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Prinz Charles
Charles, Prince of Wales, ist nicht nur der am längsten amtierende Thronfolger in der Geschichte Großbritanniens, sondern auch ein begeisterter Anhänger der Homöopathie, die er durch eine ausgeprägte Lobby-Tätigkeit fördern und in das öffentliche Gesundheitswesen implementieren will. Dies führt dazu, dass er im Rahmen dieses Lobbyismus seine verfassungsmäßigen Grenzen immer wieder deutlich überschreitet und auch versucht, aktiv in die Politik des Vereinigten Königreiches einzugreifen. Ein derart massives Vorgehen ruft nicht nur Kontroversen mit Wissenschaftlern hervor, sondern auch Zweifel an seiner Eignung zum König.
Inhaltsverzeichnis
Biographisches
His Royal Highness Charles, Prince of Wales, wurde am 14. November 1948 im Buckingham Palace, London, als erstes Kind von Königin Elisabeth II. und Prinz Philip geboren. Sein vollständiger Name lautet Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor. Als seine Mutter 1952 den Thron bestieg, wurde er zum Duke of Cornwall, Earl of Chester und Duke of Rothesay. Am 26. Juli 1958 wurde er zum Prince of Wales ernannt. Seine Inthronisation erfolgte allerdings erst am 1. Juli 1969 in Caernarfon Castle durch die Königin. Sein Titel lautet seit 1958 His Royal Highness Prince Charles, Prince of Wales, Duke of Cornwall, Earl of Chester, Duke of Rothesay, Earl of Carrick, Baron of Renfrew, Lord of the Isles, Prince and Great Steward of Scotland.[1][2]
Da Charles zum Zeitpunkt seiner Geburt bereits auf Platz zwei der Thronfolge stand, wurde seine Erziehung auf seine zukünftige Rolle als Monarch ausgelegt. So erhielt er neben seiner schulischen Ausbildung an so renommierten Instituten wie der Cheam School oder dem Internat Gordonstoun auch Privatunterricht im Buckingham Palace. Diese schulische Ausbildung dauerte von 1954 bis 1967. In diesem Jahr begann Charles ein Studium in den Fächern Archäologie und Anthropologie am Trinity College der University of Cambridge, bei dem er allerdings nicht blieb, sondern ins Fach Geschichte wechselte. Dieses Studium beendete er 1970 mit dem Abschluss zum Bachelor und besuchte anschließend die University of Wales in Aberystwyth, um die walisische Sprache zu erlernen. Somit ist Charles der erste Prince of Wales, der auch tatsächlich walisisch spricht.
Von 1971 bis 1976 schloss sich seine militärische Ausbildung an, die er hauptsächlich in der Royal Navy absolvierte. So diente er bis zu seiner Befördung zum Acting Lieutnant 1973 auf der HMS Norfolk und, nachdem er eine Ausbildung zum Hubschrauberpiloten beendet hatte, auf dem Flugzeugträger HMS Hermes. Seine aktive militärische Karriere beendete er als Kommandant des Minensuchers HMS Bronington. Bis zum 16. Juni 2012, als seine letzte Beförderung stattfand, rückte er in die Ränge Admiral of the Fleet (RN), Field Marshal (BA) und Air Chief Marshal (RAF) auf. Weiterhin nimmt er noch in verschiedenen Regimentern den Rang des Ehrenobersts ein, so bei den 1st The Queen’s Dragoon Guards, den Welsh Guards und dem Parachute Regiment.
Ebenfalls 1976 gründete er den Prince’s Trust, eine Stiftung mit dem Zweck, junge Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen zu unterstützen. Ende 1977 erfolgte die Aufnahme in das Privy Council, den Kronrat Elisabeth II.; hiernach begann er auch, bei Veranstaltungen als offizieller Repräsentant der britischen Krone aufzutreten.
