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Fernsehbeiträge zur Homöopathie - Im Kontext
Die Reportage „Glaubenssache Homöopathie – Arznei ohne Wirkung?“[1] hatte ihre Erstausstrahlung im österreichischen Sender ServusTV im Jahr 2018. Entsprechend wird im Sendebeitrag besonders auf die Rolle der Homöopathie in Österreich eingegangen: So gibt Prof. Michael Frass, damals Leiter der Spezialambulanz Homöopathie in Wien, ein Interview. Auch die Beliebtheit der Homöopathie in Österreich wird thematisiert: Laut Umfragen hat jeder zweite Österreicher bereits in seinem Leben Homöopathika eingenommen. Neben der anekdotischen Schilderung zweier Genesungen nach Globuligabe wird der Herstellungsprozess durch Verdünnung und Verschüttelung, das Potenzieren, gezeigt. Dr. Natalie Grams und Prof. Edzard Ernst treten als wissenschaftliche Kritiker vor die Kamera.
Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Beiträgen auf der Homöopedia, die Fernsehsendungen zur Homöopathie und die darin genannten Ansichten und Argumente betrachtet. Er gibt eine Inhaltsübersicht, beleuchtet im Anschluss verschiedene Kernaussagen im Sendebeitrag genauer und stellt diesen wissenschaftliche Antworten gegenüber.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Inhalt des Sendebeitrags
- 1.1 Gelenkprobleme einer Läuferin
- 1.2 Haarriss am Unterschenkel eines Pferdes
- 1.3 Vorführung des Herstellungsprozesses
- 1.4 Interview mit der Homöopathiekritikerin Natalie Grams
- 1.5 Im Gespräch mit Michael Frass
- 1.6 Edzard Ernst und der wissenschaftliche Blick auf die Studien
- 1.7 Hinweis auf die Stellungnahme der EASAC
- 1.8 Gesetzliche Sonderregelungen und Apothekenpflicht
- 1.9 Wohlfühlfaktor
- 2 Wissenschaftliche Antworten
- 3 Fazit des Informationsnetzwerks Homöopathie
Inhalt des Sendebeitrags
Die Sendung beginnt mit der Gegenüberstellung einiger kontroverser Aussagen der späteren Sendung als Teaser. Anschließend erklärt der Sprecher aus dem Off in wenigen einleitenden Sätzen die Grundzüge der Homöopathie, nennt Samuel Hahnemann als den Erfinder des Verfahrens und verweist auf die Globuli als typische Darreichungsform, sowie auf die extremen Verdünnungen, die in der Homöopathie zum Einsatz kommen.
Gelenkprobleme einer Läuferin
(Zeitstempel: Ab Minute 2:00)
Die Sendung beginnt mit dem Interview einer Läuferin, die dreieinhalb Jahre bevor sie vor die Kamera trat, ein Gelenkleiden hatte, welches unter homöopathscher Behandlung besser wurde. Sie erzählt, dass sie von ihren Schmerzen wochenlang vom Laufen abgehalten wurde und sich deshalb in Behandlung eines Arztes und Homöopathen (Erfried Pichler) begeben habe. Dieser suchte nach dem Ähnlichkeitsprinzip ein Mittel, welches zu den Beschwerden und der Persönlichkeit der Patientin passt: Genannt werden hier Rheuma, ausgeprägter Bewegungsdrang, und die Besserung der Schmerzen unter Wärme.
Der Filmbeitrag zeigt die Geste, wie der Arzt ein paar jener Globuli aus seiner Hand in die Hand der Patienten gibt, und dabei ihre Hand mit seinen beiden umschliesst. Gesten wie diese können besondere Zuwendung ausdrücken und besonders vertrauensbildend wirken. Vor der Kamera wird mit der Patientin das Prinzip der Erstverschlimmerung diskutiert. Im Rückblick betont sie die „Nebenwirkungsfreiheit“ ihrer Therapie.
