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Antibiotika

Antibiotika (plural; Singularform: „Antibiotikum“) sind Substanzen, die bereits in geringer Konzentration das Wachstum von Mikroorganismen hemmen („bakteriostatische Wirkung“; „-statisch“ bedeutet ein Stagnieren der Populationszahl) oder sie sogar abtöten („bakterizide Wirkung“; „-zid“ bedeutet abtötend).


Begriffsbestimmung

Antibiotika sind von Pilzen oder Bakterien gebildete und somit in der Natur vorkommende Substanzen, oder sie haben zumindest natürliche Grundstoffe. Im Gegensatz zu den Antibiotika sind antiinfektive Chemotherapeutika rein synthetisch hergestellte Stoffe, die jedoch im Prinzip die gleichen Wirkungen wie Antibiotika haben.[1] Zu den Chemotherapeutika (als allgemeiner Oberbegriff) zählen nicht nur Medikamente gegen krankmachende („pathogene“) Mikroorganismen, sondern auch gegen bösartige Zellen (z.B. Krebs). Der Einsatz von Chemotherapeutika bei bösartigen Erkrankungen ist heute vielfach das einzig bekannte und einzig gemeinte Indikationsgebiet der Chemotherapeutika. Wenn in diesem Artikel von „Antibiotika“ die Rede ist, dann sind die „antiinfektiven Chemotherapeutika“ unausgesprochen in diesem Begriff mit enthalten: Der Ursprung der Grundstoffe – Natur oder naturwissenschaftlich angewandte Kultur – ist für diese Betrachtungen irrelevant.

Im eigentlichen Wortsinn (anti = gegen und bios = Leben) ist der Begriff „Antibiotikum“ eine Übertreibung. Antibiotika sind nicht gegen „alles Leben“ gerichtet, sondern nur gegen das Leben pathogener Keime, wobei die Herbeiführung einer Vermehrungsunfähigkeit pathogener Keime auch schon ein wertvolles Ziel ist.


Allgemeines Wirkprinzip

Antibiotika wirken gezielt auf den Zellstoffwechsel, wobei sie Unterschiede in den Stoffwechselvorgängen ausnutzen. Stoffwechselvorgänge, die in allen lebenden Zellen gleichermaßen vorkommen, sind für einen Angriff durch Antibiotika ungeeignet, da sie alle Zellen – auch die des Wirtsorganismus – schädigen. Andererseits gibt es keine Stoffwechselvorgänge, die isoliert nur bei einem Bakterium vorkommen. Antibiotika sind deshalb prinzipiell auch für den Wirtsorganismus schädlich und können nur deshalb im lebenden Wirtsorganismus eingesetzt werden, weil ihre Wirksamkeit gegen Keime erheblich höher ist als die gegen den Wirt. Je größer der Unterschied der „minimalen Hemmkonzentration“ für Keim und Wirtorganismus ist, desto geringer sind die Nebenwirkungen des Antibiotikums. Umgekehrt gilt: Je kleiner der Unterschied der minimalen Hemmkonzentration für Keim und Wirtsorganismus ist, desto größer ist die Toxizität (Giftigkeit) eines Antibiotikums.

Nebenwirkungen sind dosisabhängig. Sie können auch relevant werden, wenn z. B. durch Leber- oder Nierenerkrankungen die Elimination des Antibiotikums aus dem Wirtsorganismus verzögert ist, so dass hohe Dosen in ihm auftreten können. Neben dosisabhängigen Nebenwirkungen gibt es aber auch die Möglichkeit einer dosisunabhängigen Wirkung („Allergie“).

Die hemmende Wirkung von Antibiotika auf Erreger kann außerhalb des Körpers getestet werden („in vitro“, also z.B. in einem geeigneten Laborgefäß). Werden Antibiotika beim Patienten eingesetzt („in vivo“), dann kommt zur hemmenden Wirkung des Antibiotikums noch der Einfluss des Immunsystems des Wirtsorganismus hinzu. Antibiotika können lediglich die Keimlast verringern (die Zahl der pathogenen Keime). Sie haben keinen Einfluss auf die eigentlichen Krankheitssymptome.