Vom 29. Juli 1981 bis zum 28. August 1996 war er mit Lady Diana Spencer verheiratet. Dieser Verbindung entstammen seine Söhne William (*21. Juni 1982) und Harry (*15. September 1984). Seit dem 9. April 2005 ist Charles mit seiner Jugendliebe Camilla Parker Bowles verheiratet.
Am 27. Januar 2007 konnte Charles das „Jubiläum“ als am längsten amtierender direkter Thronfolger der britischen Monarchie begehen.[3][4][5]
Interessen
Die deutschsprachie Website des Who's Who schreibt:
Im gesellschaftlichen und politischen Leben Großbritanniens spielt Charles seither insofern eine herausragende Rolle, als er sich durch sein Engagement für gemeinnützige und soziale Projekte und mit politischen Stellungnahmen mit außergewöhnlicher Intensität in der Öffentlichkeit zu Wort meldet.[6]
Charles geht aber auch so weit, dass er unverhohlen versucht, Einfluss auf die Politik zu nehmen, wie die Kontroverse um die Black Spider Memos zeigt. Seine weiteren Interessensgebiete sind die Architektur, die Landwirtschaft, der Gartenbau sowie Naturschutz und Klimawandel. Darüber hinaus ist er privat ein hervorragender Aquarellmaler und Autor verschiedener Bücher. 1995 erschien ein Bildband seiner Aquarelle. Auch illustrierte er das von ihm verfasste Kinderbuch Der alte Mann von Lochnagar selbst.
Charles betreibt landwirtschaftliche Güter, wovon sich die meisten auf seinen Besitzungen im Herzogtum Cornwall befinden. Das bekannteste Gut dürfte die Duchy Home Farm sein, die sich auf den Ländereien seines Landsitzes Highgrove House befindet. Dort betreibt er sowohl Ackerbau als auch Viehzucht, wobei die 360 ha Ackerland nicht nur nach biologischen, sondern auch nach anthroposophischen Gesichtspunkten[B 1] bewirtschaftet werden.[7][8] Die dort hergestellten Produkte werden unter dem Label Duchy Originals vermarktet.
Engagement für „alternative Heilmethoden“ und die Homöopathie
Die Homöopathie hat am britischen Königshof eine lange Tradition, die in den 1830er Jahren durch Queen Adelaide (1792–1849) eingeführt wurde. Queen Adelaide wurde in Deutschland als Adelheid von Sachsen-Meiningen geboren und nahm die Dienste des Homöopathen Johann Ernst Stapf in Anspruch. Auch Prinz Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der spätere König von Belgien und Onkel von Königin Victoria und Prinzgemahl Albert, förderte die Homöopathie und unterstützte den ersten englischen Homöopathen Frederic Hervey Foster Quin (1799–1878).
Besonders von Charles‘ Großmutter, der als Queen Mum bekannten Gattin des britischen Königs Charles VI., ist bekannt, dass sie eine große Anhängerin der Homöopathie war und auch ihren Enkel offensiv ermunterte, sich der Homöopathie zuzuwenden. Sie war bis zu ihrem Tode Schirmherrin der British Homeopathic Association. Auch Georg V. und Georg VI. waren Verfechter der Homöopathie.[3][9] Charles fasst dies wie folgt zusammen:
Ich erinnere mich noch gut, als ich klein war, hatte meine Großmutter immer ein wunderschönes Lederetui mit all diesen kleinen homöopathischen Glasfläschchen darin, sagt er. Dies war eine feste Einrichtung in meinem Leben, und als ich älter wurde, wurde ich mir der Wirkung der Homöopathie und der gesamten Komplementärmedizin immer mehr bewusst.[10][B 2]