Auf die Frage, ob es doch nur der Placeboeffekt gewesen sein könnte, der ihr Besserung brachte, meinte sie, dass sie geduldig auf eine Besserung nach der Globuligabe habe warten müssen. Sie zieht auch ihre verbesserten Blutbefunde als ein Argument gegen den Placeboeffekt heran.
Haarriss am Unterschenkel eines Pferdes
(Zeitstempel: Ab Minute 6:30)
Auf einem Reiterhof treffen die Reporter auf einen Tierarzt, der Pferde mit Globuli behandelt, um Knochen zu heilen und Koliken zu lindern. Im betrachteten Einzelfall hat sich ein Wallach vor Jahren einen Haarriss am Unterschenkel zugezogen. Nach zwei Monaten Boxenruhe ergab sich keine Verbesserung, wonach Globuli angewendet wurden. Eine im Röntgenbild sichtbare Verschlechterung wurde als Erstverschlimmerung gedeutet. Wiederum einen Monat später war das Pferd gesund geworden. Die Halterin sagt von sich, dass sie seitdem von der Tierhomöopathie überzeugt sei. Ihre Pferde bekämen seither nur noch Homöopathie.
Anschließend wird ein weiterer Fall vorgestellt: Eine Stute hatte eine akute Sehnenscheidenentzündung, welche sowohl homöopathisch als auch parallel dazu mit einer Laserbehandlung und mit Boxenruhe behandelt wurde. Sowohl der Tierarzt als auch die Besitzerin schreiben die Besserung allein der Homöopathie zu. Der homöopathische Arzt begründet seine Überzeugung von der Homöopathie damit, dass Pferde nicht wüssten, was ein Placebo ist („Erklären Sie einmal einem Pferd, dass es einen Placeboeffekt gibt.“, Zeitstempel: Minute 10:10). Er sagt pauschal, dass Placeboeffekte in der Tiermedizin komplett auszuschließen seien.
Auf die fehlenden Wirkstoffe in den Globuli angesprochen erklärt er, die „Information“ bzw. die „energetische Komponente“ bleibe auch bei einer hohen Verdünnung erhalten. Er führt weiter aus, dass die Homöopathie „in der Sekunde helfen“ könne. Würden sich jedoch keine Verbesserungen einstellen, so wechsle er zu einer konventionellen Therapie.
Der Sprecher widerspricht im Anschluss aus dem Off der Darstellung, dass Placeboeffekte bei Tieren unbekannt seien, indem er das Prinzip „Placebo by Proxy“ erklärt.
Vorführung des Herstellungsprozesses
(Zeitstempel: Ab Minute 12:30)
Besuch bei einem Salzburger Produzenten von Homöopathika:[2] Der Film zeigt die Herstellung einer D200-Potenz: Das „kräftige Verschütteln und das Verdünnen, das schrittweise durchgeführt werden muss“, seien unbedingt notwendig, denn so werde es seit Hahnemann tradiert. Der Herstellungsleiter, der sich schon seit 35 Jahren mit der Homöopathie beschäftigt, meint: „Energie, Ordnung und Kohärenz der Schwingung“ nehme so bei höheren Potenzen zu. „Schwingungen in elektromagnetischer Form“ würden für eine „Informationsübertragung“ an das Lösungsmittel sorgen, wodurch es zum Arzneimittel werde.
Die Quantenphysik und die Quantenfeldtheorie würden die Wirkung bald erklären können. Abschließend erklärt der Sprecher aus dem Off jedoch, dass solche Aussagen beleglose Spekulationen sind: Eine naturwissenschaftliche Erklärung angeblicher Wirksamkeit von Stoffen in Abwesenheit ist „nicht in Sicht“.
Interview mit der Homöopathiekritikerin Natalie Grams
(Zeitstempel: Ab Minute 17:10)
Die Ärztin und ehemalige Homöopathin Natalie Grams erklärt ihren Ausstieg aus der Homöopathie: Sie wollte eigentlich ein Buch schreiben, welches die Homöopathie verteidigt. Als sie begann, wissenschaftlich über die Homöopathie zu recherchieren, fand sie heraus, dass es keine robusten Wirkungsnachweise für die Homöopathie gibt. Sie schloss ihre homöopathische Praxis und wurde zur Kritikerin der Homöopathie.