Antibiotika werden gegen die Krankheitsursache eingesetzt, nicht gegen Krankheitssymptome.[2][3]


Spezielle Wirkprinzipien

Je nach Wirkort im Stoffwechsel des pathogenen Keims gibt es unterschiedliche Gruppen von Antibiotika. Einige spezielle Wirkprinzipien werden hier beispielhaft vorgestellt:[4]

Hemmung des Zellwandaufbaus, Störung der Zellwand

Penicilline, Cephalosporine, Bacitracin und Cycloserin interferieren mit Zellwandbestandteilen. Für den Zellwandaufbau notwendige Moleküle werden durch die Moleküle der Antibiotika ersetzt, so dass der Zellwandaufbau nicht gelingt.

Polymyxine, aber auch die pilzabtötenden (fungiziden) Substanzen Nystatin und Amphotericin erhöhen die Durchlässigkeit (Permeabilität) der Zellwand und nehmen ihr damit die Funktion.

Substanzen, die den Zellwandaufbau hemmen oder die Zellwand stören, wirken bakterizid.

Hemmung der Proteinsynthese

Steptomycin, Tetracycline, Erythromycin, Chloramphenicol, Actinomycin: Sie hemmen in der Teilungsphase den Aufbau der Proteine, indem sie die Auslesung der genetischen Information aus dem DNA-Molekül stören, was zu einer falschen Aminosäuresequenz und damit zu unbrauchbaren Proteinen führt.

Substanzen, die die Proteinsynthese hemmen, wirken bakteriostatisch. Der Ruhestoffwechsel der Erreger bleibt unbeeinflusst. Eine bei einigen Substanzen in hohen Dosen auftretende bakterizide Wirkung kann wegen der erhöhten Toxizität nicht ausgenutzt werden.

Interferenz mit wichtigen Stoffwechselvorgängen

Sulfonamide und Trimethoprim hemmen den Aufbau des wichtigen Folsäuremoleküls „Tetrahydrofolsäure“. Bakterien in der Teilungsphase sind auf die Herstellung des Moleküls im eigenen Stoffwechsel angewiesen, wohingegen die Wirtsorganismen den Stoff der Nahrung entnehmen.

Substanzen, die mit wichtigen Stoffwechselvorgängen interferieren, wirken bakteriostatisch.


Wirkungsspektrum und Resistenz

Wenn man für die Hemmung von Krankheitserregern in vitro höhere Konzentrationen eines Antibiotikums benötigt als man am Infektionsort in vivo erreichen kann, dann spricht man von „Resistenz“, d.h. dass dieser Erreger mit diesem Medikament nicht (mehr) wirksam bekämpft werden kann. Wenn alle Stämme einer Spezies resistent sind, dann liegt eine „natürliche Resistenz“ vor, andernfalls eine „Empfindlichkeit“. Empfindliche Stämme können durch Mutationen Resistenzen entwickeln.[3]

Siehe auch Kapitel 4 („Therapeutische Überlegungen“).


Antibiotika und Pseudomedizin

Antibiotika stehen im pseudomedizinischen Kontext oftmals synonym für „schlechte Medizin“. Sie werden oft als „Chemiekeulen“ oder „Antibiotikakeulen“ diffamiert.

Mit solchen – falschen – Beurteilungen werden die hochwirksamen Antibiotika nicht nur des Placebo-Effekts, der jedem Medikament und jeder medizinischen Behandlung zusätzlich innewohnt, sondern auch mit dessen schädlichen Gegenspieler, dem Nocebo-Effekt, belastet. Antibiotika werden häufig verdächtigt, mehr zu schaden als zu nutzen.

Diese Verdächtigungen sind unberechtigt, wenn Antibiotika nach den Qualitätskriterien der modernen Medizin eingesetzt werden. Eine rationale Antibiotikatherapie ist aus der modernen wissenschaftsorientierten Medizin nicht mehr wegzudenken.