Während Königin Elizabeth II. beispielsweise Schirmherrin des Royal London Homoeopathic Hospital ist und dies als Privatangelegenheit betrachtet, betreibt Charles dagegen seit längerem aktive Lobbyarbeit für die Homöopathie. So gründete er 1996 die Stiftung The Prince’s Foundation for Integrated Health (FIH), über die auch zwei Leitfäden zur alternativen Medizin von ihm veröffentlicht wurden.[11] Die Stiftung wurde gegründet, um, wie sich der Prinz ausdrückte, zu erforschen, wie bewährte komplementäre Therapien mit der Schulmedizin zusammenarbeiten können.[12] Tatsächlich handelte es sich um eine Organisation zur Verbreitung und Bewerbung der Alternativmedizin, was sich auch durch die beiden vorgenannten Leitfäden zeigt. Die Stiftung musste 2010 geschlossen werden, nachdem es zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen war.[12] Am 28. Oktober 2010 eröffnete bereits die Nachfolgeorganisation unter dem Namen College of Medicine. Offiziell handelt es sich zwar um eine eigenständige Organisation, doch gab es im Gründungsdirektorium zahlreiche personelle Überschneidungen mit der FIH. Auch wird das College durch den Prinzen gefördert, obwohl er keine Funktion übernahm.[13][14] Das BMJ (British Medical Journal) bezeichnete das College deshalb als „Hamlet ohne den Prinzen“.[13]
2006 fiel Prince Charles bei der Jahresvollversammlung der Weltgesundheitsorganisation durch eine Rede auf, über die Spiegel Online schrieb:
Der Prinz sprach wie aus einem Märchen entsprungen: Die richtige Mischung aus erprobten ergänzenden, aus traditionellen und modernen Heilmitteln, welche die aktive Teilnahme des Patienten unterstreichen, können dazu beitragen, eine starke heilende Kraft in der Welt zu erschaffen. Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor beschwor die „heilenden Kräfte“ vor der Jahresvollversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. Dort setzte der britische Thronfolger seine Bekanntheit für das Anliegen der von ihm gegründeten Foundation for Integrated Health (FIH) ein – die Förderung sogenannter traditioneller und alternativer Medizin. „Die orthodoxe Medizin muss noch so viel lernen“, sagte der Hochadlige.[15]
Auch auf seiner Duchy Home Farm verwendet Charles homöopathische Mittel: Einmal zur Stärkung und Düngung von Pflanzen, aber auch zur Behandlung seines Viehs. Laut Angabe des Department for Environment, Food & Rural Affairs gibt es in Großbritannien 500 Bauern, die Homöopathie einsetzen, und 38 homöopathische Tierärzte.[16] Charles unterstützt diese Entwicklung, indem er die Organisation Homeopathy at Wellie Level (HAWL) (Homöopathie auf Gummistiefel-Niveau) nicht nur ideell unterstützt, sondern dort auch Kurse finanziert. Auch vertrieb der Prinz bis zum Jahr 2009 unter seiner Marke Duchys Original eine Produktlinie von Kräutertinkturen. Diese Tinkturen wurden durch die britische Arzneimittelbehörde allerdings als „irreführend“ eingestuft und die Produktion eingestellt.[17][16][18][19][7][8][9] Der Guardian schrieb dazu:
Aber die British Veterinary Association, die führende Vertretung für Tierärzte in UK, weist die Homöopathie von der Hand. „Die BVA kann die Verwendung von homöopathischen Mitteln oder Produkten, die keine nachgewiesene Effizienz haben, nicht befürworten. Die Folgen könnten ernsthafte Beeinträchtigungen der Tiergesundheit und des Tierschutzes sein, da die therapeutische Wirkung fehlt“, sagte John Blackwell, Senior Vice President des Verbandes.[18][B 3]