Die Homöopathie sei Wellness bzw. ein Placebo, jedoch keine spezifische Heilmethode. Es sei sehr wichtig, dass Homöopathen im Gespräch mit den Patienten ein „gutes Gefühl“ erzeugen und gut zuhören. Jedoch wirke die Homöopathika nicht über den Placeboeffekt hinaus. Homöopathen kolportierten deshalb ein „fatales Heilsversprechen“. Die homöopathische Lehre könne heute kein Teil der wissenschaftlich fundierten Medizin mehr sein, solle von Ärzten nicht mehr angeboten und von Kassen nicht mehr erstattet werden.
Natalie Grams berichtet, dass sie oft als „Abtrünnige“ bezeichnet werde und einige Freunde verloren habe, die mit anderen als den eigenen Meinungen nichts zu tun haben wollten.
Im Anschluss an diese kritischen Äußerungen wird erstmals der Blick auf die Studienlage gelenkt. Aus einem zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung aktuellen Buch[3] über die Homöopathie wird zitiert, dass Homöopathen die Überprüfung ihrer Wirksamkeitsversprechen in klinischen Studien oder die Erklärung eines Wirksamkeitsmechanismus ihrer wirkstofffreien Kügelchen grundsätzlich ablehnen:
Als praktische Medizin kann die Homöopathie nicht naturwissenschaftlich begründet werden. Allerdings besteht für die Homöopathie kein Begründungsbedarf durch fremde Wissenschaftsmodelle, da sie über ein voll ausgebildetes und seit über 200 Jahren erfolgreich eingesetztes, eigenes Wissenschaftsmodell verfügt. (Zeitstempel: Ab Minute 22:18)
Aus dem Off weist der Sprecher auf den Widerspruch hin, wenn Homöopathen einerseits die wissenschaftliche Untersuchbarkeit der Homöopathie bestreiten, aber dennoch versuchen, die Homöopathie über wissenschaftliche Studien vor dem Patienten zu rechtfertigen.
Im Gespräch mit Michael Frass
(Zeitstempel: Ab Minute 23:20)
Das Thema der Studien leitet über zu Prof. Michael Frass, der zum Zeitpunkt der Sendung am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien (AKH Wien) eine „homöopathische Ambulanz“ unterhielt. Die Praxis wird am Beispiel einer Krebspatientin gezeigt. Die Patientin beschreibt, dass Frass sie aufheitert: Wenn es ihr schlecht gehe, bekomme sie Globuli; wenn es ihr gut gehe, werde mit dem Professor „geblödelt“.
Im Filmbeitrag empfiehlt Frass, bei Krebs die „schulmedizinischen“ Methoden zu bevorzugen, gibt aber an, mit der Homöopathie könne man Nach- und Nebenwirkungen behandeln.
Anschließend wird erwähnt, dass Frass Studien an schwerkranken Patienten durchgeführt hat. Diese sollen zeigen, dass die Homöopathie die Überlebensrate dieser Patienten erhöht habe. Er äußert sich zudem zu den Reviews, die keinen Unterschied zwischen Homöopathika und Placebo gefunden haben. Er will einen älteren solchen Systematischen Review, die 2005 veröffentlichte Arbeit von Shang und Egger, in einem Leserbrief an das Fachjournal - The Lancet - entkräftet haben. Aus dem Off erfolgt der Hinweis, dass die Ergebnisse von Frass alles andere als wissenschaftlich gesichert seien, weil die wissenschaftlich bedeutende Replikation fehle. Der Sprecher resümiert, wie verwirrend es für den Patienten sein müsse, wenn scheinbar einige Studien in die eine, einige in die andere Richtung weisen.