Kurzer geschichtlicher Überblick

Mit der Entdeckung von Mikroorganismen als Ursache von Infektionskrankheiten bot sich erstmals die Möglichkeit, die schwerwiegenden und oftmals tödlichen Infektionskrankheiten wirksam zu behandeln. Die Suche nach gezielten Behandlungsmöglichkeiten setzte bereits früh nach der Entdeckung der Bakterien ein.[4]

Das erste synthetisch hergestellte Chemotherapeutikum, das aufgrund theoretischer Überlegungen entwickelt wurde, war das 1910 von Paul Ehrlich und Sahachiro Hata aus der 606. getesteten Substanz entwickelte „Salvarsan“ (Wirkstoff „Arsphenamin“), einer Arsenverbindung. Aufgrund von Problemen mit Toxizität und Löslichkeit wurde es 1911 durch das „Neosalvarsan“ (Wirkstoff „Neoarsphenamin“) ersetzt.[5][4]

Im Jahre 1928 entdeckte Sir Alexander Fleming eher zufällig die antibiotische Wirkung einer Substanz aus dem Schimmelpilz „Penicillium notatum“. Diese Substanz ist bis heute unter dem Namen „Penicillin“ bekannt. Aber erst 1941 wurde von Chain und Florey erstmals ein „ausreichend reines“ („acceptably pure“) Penicillin hergestellt und die ersten neun Patienten damit behandelt.[6] Ab dem Jahre 1944 konnten dann größere Mengen an Penicillin hergestellt werden.[7]

Nahezu parallel dazu (ab 1931) arbeitete Gerhard Domagk, der 1928 zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Münster/Westfalen ernannt wurde, an sulfonamidhaltigen Azo-Farbstoffen und entdeckte 1932 die antibakterielle Wirksamkeit des Farbstoffs „Prontosil“, wofür er 1939 den Nobelpreis für Medizin erhielt.[8] Später hat sich herausgestellt, dass nicht der Farbstoff „Prontosil-Rot“ selbst, sondern sein Stoffwechselprodukt „Sulfonamid“ die eigentliche antibakterielle Wirkung aufweist.[7]


Substanzklassen und Wirkungsweise

Die nachfolgende Übersicht zeigt beispielhaft einige Substanzklassen von Antibiotika und ihrer Wirkungsweisen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.[9][10][11][12][13]

Antibiotika sind nicht durch chemische Verwandtschaften untereinander charakterisiert, sondern nur durch die Gemeinsamkeit, wirksam gegen Mikroorganismen zu sein. Natürlich gibt es Gruppen von Antibiotika, deren Gruppenmitglieder untereinander chemisch verwandt sind. Aber die einzelnen Gruppen haben chemisch keine Gemeinsamkeiten, sondern nur ein gemeinsames „Ziel“, eine gemeinsame „Aufgabe“: Die Abtötung oder zumindest die Wachstumshemmung schädlicher Mikroorganismen.

Die wichtigsten Substanzklassen sind:

  • Penicilline (u.a. Penicillin G, Penicillin V, Ampicillin, Amoxicillin)
  • Cephalosporine (u.a. Cefaclor, Cefuroxim, Cefpodoxim)
  • Gyrasehemmer (u.a. Ofloxacin, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
  • Tetracycline (u.a. Tetracyclin, Doxycyclin, Minocyclin)
  • Makrolidantibiotika (u.a. Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin, Azithromycin)
  • Lincomycine (u.a. Lincomycin, Clindamycin)
  • Aminoglycoside (u.a. Streptomycin, Gentamycin, Kanamycin, Neomycin, Tobramycin)
  • Chloramphenicol
  • Glycopeptide (u.a. Vancomycin und Teicoplanin)
  • Peptidantibiotika (u.a. Colistin, Bacitracin, Polymyxin B und Tyroxin)
  • Sulfonamide und Trimethoprim


Therapeutische Überlegungen

Besiedlung und Infektion

Antibiotika sind wirksame Medikamente im Kampf gegen Infektionskrankheiten, die nicht durch Viren verursacht sind. Der Einsatz dieser Medikamente muss sorgfältig abgewogen werden, und die Auswahl der Präparate muss zielgerichtet sein.