Die Bemühungen des Prinzen zur Förderung der Homöopathie waren allerdings nicht von Erfolg gekrönt, hob der National Health Service (NHS)[B 4] doch im Juli 2017 die Verschreibungs- und Erstattungsfähigkeit von Homöopathika und 17 weiteren, durchweg pflanzlichen Mitteln, auf.[20] Begründet hat dies Simon Stevens, der Vorsitzende des NHS, mit der Tatsache, Homöopathie sei…
…bestenfalls ein Placebo und ein Missbrauch knapper NHS-Mittel, die besser für Behandlungen geeignet sind, die funktionieren.[21][B 5]
Weiter erklärte Stevens:
Der NHS ist wahrscheinlich der effizienteste Gesundheitsdienst der Welt, aber wie jedes Land gibt es immer noch Verschwendung und Ineffizienz, die wir ausmerzen wollen. Die Öffentlichkeit erwartet zu Recht, dass der NHS jedes Pfund sinnvoll einsetzen wird, und heute ergreifen wir praktische Maßnahmen, um Mittel freizusetzen, damit wir besser für moderne Medikamente und Behandlungen aufkommen können.[21][B 6]
Eine Entscheidung, die in der Fachwelt durchweg positiv aufgenommen wurde:
‚Die Homöopathie beruht auf unplausiblen Annahmen und die zuverlässigsten Beweise zeigen nicht, dass sie über einen Placebo-Effekt hinaus wirkt. Es kann schwere Schäden verursachen, wenn es als Alternative zu wirksamen Behandlungen eingesetzt wird‘, sagte Edzard Ernst, emeritierter Professor für Komplementärmedizin an der Universität von Exeter. ‚Daher ist es höchste Zeit, dass der NHS aufhört, sie zu finanzieren, und stattdessen unsere knappen Ressourcen für Behandlungen einsetzt, die von solider Wissenschaft unterstützt werden.‘[22][B 7]
Die Black Spider Memos
Zwischen September 2004 und April 2005 verfasste Charles 27 Briefe, die an insgesamt sieben Ministerien gingen und mit denen er versuchte, aktiv die Politik der Regierung Blair zu beeinflussen. Dies ist insoweit unzulässig, da vom aktiven Monarchen und somit auch dem Thronfolger gemäß Verfassung eine strikte politische Neutralität erwartet wird, wie sie Königin Elizabeth II. auch praktiziert. Die Tatsache, dass Charles seine privilegierte Position in der britischen Gesellschaft dazu ausnutzte, die Regierungspolitik in seinem Sinne zu beeinflussen, zog eine intensive Debatte nach sich, ob der Prince of Wales geeignet ist, König zu werden, und hat seinem Ansehen durchaus geschadet.[23][24][25] So kritisierte der Labour-Abgeordnete Paul Flynn:
Prinz Charles ist der mächtigste und einflussreichste Lobbyist Großbritanniens. Als Thronfolger gefährdet er die Zukunft der Institution. Das Staatsoberhaupt muss unparteiisch sein, und er hat dieses Prinzip verraten.[26][B 8]
Der Wissenschaftsjournalist Simon Singh fasst das Problem so zusammen:
Für ihn ist das ideologisch und er ist auf der falschen Seite der Wissenschaft. Ich denke, die Minister sollten medizinischen Forschern zuhören und nicht jemandem, nur weil seine Mutter Königin ist.[26][B 9]
Die Briefe des Prinzen werden in der britischen Presse wegen seiner krakeligen Handschrift „Black Spider Memos“ genannt. 2005 wollte die Tageszeitung The Guardian jene Briefe einsehen und veröffentlichen.