Edzard Ernst und der wissenschaftliche Blick auf die Studien
(Zeitstempel: Ab Minute 28:10)
Ausgangspunkt des Gespräches mit Edzard Ernst, ehemaliger Professor für Komplementärmedizin in Exeter, ist die vorausgegangene Behauptung von Michael Frass, ein von ihm verfasster Brief an die Fachzeitschrift The Lancet habe klar eine der wichtigsten Übersichtsarbeiten zur Homöopathie - die Shang-Studie von 2005 - widerlegt. Ernst erklärt, dass die Kritik der Homöopathen nicht stichhaltig sei. Sie sei motiviert durch das negative Ergebnis der Arbeit, das keinen Unterschied der Homöopathika zu Placebos aufzeigt. Er weist darauf hin, dass es über 50 solcher Systematischen Reviews zur Homöopathie gäbe, die in der Gesamtsicht keine Nachweise liefern, dass Homöopathika mehr wären als Placebos.
Hinweis auf die Stellungnahme der EASAC
(Zeitstempel: Ab Minute 33:10)
Die Stellungnahme der European Academies Scientific Advisory Council (EASAC) - einer Dachorganisation Europäischer Wissenschaftsakademien[B 1] - zur Homöopathie[4] wird zitiert:
… Wir stimmen mit früheren umfangreichen Untersuchungen überein, die zu dem Schluss kamen, dass keine Krankheiten bekannt sind, für die es stichhaltige, reproduzierbare Beweise dafür gibt, dass die Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus wirksam ist.(...) Bewerbung der Homöopathie - wir halten fest, dass es dem Patienten erheblichen Schaden zufügen kann, wenn dies zu Verzögerungen bei der Inanspruchnahme evidenzbasierter medizinischer Versorgung führt…[4][B 2]
Gesetzliche Sonderregelungen und Apothekenpflicht
(Zeitstempel: Ab Minute 35:00)
Es wird gezeigt, wie die Mitglieder der österreichen Skeptikerorganisation Gesellschaft für kritisches Denken (GKD)[5] bei ihrem monatlichen Stammtisch zum Spaß Globuli einnehmen. Nach der Lehre der Homöopathie sollten solche Einnahmen beim Gesunden Symptome hervorrufen. Diese sind jedoch bei keinem der Selbstversuche je eingetreten - wie nach der wissenschaftlichen Einschätzung der Globuli erwartet.
Anschließend erklärt der Sprecher aus dem Off, warum die Globuli in Österreich dennoch als Arzneimittel apothekenpflichtig sind: Der Beitrag zitiert die gesetzlichen Sonderregelungen im österreichischen Arzneimittelgesetz, die Homöopathika den Zugang zum Markt als „Arzneimittel“ ohne wissenschaftlichen Nachweis einer Wirksamkeit überhaupt erst ermöglichen. Eine Änderung der Gesetzeslage wird vom Vizepräsidenten der Ärztekammer, Dr. Herwig Lindner, mit Verweis auf die Beliebtheit der Kügelchen abgelehnt.
Wohlfühlfaktor
(Zeitstempel: Ab Minute 43:00)
Die Mitglieder des Wissenschaftskabaretts Science-Busters[6] erklären die Beliebtheit der Mittel trotz der wissenschaftlichen Unplausibilität und der fehlenden spezifischen Wirksamkeit der Homöopathika. Sie verweisen dabei unter anderem auf die Bedeutung der empathischen Zuwendung oder auf das gute Gefühl, das der Glaube gibt, sich selbst behandeln zu können.
Abschließend zieht der Moderator Timo Küntzle für sich das Fazit (Zeitstempel: Ab Minute 45:30), dass ihm zwar alle besuchten Vertreter der Homöopathie sympathisch wären und er ihnen auch zugestehe, wirklich etwas für ihre Patienten tun zu wollen. Doch hätten sie ihn nicht überzeugt. Zur Begründung verweist er auf die physikalische Unplausibilität des Potenzierens und den hohen internationalen wissenschaftlichen Konsens zur fehlenden Überlegenheit der Homöopathika gegenüber Placebo.
Wissenschaftliche Antworten
Einigen zentralen Aussagen im Sendebeitrag soll hier die Beleglage gegenübergestellt werden. Zudem wird angegeben, wo man auf der Homöopedia weiterführende Informationen zu einem Thema nachschlagen kann.
