkte des NHMRC am Berichtsentwurf ist die Verwendung undefinierter Begriffe. Besonders relevant für die Betrachtung der Ergebnisse wird dies beim Begriff der „ermutigenden Evidenz“ („encouraging evidence“), der im offiziellen, zwischen 2013 und 2015 veröffentlichten Report tatsächlich nicht zu finden ist.
Bei den fünf Krankheitsbildern mit „ermutigender Evidenz“ handelt es sich um
- Fibromyalgie („Weichteilrheuma“) - Evidenzgrad C
- Mittelohrentzündung - Evidenzgrad C
- Postoperativer Darmverschluss - Evidenzgrad C
- Infektionen der Atemwege - Evidenzgrad C
- Nebenwirkungen von Krebstherapien - Evidenzgrad C
Obwohl die Formulierung vage ist und auch nur wenigen der untersuchten Indikationen zugeschrieben wird, sehen die Homöopathie-Vereinigungen darin den Beweis, dass der erste Entwurf des Reports ganz andere Ergebnisse geliefert habe als die offizielle Version und nur deshalb verworfen worden sei (siehe unten). Ein Blick auf die Anmerkungen an exakt dieser Stelle im Text des Draft Papiers zeigt aber, dass dies nicht der Fall ist (Abbildung 2).
Das NHMRC merkt genau hier an:
Der Begriff „ermutigende Evidenz“ wird in diesem Bericht nicht definiert. Es gibt Ungereimtheiten bei der Auslegung. (…)
- Grad C wird hier verwendet, um „ermutigende Evidenz für die Wirksamkeit“ zu repräsentieren, aber weiter unten auf der Seite stellt Grad C „keine überzeugenden Beweise“ dar.
- Die FORM-Evidenzmatrix für jedes dieser Krankheitsbilder enthält wenig oder keinen Hinweis auf das Risiko eines Bias – ein wesentliches Kriterium für die Qualität der Evidenz.
Das Komitee des NHMRC hat also gerade an dieser zentralen Stelle gewichtige Einwände: Die Bedeutung der „Evidenz vom Grad C“ wird nirgends sauber definiert. Auf ein und derselben Textseite bedeutet Grad C für einige Indikationen „ermutigende Evidenz“, für andere Indikationen schließt man aus Grad C, dass keine überzeugende Evidenz vorliegt. Zudem wird in den Auswertungen der einzelnen Krankheitsbilder das Risiko eines das Ergebnis verzerrenden Bias nicht abgeschätzt.
Auch bei den einzelnen fünf unter „ermutigende Evidenz“ eingestuften Indikationen hat das Komitee sachliche Kritikpunkte am Entwurfstext:
- So schreibt man etwa bei der homöopathischen Behandlung der Nebenwirkungen einer Krebstherapie (Draft Report Seite 40 ff), dass die Angaben im Draft Report nicht korrekt sind und die Einstufung eher als Grad D erfolgen sollte (Abbildung 3).[5]
- Bei der Fibromyalgie (Draft Report Seite 70ff) sieht das NHMRC die Evidenz als zu positiv eingestuft. Vor allem spricht hier aber sogar der Berichtsentwurf nur davon, dass die Evidenz es „möglicherweise nahelege“, dass Patienten einen Nutzen aus der homöopathischen Behandlung ziehen, ein Beleg dieses Nutzens aber durch weitere Untersuchungen zu klären sei (Abbildung 4). Selbst die unscharfe Einordnung als „ermutigende Evidenz“ wird hier erheblich zu Ungunsten der Homöopathie relativiert.[5]
Auch bei den anderen drei Indikationen, bei denen der Entwurfsbericht die Bezeichnung „ermutigende Evidenz“ verwendet, hat das NHMRC gewichtige Einwände bezüglich der Beurteilung der Daten:
- Bei der Mittelohrentzündung (Otitis media, Draft Report Seite 118 ff) kritisiert das NHMRC, dass zwei der Einstufung zugrundeliegenden Arbeiten überhaupt nicht Mittelohrentzündungen untersuchen, sondern Atemwegserkrankungen.[5]
- Beim postoperativen Darmverschluss (Ileus, Draft Report Seite 125 ff) weist das NHMRC darauf hin, dass die Beschreibung der Studien – als nicht peer-reviewt und nur als mit niedriger Qualität bewertet – auf ein hohes Risiko eines Bias schließen lasse. Außerdem betont man, dass die Autoren des zu Ileus betrachteten „Key Reviews“ die Evidenz keineswegs als uneingeschränkt stichhaltig eingeschätzt hatten.[5] (Draft Report Seite 125).
- Bei der Behandlung von Infektionen der Atemwege (Draft Report Seite 139 ff) war hingegen die Inhomogenität der Einzelstudien nicht ausreichend in die Bewertung eingeflossen.[5]
Ganz unabhängig von den expliziten Kritikpunkten des NHMRC bei den genannten Krankheitsbildern muss festgehalten werden, dass der Berichtsentwurf nirgends konkret von belastbaren Belegen für eine über Placebo hinausgehende Wirksamkeit der Homöopathie spricht. Nirgends erwähnt man „belastbare Evidenz“ („solid evidence“), „überzeugende Evidenz“ („convincing evidence“) oder „zuverlässige Evidenz“ („reliable evidence“).