Doch Generalstaatsanwalt Dominic Grieve legte damals sein Veto ein. Seine Begründung: Die Briefe seien außergewöhnlich offen formuliert und würden zutiefst persönliche Ansichten des Prinzen wiedergeben. Die Gefahr bestünde, dass Charles nicht mehr als politisch neutral wahrgenommen würde – dadurch würde die Monarchie untergraben.[23]
Erst nach einem Rechtsstreit und einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Jahr 2014 konnten die Briefe veröffentlicht werden.[23][24]
In mindestens zwei dieser Briefe versuchte Charles auch, über den damaligen Premierminister Tony Blair und den damaligen Gesundheitsminister John Reid die Politik der Europäischen Union in Bezug auf pflanzliche Medizin zu beeinflussen. Hierbei ging es um eine Richtlinie der EU zur Patientensicherheit in Bezug auf pflanzliche Medizin und Akupunktur. So ließ er im Februar 2005 durch den Leiter seiner Stiftung einen ausführlichen Bericht erstellen, den er Tony Blair zukommen ließ.[B 10][27]
Auch stellte er den Kontakt zwischen Martin Hurst, einem Mitarbeiter im Stab Blairs, zur Leitung der Herbal Practitioners Association her.[27][B 11]
Letztendlich konnte Charles die Einführung dieser Richtlinie nicht verhindern, allerdings verzögerte er diese bis zum letztmöglichen von der EU vorgegebenen Termin im März 2011, dies sogar mit direkter Unterstützung von Premierminister Tony Blair.[27][26]
Weitere 17 Briefe stammen aus den Jahren 2007 und 2008 und beschäftigen sich hauptsächlich mit dem öffentlichen Gesundheitswesen. Als verschiedene Regionalorganisationen des NHS die Homöopathie aus ihrem Leistungskatalog strichen, schrieb er am 19. September 2007 an den Gesundheitsminister Alan Johnson, um dies zu stoppen und insbesondere die damals drei homöopathisch ausgerichteten Kliniken in Großbritannien zu retten.[28]
So schrieb Charles:
Aus diesem Grund habe ich während unseres Treffens die Frage der homöopathischen Krankenhäuser des NHS und die Bedrohungen, denen sie ausgesetzt zu sein scheinen, aufgeworfen. Es ist, denke ich, wichtig zu wissen, dass das Royal London Homöopathische Krankenhaus in der Tat der größte und am besten integrierte Anbieter für komplementäre und alternative Medizin in Europa ist, zu dem auch trotz der jüngsten ‚Anti-Homöopathie-Kampagnen‘ die Anzahl der Überweisungen stetig zugenommen haben. […] Trotz der Tatsache, dass diese homöopathischen Krankenhäuser mit vielen Patienten mit echten Gesundheitsproblemen zu tun haben, die sonst woanders behandelt werden müssten, oft mit größeren Kosten, und die häufige Behandlungsversuche unternommen haben, aber nicht auf konventionelle Behandlungen ansprachen oder durch konventionelle Behandlung gelitten haben, sehen sich alle drei Krankenhäuser in England, so wurde mir gesagt, mit schwere Kürzungen bei der Finanzierung durch lokale Gesundheitskommissionen konfrontiert. Zum Beispiel scheint es sehr wahrscheinlich, dass der West Kent Primary Care Trust in naher Zukunft beschließen wird, das Turnbridge Wells HH zu schließen.[29][B 12]
Die Antwort des Ministers enthielt allerdings eine recht deutliche Stellungnahme:
Ich weiß, dass die durch die PCTs in London und Kent ergriffenen Maßnahmen für Sie enttäuschend sein werden. Das Gesundheitsministerium ist jedoch der Ansicht, dass die Entscheidungsfindung darüber, welche Leistungen oder Behandlungen zu kommissionieren und zu finanzieren sind, eine lokale Angelegenheit ist, da die ersten Dienstleister am besten in der Lage sind, die Gesundheitsbedürfnisse ihrer Gemeinschaft zu kennen. Da es ihre Verantwortung ist, diese Entscheidungen zu treffen, haben PCTs oft ihre eigenen Richtlinien für die Art der Behandlungen, die sie in Auftrag geben und finanzieren werden. Bei der Entscheidung, einen Patienten für eine bestimmte Behandlung zu überweisen, muss sich der Dienstleister selbst von der Behandlung überzeugen, was für den Patienten und seinen Zustand angemessen ist, indem er Sicherheitsnachweise, klinische Effektivität und Kosteneffektivität und die Verfügbarkeit von entsprechend qualifizierten und regulierten Ärzten berücksichtigt. In Bezug auf die Finanzierung der CAM-Forschung räumt das Gesundheitsministerium ein, dass wir mehr Forschung zu Wirksamkeit und Kosteneffizienz benötigen.[30][B 13]
Das Homöopathische Krankenhaus in Tunbridge Wells wurde im Jahr 2009 geschlossen.