Aussage | Wissenschaftliche Faktenlage und Querverweis auf andere Artikel |
Erstverschlimmerung und langes Warten auf eine letztlich eintretende Genesung nach der Globuligabe sollen zeigen, dass es sich bei der Besserung nicht um Placeboeffekte handeln könne. | Nicht alles, was nach der Gabe eines Placebos passiert, ist ein Placeboeffekt. Auch nach der Gabe von Placebos, also Mitteln ohne eine kausale und mittelspezifische Wirksamkeit, können andere Faktoren zu Besserungen führen. Diese Faktoren werden als „vermengte Effekte“[7] bezeichnet, weil sie in der Behandlungspraxis nicht abtrennbar von echten Mittelwirkungen sind. Der Placeboeffekt ist lediglich einer dieser Effekte.
Zu diesen Faktoren zählt beispielsweise der natürliche Krankheitsverlauf, der genau zu den hier geschilderten Erfahrungen führen kann: das Krankheitsgeschehen zeigt ohne spezifische Behandlung seine natürliche Verlaufskurve über anfängliche Verschlechterung der Symptome bis hin zu einer allmählichen Besserung, wenn der Körper mit den Beschwerden fertig wird. Einhergehend mit der Genesung bessern sich im Laufe der Zeit auch messbare Parameter wie die Blutwerte. |
Bei Tieren sollen keine Besserungen nach Placebos möglich sein. | Tatsächlich sind bei vielen Haustierarten Reaktionen auf Behandlungssituationen und menschliche Zuwendung nachgewiesen.[8] Vor allem greifen beim Tier aber dieselben „vermengten Effekte“[7] wie beim Menschen: Natürliche Krankheitsverläufe, statistische Effekte, sowie zusätzliche Behandlungen oder Verhaltensänderungen führen zu Besserungen, die man auch nach der Gabe völlig wirkungsloser Mittel beobachten kann.[9] Auch die Erwartungshaltung beim Besitzer, der sogenannte „Placebo-by-proxy“-Effekt spielt hierbei bei vielen Haltern und Therapeuten in der Praxis eine Rolle.[10] In Studien zur Tierhomöopathie treten in der Gruppe der mit Placebo behandelten Tieren vergleichbar viele und vergleichbar schnelle Besserungen auf wie bei den mit Homöopathika behandelten Tieren. Das zeigt, dass die Homöopathika zu den geschilderten vermengten Effekten nichts hinzufügen können und somit selbst Placebos sind.[11] ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Verbreitete Vorstellungen über den Placebo-Effekt“ das Kapitel Wenn es bei Tieren wirkt, kann es kein Placebo sein ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Tierhomöopathie“ das Kapitel Belegen Besserungen nach Globuligabe bei Tieren die Überlegenheit gegenüber Placebo? |
Die Mittel enthalten zwar keine Wirkstoffe, doch sei die „Information“ bzw. die „energetische Komponente“ der ursprünglichen Wirkstoffe darin enthalten. „Energie, Ordnung und Kohärenz der Schwingung“ sollen bei höheren Potenzen zunehmen. | Die so zusammenhanglos in den Raum geworfenen Begriffe sind aus ihrem wissenschaftlichen Kontext gerissen und machen in dieser Weise für sich genommen keinen Sinn mehr. Sie erklären deshalb gar nichts.[12]
Nirgends wird erklärt, was man unter der „Information“ oder der „Energie“ eines Wirkstoffes verstehen soll, wie man diese nachweist oder wie diese im Körper wirken soll. Es handelt sich um Scheinerklärungen, die in keiner Weise einen logischen Zusammenhang von gesichertem naturwissenschaftlichen Wissen und der angeblichen Wirksamkeit von Stoffen in deren kompletter Abwesenheit herstellen. Der Adressat solcher Schlagwörter soll sich hier selbst etwas zusammenreimen. Schnell fällt jedoch auf, dass die so vorgebrachten Behauptungen naturwissenschaftlich keinen Sinn ergeben: Zwar führt Schütteln etwas unspezifische Energie in die Lösung ein, diese geht aber auch schnell in Form von an die Umgebung abgegebener Wärme wieder verloren. Schütteln und Verdünnen vergrößern auch keine Ordnung oder erzeugen Informationen.[13][14] Der Energieeintrag beim Schütteln erfolgt völlig unabhängig von dem eingesetzten Urstoff und läuft auch bei jedem Potenzierungsschritt immer wieder gleich ab. Bei jedem Verdünnungschritt wird der größte Teil des Lösungsmittels weggeschüttet und durch frisches ersetzt. Dadurch steigt die Zahl der Schüttelschläge, die die Lösungsmittelmoleküle im Durchschnitt bekommen haben, nicht weiter an. All das begründet, dass das Schütteln gar keine Verstärkung einer spezifischen Eigenheit der Lösung erzeugen kann.