Grundsätzlich sind nicht alle Keime pathogen. Und selbst potenziell pathogene Keime machen uns nicht in jedem Fall krank: Mit den meisten Bakterien leben wir problemlos in Symbiose zusammen. Eine bloße Besiedlung des Körpers mit Keimen ist zunächst vollkommen normal und harmlos: Die Keime gehören zur sogenannten „physiologischen Standortflora“. Erst wenn das Immunsystem des Körpers aktiviert wird und die körpereigene Abwehr die Keime bekämpft, liegt eine „Infektion“ vor mit der Folge einer „Entzündung“. Eine bloße Besiedlung mit Keimen führt nicht automatisch zu Infektion und Entzündung.

Sensibilität und Resistenz

Erreger, die von Antibiotika abgetötet oder deren Vermehrung zumindest gehemmt werden, bezeichnet man als „empfindlich“ bzw. „sensibel“. Erreger, die zur Abtötung oder Vermehrungshemmung Konzentrationen erfordern, die man im Wirtsorganismus wegen der dann auftretenden toxischen Wirkung nicht erreichen kann, nennt man „resistent“. Zu jedem Antibiotikum gibt es empfindliche und resistente Keime. Das Muster aus empfindlichen und resistenten Keimen bezeichnet man als „Wirkspektrum“. Dieses Wirkspektrum ist nicht unveränderlich: Aus ehemals empfindlichen Keimen können durch Mutationen resistente Keime entstehen. Die Resistenzentwicklung pathogener Keime ist ein Problem in der modernen Medizin, insbesondere wenn Keime gegen viele Antibiotika resistent („multiresistent“) werden. Menschen und höhere Tiere hingegen sind von Natur aus resistent gegen Antibiotika. Wären sie es nicht, dann würden auch Menschen und höhere Tiere einen „Antibiotikum-Angriff“ nicht überleben. Antiinfektiva, gegen die Mensch und Tier nicht resistent sind, sind allenfalls als Desinfektionsmittel anwendbar.

Wirkspektrum

Je mehr Keimarten empfindlich gegen ein Antibiotikum sind, desto „breiter“ ist sein Wirkspektrum. Die meisten der im Einsatz befindlichen Antibiotika sind sogenannte „Breitspektrum-Antibiotika“. Allerdings gibt es keine „Ganzspektrum-Antibiotika“: Es gibt kein Antibiotikum, das gleichermaßen gegen alle Keimarten wirksam ist.

Wenn „Mischinfekte“ mit mehreren Keimarten vorliegen, ist es auch beim Einsatz von Breitspektrumantibiotika möglich, dass einige Keime nicht im Wirkspektrum des Antibiotikums liegen und also die Therapie überstehen. Wenn das der Fall ist, muss die Antibiotikumtherapie mit anderen Präparaten – und anderen Wirkspektren – fortgesetzt werden. Würde man auf die Fortsetzung der Therapie verzichten, dann können sich die wenigen resistenten Keime, die den „Angriff“ überlebt haben, ungehindert vermehren und zu einem Rückfall („Rezidiv“) führen. Problematisch dabei ist, dass resistente Keime ihre Resistenzeigenschaft an die Nachkommen vererben. Aus diesem Grunde ist es nicht nur sinnvoll, sondern sogar geboten, Keime, die gegen ein Antibiotikum resistent sind, mit einem anderen Antibiotikum abzutöten, für das sie empfindlich sind. Nur dann kann die Weitervererbung der Resistenzeigenschaften verhindert werden.

Häufig ist es allerdings nicht sinnvoll, zwei oder mehrere Antibiotika in einer Fixkombination zu verabreichen. Die erwünschte Wirkverstärkung bleibt häufig nicht nur aus, sondern unterschiedliche Antibiotika führen überwiegend zu einer Abschwächung der Wirkung.