Aufgrund einer von der Regierung verhängten Sperrfrist von 25 Jahren werden weitere Briefe des Prinzen erst um das Jahr 2040 veröffentlicht.
Widerstand der Wissenschaft
Die erste Kontroverse mit der Wissenschaft geht auf das Jahr 1982 zurück, als Charles anlässlich des 150-jährigen Gründungsjubiläums der British Medical Association (BMA) eine Rede hielt, in der er seine Sicht auf die Medizin darlegte. Diese Rede veranlasste eben jene BMA, eine umfassende Untersuchung zum Thema Homöopathie einzuleiten, die sich bis ins Jahr 1986 hinzog. Das Ergebnis war vernichtend. Die BMA konnte keinen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit der Homöopathie finden, was zu einem Bruch zwischen Charles und dem größten Teil der Ärzteschaft führte. Noch heute bezeichnet die BMA Homöopathie als „Hexerei“. Auch ein Bericht des Health Select Committee aus dem Jahr 2010 fand keine Wirksamkeit.[9]
Der emeritierte Professor für Chirurgie am University College of London Michael Baum bezog sich in einem offenen Brief, den er im Juli 2004 im British Medical Journal (BMJ) veröffentlichte, auf die Rede von 1982 und zog Parallelen ins Jahr 2004, als Charles Karottensaft und Einläufe mit Kaffee als Krebstherapie propagierte. In diesem Brief stellte Baum fest:
Die Macht meiner Autorität beruht auf einem Wissen, das auf 40 Jahren Studium und 25 Jahren aktiver Mitarbeit in der Krebsforschung aufgebaut ist. Ich bin sensibel für die Gefahr, diese Macht zu missbrauchen, und als letzten Ausweg weiß ich, dass das General Medical Council (GMC) mir über die Schulter schaut, um sicherzustellen, dass ich den Verhaltenskodex der Sorgfaltspflicht respektiere und die Würde und Privatsphäre der Patienten respektiere. Auch erinnert es mich daran, dass meine persönlichen Überzeugungen meinen Rat nicht beeinträchtigen. Ihre Macht und Autorität ruhen auf einem Geburtsunfall. [...] Ich missgönne Ihnen diese Autorität nicht, und wir teilen wahrscheinlich viele Meinungen über Kunst und Architektur, aber ich bitte Sie, Ihre Macht mit äußerster Vorsicht auszuüben, wenn Sie Patienten mit lebensbedrohenden Krankheiten zu unbewiesenen Therapien raten. [31][B 14]
Auch gegen die Rede des Prinzen 2006 bei der WHO in Genf formierte sich heftiger Widerstand von fachlicher Seite. Wiederum Michael Baum initiierte einen offenen Brief, der in der Times abgedruckt und an die 476 regionalen Treuhändergesellschaften des NHS verschickt wurde. Unterzeichner waren neben Baum unter anderem der Nobelpreisträger James Black vom Kings College in London, Keith Peters, der Präsident der Academy of Medical Sciences, sowie Edzard Ernst, erster Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin an der University of Exeter. Sie forderten, dass der NHS nur dann Gelder für alternative Heilmethoden ausgeben solle, wenn deren Wirkung nach den Standards der Wissenschaft belegt ist. Der Hintergrund dieses Appells für evidenzbasierte Medizin sind die knappen Kassen des NHS.