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Die Quantenphysik böte Erklärungen für Wirksamkeit homöopathischer Mittel - auch in Abwesenheit von Wirkstoffen. | Vage Bezüge auf die Quantenphysik sind in der Esoterik ein beliebter Versuch, unplausibel klingenden Behauptungen scheinbar eine wissenschaftliche Basis zu geben: Einerseits genießt die Physik hohes Ansehen in puncto Zuverlässigkeit, andererseits haben die meisten Menschen keine fundierten Kenntnisse in Quantenphysik und können daher nur schwer beurteilen, ob ein solcher Verweis gerechtfertigt ist.
Tatsächlich weisen Physiker immer wieder darauf hin, dass verbreitete Vorstellungen über die Quantenphysik falsch sind. So sind beispielsweise Phrasen wie „Geist verändert Materie“ oder „alles ist mit allem verbunden“ in dieser Form nichts weiter als leere Worthülsen. Quanteneffekte, wie die scheinwissenschaftlich als „Verbundenheit“ dargestellte Verschränkung, verschwinden innerhalb kürzester Zeit, wenn große Mengen subatomarer Teilchen in ständiger Wechselwirkung miteinander und mit ihrer Umwelt sind. Genau in dieser Situation sind aber die Atome, Moleküle und Zellen in unserem Körper. Deshalb können Quanteneffekte in monatelang dicht an dicht gelagerten Globuli keine Bedeutung haben. Die Erkenntnisse der Quantenphysik über die Strukturen der atomaren Welt stehen genauso wie die Physik unseres Alltags im eklatanten Widerspruch zur Behauptung der Homöopathie, einfaches Verschütteln einer Lösung würde dazu führen können, dass die längst nicht mehr enthaltenen Wirkstoffe noch irgendwelche spezifischen Effekte erzeugen können.[14][15][16][17] |
„Als praktische Medizin kann die Homöopathie nicht naturwissenschaftlich begründet werden. Allerdings besteht für die Homöopathie kein Begründungsbedarf durch fremde Wissenschaftsmodelle, da sie über ein voll ausgebildetes und seit 200 Jahren erfolgreich eingesetztes, eigenes Wissenschaftsmodell verfügt.“ (Buchzitat, Minute 22:32) | Weder die Existenz noch das Alter von exakten Vorschriften belegt deren Richtigkeit. Es handelt sich hier um den sogenannten Fehlschluss des Althergebrachten.[18] Tatsächlich zeigen gerade die vielen einander widersprechenden Vorschriften zum Verschütteln oder die Interpretationen des Ähnlichkeitsprinzips, dass hinter dem Gedankengebäude der Homöopathie kein echtes Naturphänomen steht, sondern die Handlungsprinzipien der Homöopathie austauschbare Rituale sind. Studien weisen nach, wie solche Rituale die Illusion vermitteln können, die ausgeführten Handlungen wären zweckmäßig, selbst wenn die Ergebnisse rein zufällig sind.[19] Letztlich ist der Versuch, die Widersprüche der Homöopathie zum gesicherten Wissen der Naturwissenschaften als bedeutungslos herabzuspielen, nichts anderes als der Versuch einer Immunisierung gegen stichhaltige Hinweise auf die innere Unplausibilität der Homöopathie: Die Homöopathie verkauft sich in der Praxis als empirisch begründete Arzneimittellehre, deren Mittel beim Patienten reale Wirksamkeiten hervorrufen sollen. Doch seit ihrer Erfindung vor 200 Jahren divergieren genau diese „Erfahrungen“ zu vielen verschiedenen, sich teils widersprechenden Anwendungsmethoden und Empfehlungen, statt zu einheitlichen empirischen Anwendungsregeln geführt zu haben. Fieber, Heftigkeit und Häufigkeit von Kopfschmerzen und anderen Beschwerden - all das sind zudem klar wissenschaftlich messbare Größen. Größen, deren Veränderungen man bestens in