Rezeption durch Homöopathieverbände
Auch im Entwurf von iCAHE ist also keine belastbare Evidenz erkannt worden – was sich mit den letztlich veröffentlichten Ergebnissen des NHMRC und anderer systematischer Reviews vollkommen deckt: Es gibt bei keinem Krankheitsbild belastbare Nachweise für die Wirksamkeit der Homöopathie über Placebo hinaus.
Auffällig ist, dass dies in den Reaktionen der homöopathischen Szene auf den jetzt öffentlich gemachten Draft vollkommen unerwähnt bleibt. Unter den Indikationen, für die auch der Draft Report keinerlei Hinweise – also nicht einmal die vage Bezeichnung „ermutigende Hinweise“ – für eine Überlegenheit über Placebo findet, sind auch solche, bei denen Homöopathika als wirksam beworben werden: beispielsweise ADHS, Kopfschmerzen, Beschwerden in den Wechseljahren, Menstruationsbeschwerden, Schlafstörungen, Schwindel oder Atemwegsinfekte bei Kindern.[B 13] Wer wider die Fakten darauf besteht, der Berichtsentwurf sei gültig und habe die „Wirksamkeit der Homöopathie“ erwiesen, müsste redlicherweise die genannten Beschwerdebilder davon ausdrücklich ausnehmen.
Dies wird aber nicht gemacht. Vielmehr versucht man durch ein sehr selektives Zitieren den jetzt veröffentlichten Entwurf als späte Rehabilitation der gesamten Homöopathie zu präsentieren.[7][B 14] Die Carstens-Stiftung will deutliche Unterschiede in den Ergebnissen beider Texte sehen und folgert sogar eine absichtliche Täuschung der Öffentlichkeit:
Australische Gesundheitsbehörde enthüllt geheim gehaltenen Homöopathiebericht
Für diverse Erkrankungen gibt es Studien, die eine Wirksamkeit der Homöopathie belegen. (…) Das NHMRC war aber mit diesen Befunden nicht einverstanden. (…) Die Version 1.0 des australischen Berichts verrät für sich genommen nicht viel Neues über die Homöopathie, die Variante 2.0 samt der dazugehörigen Geschichte allerdings schon. Es ist bemerkenswert, welche Kniffe eine Regierungsbehörde anwendet, um die Homöopathie wissenschaftlich zu diskreditieren: Positive Forschungsergebnisse werden ignoriert, willkürliche Bewertungskriterien ersonnen und die Öffentlichkeit durch Zurückhaltung wichtiger Informationen unter Missachtung geltenden Rechts getäuscht.[10]
Diese Formulierung der Carstens-Stiftung suggeriert, dass es zwei „Versionen“ des Berichts gab, was nicht zutrifft. Es gab einen veröffentlichten Bericht und einen verworfenen Entwurf. Die Behauptung, das Zurückweisen des Entwurfes hätte andere Gründe als methodische Einwände, ist wenig verständlich: Die Anmerkungen des NHMRC und der Begleitbrief von Anne Kelso sprechen eine deutliche Sprache.
Auch der Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) zitiert ausschließlich die Formulierung der „ermutigenden Evidenz“:
«There is encouraging evidence for the effectiveness of homeopathy» bei Fibromyalgie, Mittelohrentzündung, postoperativem Darmverschluss, Atemwegsinfektionen und Nebenwirkungen von Krebstherapien.[12]
Diese Formulierung wird vom DZVhÄ in der Schlagzeile der Pressemitteilung gleich auf die gesamte Homöopathie angewendet, obwohl auch der Berichtsentwurf bei allen anderen Indikationen keine „ermutigende Evidenz“ findet, sondern wie der offizielle Report keine Hinweise auf eine Überlegenheit gegen Placebo:
Ermutigende Evidenz für eine Wirkung der Homöopathie![12]
Zudem zitieren gleich mehrere Homöopathieverbände[6][12][10][13] den Begleitbrief in höchst irreführender Weise. So schreibt beispielsweise der DZVhÄ:
Ende August 2019 korrigierte sogar NHMRC Chief Executive Prof Anne Kelso's offiziell in Bezug auf den zweiten Bericht: „Contrary to some claims, the review did not conclude that homeopathy was ineffective“. (…) Der Australische Report ist nichts anderes als die Widerlegung der vielzitierten Aussage der Homöopathie-Kritiker, dass die Unwirksamkeit der Homöopathie wissenschaftlich belegt sei. Damit müssen viele wissenschaftliche Papiere (bspw. EASAC), die auf den falschen Ergebnissen des zweiten Reports beruhen, neu geschrieben werden.[12]
(Anmerkung Homöopedia: Rechtschreibung wie im Original)
Vollständig zitiert schreibt Anne Kelso jedoch am Ende ihres Textes über den offiziellen Report von 2015:
Entgegen einiger Darstellungen kam die Überprüfung nicht zu dem Schluss, dass die Homöopathie unwirksam ist. Vielmehr wurde festgestellt, dass „das NHMRC auf der Grundlage der Bewertung der Evidenz für die Wirksamkeit der Homöopathie zu dem Schluss kommt, dass es keine Beschwerdebilder gibt, für die es zuverlässige Belege für eine Wirksamkeit der Homöopathie gibt.“[5][B 15]
Homöopathenverbände wie der DZVhÄ zitieren allerdings lediglich den ersten Satz und lassen dieses Zitat unvollständig im Raum stehen, was den Laien zu dem falschen Eindruck veranlassen kann, Anne Kelso betone, dass bereits der offizielle Report der Homöopathie die Möglichkeit einer Wirksamkeit über Placebo hinaus einräume. Die Ärztezeitung weist in ihrem Artikel zum jetzt veröffentlichten Draft Report[14] darauf hin, dass Homöopathen hier geschickt nur die halbe Wahrheit wiedergeben.