„In Zeiten, wo wir für unsere Patienten um den Zugang zu Herceptin kämpfen müssen, das erwiesenermaßen die Überlebenschancen bei Brustkrebs erhöht, finde ich es fürchterlich, dass der NHS eine Therapie wie Homöopathie bezahlt, die schlichtweg Schwindel ist“, sagte Baum der Times. „Wenn die Leute dafür ihr eigenes Geld ausgeben, fein", sagte Baum, "aber es sollten keine NHS-Mittel sein.“[15]
Weitere Kritik an der Homöopathie übte Michael Baum in einem Aufsatz, den er im Jahr 2009 gemeinsam mit Edzard Ernst unter dem Titel Should we maintain an open mind about homeopathy? im American Journal of Medicine veröffentlichte. Darin schreiben die beiden Professoren:
Die Homöopathie gehört zu den schlimmsten Beispielen der glaubensbasierten Medizin ... Diese Axiome [der Homöopathie] stehen nicht nur im Widerspruch zu wissenschaftlichen Fakten, sondern sind auch direkt dagegen. Wenn die Homöopathie stimmt, muss ein Großteil der Physik, Chemie und Pharmakologie falsch sein ... Offenheit gegenüber der Homöopathie oder ähnlich unplausiblen Formen alternativer Medizin (z.B. Bachblüten, spirituelle Heilung, Kristalltherapie) ist daher nicht möglich. Wir glauben, dass der Glaube an die Homöopathie die Toleranz eines offenen Geistes übersteigt. Wir sollten von der Prämisse ausgehen, dass die Homöopathie nicht funktionieren kann und dass positive Beweise die Erscheinungsfehler oder Designfehler widerspiegeln, bis das Gegenteil bewiesen ist ... Wir fragen uns, ob irgendwelche Beweise die homöopathischen Ärzte von ihrer Selbsttäuschung überzeugen und sie dazu herausfordern würden, methodisch vernünftig eine Studie durchzuführen, die, wenn sie negativ war, sie schließlich davon überzeugen würde, ihre Geschäfte zu schließen ... Homöopathie basiert auf einem absurden Konzept, das den Fortschritt in Physik und Chemie verleugnet. Etwa 160 Jahre nach ‚Homeopathy and her Kindred Delusions‘, einem Aufsatz von Oliver Wendell Holmes, diskutieren wir immer noch, ob die Homöopathie ein Placebo ist oder nicht ... Homöopathische Prinzipien sind mutige Vermutungen. Es gibt keine spektakuläre Bestätigung eines ihrer Gründungsprinzipien ... Nach mehr als 200 Jahren warten wir immer noch auf einen Homöopathie-"Ketzer", um bestätigt zu werden, dass in dieser Zeit die Fortschritte unseres Verständnis von Krankheiten und die Fortschritte in Therapeutik und Chirurgie und sowie die Verlängerung des Lebens und der Verbesserung der Lebensqualität durch so genannte Allöopathen atemberaubend waren. Der wahre Skeptiker ist daher stolz auf die Geschlossenheit, wenn er mit absurden Behauptungen konfrontiert wird, die den Gesetzen der Thermodynamik widersprechen oder den Fortschritt in allen Zweigen der Physik, Chemie, Physiologie und Medizin leugnen.[32][B 15]
Die Kontroverse mit Edzard Ernst
Edzard Ernst wurde 1993 an die University of Exeter berufen, um dort ein Institut für Alternativmedizin aufzubauen. Vorher hatte er einen Lehrstuhl für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Universität Wien. Das von ihm aufgebaute Institut für Alternativmedizin war das erste seiner Art in Großbritannien. Im Jahr 2002 wurde ihm der Posten des Direktors im Bereich Alternativmedizin an der Peninsula Medical School übertragen, die den Universitäten von Exeter und Plymouth unterstand.[3]
Darüber hinaus war Edzard Ernst Herausgeber der inzwischen vom Verlag eingestellten Fachzeitschrift Focus on Alternative and Complementary Therapies (FACT) und ist Herausgeber der medizinischen Fachzeitschrift Perfusion sowie externer Prüfer in mehreren universitären Prüfungskommissionen im Bereich der Medizin. Bis 2005 gehörte er dem Ausschuss für Humanarzneimittel der britischen Aufsichtsbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) an.[3]
Dadurch, dass Ernst die Alternativmedizin an den Standards der Wissenschaft maß, also mit klinischen Studien und Metastudien, und deren negative Ergebnisse publizierte, geriet er bald in Konflikt mit Prinz Charles, so als er die von dessen FIH herausgegebene Broschüre als überoptimistisch und irreführend bezeichnete.[3]
Den Höhepunkt fand diese Auseinandersetzung, als Edzard Ernst in die Kommission für den sogenannten Smallwood-Report berufen wurde.[B 16] Dieser Report sollte den wirtschaftlichen Nutzen der Alternativmedizin herausstellen.