randomisierten, mehrfach verblindeten und im Vergleich mit Placebogaben durchgeführten Studien untersuchen kann und untersucht hat. Deswegen ist das Ergebnis, dass keine Unterschiede zu Placebo nachweisbar sind, auch aussagekräftig. Besonders deutlich entlarvend für diese reine Immunisierungsstrategie ist das Vorzeigen einzelner für die Homöopathie positiver Ergebnisse: Stünde man wirklich hinter der Aussage, die Homöopathie sei von ihrem Wesen her nicht wissenschaftlich untersuchbar, so müsste man auch die positiven Ergebnisse als genauso wenig aussagekräftig einstufen wie die negativen Ergebnisse. ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Oft gehörte Argumente - Allgemeines über klinische Studien“ das Kapitel Mit einem statistischen Messinstrument – wie einer verblindeten Studie – kann man kein individuelles Verfahren wie die Homöopathie untersuchen. ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Oft gehörte Argumente - Aussagen über Wissenschaft“ das Kapitel Eine moderne holistische Sicht der Welt muss auch Erfahrung anerkennen, nicht nur die wissenschaftliche Sicht der Dinge. ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Varianten der Homöopathie“ das Kapitel Einschätzung der Variantenvielfalt |
Man könne mit der Homöopathie Nach- und Nebenwirkungen einer Krebstherapie wirksam behandeln. | Es gibt auch in Bezug zu den Nebenwirkungen der Krebsbehandlung keine stichhaltigen oder robust reproduzierbaren Nachweise, dass hier Homöopathika etwas anderes als Placebos wären.[20][21][22][23][24] Eine Studie von Frass,[25] die die Beurteilung des Wohlbefindens von Krebspatienten untersucht, ist wegen des Fehlens einer Verblindung der Kontrollgruppe wenig aussagekräftig. Das Studiendesign erfolgte nach dem Schema „a + b vs. a“: Während beide Gruppen die Standardtherapie bekamen, erhielt ein Teil der Patienten zusätzlich Homöopathika, die restlichen Patienten nicht. Den Patienten der Kontrollgruppe wurde „etwas vorenthalten“, sie wurden also benachteiligt - und wussten das. Da als Studienergebnis von den Patienten ihre subjektiven Einschätzungen per Fragebogen ermittelt wurden, ist wahrscheinlich, dass dieses Studiendesign bei der Beantwortung des Fragebogens zu deutlichen Verzerrungen beigetragen hat. Eine aussagekräftigere Untersuchung hätte die Gruppen mehrfach verblindet und der Kontrollgruppe ein gleich aussehendes Placebo samt allen Anamnesegesprächen zukommen lassen müssen. ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Krebs“ das Kapitel Übersichtarbeiten zum Thema Homöopathie bei Krebs ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Clinica Santa Croce“ das Kapitel Studie von Michael Frass und Katharina Gaertner |
Zwei der Studien von Michael Frass sollen die Wirksamkeit der Homöopathika bei schwerstkranken Patienten nachweisen. | Beide Studien weisen methodische Fehler auf, die die Aussagekraft stark einschränken. Beide Arbeiten wurden von Fachkreisen wegen ihrer Qualitätsmängel heftig kritisiert. Die Ergebnisse wurden zudem nie unabhängig wiederholt. ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Oft gehörte Argumente - Verweise auf konkrete Studien und Experimente“ das Kapitel Sepsisstudie von Michael Frass ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Oft gehörte Argumente - Verweise auf konkrete Studien und Experimente“ das Kapitel COPD-Studie von Michael Frass |