Tatsächlich bezieht sich Kelsos Bemerkung lediglich auf die der Erkenntnistheorie geschuldete Vorgehensweise bei klinischen Studien: Weil ein Nachweis der Unwirksamkeit eine unendlich genaue Messung der Nullwirkung voraussetzt und damit grundsätzlich unmöglich ist, wird bei klinischen Vergleichen mit Placebo vielmehr immer als Ausgangsannahme die Gleichheit von getestetem Verfahren und Placebo angenommen. Diese Gleichheitsvermutung wird auch als „Nullhypothese“ bezeichnet. Sie wird nur verworfen, wenn die Daten der Studie Unterschiede zwischen den mit den getesteten Präparaten und den mit Placebo behandelten Patienten ergeben, die mit einer vorher festgelegten hohen Wahrscheinlichkeit nicht auf Zufall beruhen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten des Ergebnisses: Entweder eine Wirksamkeit wurde gefunden oder sie wurde nicht gefunden. Den dritten unterschwellig nahegelegten Fall, den Beleg für eine Unwirksamkeit, kann eine Studie nicht liefern.
Siehe hierzu genauer: Hauptartikel ⇒ Statistische Signifikanz, Kapitel „Signifikanztest und Nullhypothese“
Ganz allgemein muss ein Verfahren für die Annahme einer gezielten Wirksamkeit über Placebo hinaus also aus erkenntnistheoretischen Gründen stichhaltige Belege für das Zurückweisen der Nullhypothese liefern. Anne Kelso weist mit ihrer Aussage darauf hin, dass dies der Homöopathie bei keiner Indikation gelungen ist. Auch der jetzt veröffentlichte Berichtsentwurf stellt das nicht anders dar. Die Auslassungen der Homöopathieverbände sind deshalb höchst irreführend.
Zusammenfassung
Der vom NHMRC veröffentlichte Entwurf („Draft Report“), der von den Homöopathen „First Report“ genannt wird, ist wissenschaftlich gesehen wertlos, weil das Dokument keine Qualitätskontrollen durchlaufen hat und auch keine Autoren namentlich dafür verantwortlich zeichnen. Es handelt sich noch nicht einmal um einen vollständigen Entwurf, da er aufgrund von nachvollziehbaren gravierenden Mängeln nicht weiterverfolgt wurde.
Im Ergebnis unterscheiden sich verworfener Entwurf und offizieller Bericht weit weniger, als Meldungen von homöopathischer Seite dies behaupten: Für fünf Indikationen wird der Homöopathie im Entwurf eine „ermutigende Evidenz“ zugesprochen, ohne dass definiert würde, was dieser Begriff bedeuten soll. Die Kommentierung des veröffentlichten Entwurfs durch den NHMRC arbeitet die Schwächen in der Argumentation bei diesen fünf Indikationen zudem klar heraus. Von stichhaltigen Belegen zugunsten der Homöopathie ist auch im Draft Report nirgends die Rede.
Dennoch wird die Veröffentlichung von homöopathischen Lobbygruppen gefeiert, meist mit höchst irreführender Darstellung sowohl des 2015 abgeschlossenen offiziellen Reports als auch der Ergebnisse des Draft Reports. Dabei wird übergangen, dass für mehr Indikationen, auch für solche, für die die Homöopathie gerne als besonders wirksam beworben wird, auch im jetzt veröffentichten Draft Report keine, nicht einmal – als wissenschaftliche Termini unbekannte – „vielversprechende“ oder „ermutigende“ Evidenz gefunden wurde. Auf keinen Fall ist hier ein Grund erkennbar, die bisherige wissenschaftliche Einschätzung, bei der Homöopathie handele es sich lediglich um eine Placebotherapie zu revidieren.
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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