Edzard Ernst war Mitglied der Expertengruppe, er wurde für den Bericht ausführlich interviewt, doch der Entwurf, den er schließlich zu sehen bekam, schockierte ihn. Wenn jeder zehnte Arzt statt konventioneller Arznei homöopathische Mittel verordnen würde, hieß es darin, könne man 480 Millionen britische Pfund einsparen. Auch dass Homöopathie gegen Asthma helfe, stand in dem Bericht. Edzard Ernst protestierte – und trat aus der Kommission aus. Als ihn ein Reporter der Times, der den Entwurf zugespielt bekommen hatte, anrief, klagte Ernst über die haarsträubenden und fehlerhaften Schlussfolgerungen – und fügte hinzu: »Es scheint, als habe der Prinz seine verfassungsgemäßen Kompetenzen überschritten.« Die Times druckte die Story auf ihrer Titelseite.[33]
Hierauf wandte sich der persönliche Sekretär des Prinzen, Sir Michael Peat, an den damaligen Rektor von Ernsts Universität in Exeter und erhob den Vorwurf, dieser habe die vereinbarte Vertraulichkeit verletzt. Auf diesen Vorwurf hin wurde ein Disziplinarverfahren gegen Ernst eingeleitet, das allerdings keinen Verstoß seitens des Professors feststellen konnte. Somit wurden alle Vorwürfe entkräftet. Im Kontext dieser Auseinandersetzung wurde jedoch die Abteilung, der Ernst vorstand, geschlossen und der Professor emeritiert. Der Prince of Wales bestritt, dass sein Sekretär auf seinen Auftrag hin tätig geworden war.[33][3]
In den Jahren 2005 bis 2007 wurde in Nordirland auf Initiative des Prinzen hin durch den damaligen Staatssekretär für Nordirland, Peter Hain, ein Versuchsprojekt für Komplementärmedizin im dortigen NHS eingeführt, welches von Ernst ebenfalls scharf kritisiert wurde.
'Also', schreibt Ernst, 'ist die ganze 'Versuchsprojekt'-Geschichte ein alter Hut? Sicher nicht! Ihre wahre Bedeutung liegt nicht darin, dass ein paar Amateure irgendwelche Pseudo-Behandlungen mittels der unseriösesten Forschungsergebnisse des Jahrhunderts in den NHS einzuschmuggeln versuchen. Nein, das Bedeutsame daran ist meiner Meinung nach, dass es zeigt, wie Prinz Charles wieder einmal die Grenzen seiner verfassungsmäßigen Rolle überschreitet.[3]
Als der Prinz dann 2009 im Rahmen seiner Produktlinie Duchys Original auch eine Entgiftungskur anbot, reagierte Ernst darauf, indem er in der Tageszeitung The Guardian ausführte:
Prinz Charles trägt zur Un-Gesundheit der Nation bei, indem er so tut, als könnten wir uns alle den Bauch vollschlagen, dann seine Tinktur nehmen und wieder in bester Form sein. Unter dem Banner der ganzheitlichen und integrativen Medizin, die er propagiert, leistet er nur der Quacksalberei Vorschub.[3]
Im Rahmen der darauf folgenden öffentlichen Diskussion bezeichnete Ernst den Prinzen unter anderem auch als „Schlangenölverkäufer“.[34]
Auch in den Folgejahren blieb Edzard Ernst einer der schärfsten Kritiker des Prinzen und machte unermüdlich darauf aufmerksam, wie dieser immer wieder seine engen, von der Verfassung vorgegebenen Grenzen zur Durchsetzung seiner persönlichen Vorstellungen entgegen jeder wissenschaftlichen Erkenntnis bewusst überschreitet.
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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