Homöopathika sollen nicht über den Placeboeffekt hinaus wirken. | Das ist die von Wissenschaftlern allgemein vertretene Ansicht. Die Konzepte der Homöopathie sind im Laufe der seit Hahnemann verstrichenen Zeit mehr und mehr in Widerspruch zum anwachsenden Wissen der Naturwissenschaften geraten.[26][12] Auch die inneren Widersprüche der Homöopathie und der Zerfall in einander widersprechende Strömungen sind bereits deutliche Hinweise, dass die Homöopathie nicht auf echten Naturphänomenen beruht. Obwohl bereits die naturwissenschaftliche Unplausibilität für sich genommen ein sehr starkes Argument darstellt, bekam die Homöopathie aufgrund ihrer Anwendung in der Praxis über die Untersuchung in klinischen Studien quasi eine zweite Chance. Klinische Studien hätten auch bei einem komplett unverstandenen Wirkmechanismus Unterschiede zu Placebo messen können. In der Gesamtsicht der Studienlage von mittlerweile über 200 klinischen Vergleichsstudien[B 3] ergeben sich jedoch in Übereinstimmung mit der naturwissenschaftlichen Vorhersage keine stichhaltigen Argumente dafür, dass Homöopathika etwas anderes sind als Placebos. Alle systematischen Reviews zur Homöopathie insgesamt bemängeln die schlechte Qualität der Einzelstudien, die leicht dazu führen kann, dass die Ergebnisse in Richtung zu größeren Effektstärken verfälscht werden. Immer wieder stellen die Autoren fest, dass kleine statistische Effekte weiter zurückgehen oder ganz verschwinden, wenn man sich auf die qualitativ besseren Arbeiten beschränkt. Keiner der Reviews berichtet von stichhaltigen oder in Reproduktionen robusten Belegen einer Überlegenheit gegen Placebo. Zu diesem Ergebnis kamen auch verschiedene Gesundheitsbehörden, etwa die amerikanische Food and Drug Administration (FDA)[27] oder der britische National Health Service (NHS).[28] Zusätzlich wurde die Studienlage bisher (Stand Anfang 2020) zweimal mit einer weiteren Methode, der sogenannten „P-Kurven-Analyse“ gesichtet. Bei diesem Verfahren wird die Verteilung der P-Werte der Einzelstudien betrachtet, also ob und wie häufig diese eher nahe an der Signifikanzgrenze lagen. Bei statistischen Artefakten ergeben sich für die Ergebnisse andere Verteilungen als bei Ergebnissen, die auf echten Naturphänomenen beruhen. Die Ergebnisse beider unabhängigen P-Kurven-Analysen haben die Systematischen Reviews eindrucksvoll bestätigt: Homöopathika sind Placebos.[29][30] Basierend auf der Gesamtevidenz hat das European Academies Scientific Advisory Council (EASAC) - eine Dachorganisation Europäischer Wissenschaftsakademien - die auch im Sendebeitrag zitierte Stellungnahme zur Homöopathie[4] verfasst. |
Fazit des Informationsnetzwerks Homöopathie
In der ersten Hälfte des Beitrages bleiben einige wissenschaftlich nicht haltbare Aussagen unkommentiert stehen. Hier hätte man die Unplausibilität bzw. die fehlende wissenschaftliche Grundlage mancher Behauptung noch verdeutlichen können. Die Gefahr ist, dass wegen der „knackigen“ Formulierung (etwa „Erklären Sie einmal einem Pferd, dass es einen Placeboeffekt gibt“) beim Zuschauer doch manche falsche Vorstellung im Gedächtnis bleibt. In der zweiten Hälfte wird das Scheitern der Homöopathie am Erbringen eines Wirksamkeitsnachweises aber korrekt geschildert. Wesentliche Punkte der wissenschaftlichen Einschätzung der Homöopathie werden somit korrekt und auch für wissenschaftliche Laien verständlich dargestellt.
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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