Eine Antibiotikumtherapie ist erst dann zu Ende, wenn der letzte pathogene Keim abgetötet ist. Dazu muss die Dosierung der Antibiotika ausreichend hoch sein und die Anwendungsdauer ausreichend lange. Es gilt die Alles-oder-nichts-Regel: Entweder ganz oder gar nicht. Eine Unterdosierung hinsichtlich Dosis oder Zeit begünstigt die Resistenzentwicklung und ist nicht zu rechtfertigen; auch nicht, wenn die Beschwerden nur gering sind. Es ist medizinisch durchaus erlaubt, bei geringen Beschwerden auf den Einsatz von Antibiotika zu verzichten und auf die Immunreaktion des Körpers zu vertrauen. Hat man sich aber zum Einsatz von Antibiotika entschlossen, dann muss die Therapie nach den genannten Vorgaben – ausreichend hoch dosiert und ausreichend lange – durchgeführt werden.

Insbesondere muss natürlich darauf geachtet werden, dass die zu eliminierenden Keime prinzipiell empfindlich gegen das gewählte Antibiotikum sind. Man kann zuvor nicht genau wissen, ob prinzipiell empfindliche Keime nicht eventuell eine Resistenz entwickelt haben. Ist ein Stamm einer prinzipiell empfindlichen Keimspezies bereits vor der Infektion resistent geworden, dann liegt eine „primäre Resistenz“ vor. Ein Stamm einer prizipiell empfindlichen Spezies, der während einer Antibiotikumtherapie resistent wurde, hat eine „sekundäre Resistenz“ entwickelt.[3] Stämme, die während der Antibiotikumtherapie eines Patienten eine sekundäre Resistenz entwickelt haben, sind für einen in der Folge mit diesem Stamm infizierten anderen Patienten primär resistent. Daraus ergibt sich die Verantwortung für Patient und Arzt, dafür Sorge zu tragen, dass Keime, die eine sekundäre Resistenz entwickelt haben, möglichst nicht als primär resistente Stämme auf andere Patienten übertragen werden.

Wenn man für die Auswahl des Antibiotikums genaue Informationen benötigt, dann kann vorab im Labor eine „Erreger- und Resistenzbestimmung“ durchgeführt werden. Aber auch ohne Erreger- und Resistenzbestimmung weiß man sehr genau, welche Keime nicht zum Wirkspektrum eines Antibiotikums gehören. Penicillin gegen Pseudomonas (eine Bakterienart) einzusetzen, ist unwirksam und unsinnig. Ebenso ist es unsinnig, Antibiotika gegen Viren einsetzen zu wollen.

Resistenzentwicklung durch Mutation

Wie bereits beschrieben, können sensible Keime durch Mutation Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln. Die „Generationszeit“ der Keime ist sehr kurz und die Folgen der Resistenzentwicklung treten schnell ein.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt dazu:

Resistenzen entwickeln sich im Wechselspiel von genetischen Ereignissen und Selektion. Genetische Ereignisse sind Mutationen oder die Aufnahme von „Resistenzgenen“ aus der Umgebung. Selektion bedeutet, dass bei der Anwendung von Antibiotika solche Bakterienstämme überleben, die eine Resistenz besitzen. Entscheidend ist daher der Selektionsdruck durch Antibiotika, etwa bei der unkritischen Verschreibung bei Erkältungen.[14]

Einflüsse auf die Wirksamkeit von Antibiotika

Auch wenn man geeignete Antibiotika einsetzt, also solche, gegen die die pathogenen Keime keine natürliche Resistenz besitzen, so ist nicht auszuschließen, dass die Infektion trotz der natürlichen Empfindlichkeit der Spezies mit einem primär resistenten Stamm erfolgt ist. In diesem Fall wird sich das eingesetzte Antibiotikum als unwirksam erweisen. Patienten haben keinen Einfluss darauf, von welchen Keimen und welchen Stämmen sie infiziert werden; es liegt nicht im Verantwortungsbereich der Patienten. Ein von einem resistenten Stamm infizierter Patient kann bei der nächsten Infektion von einem empfindlichen Stamm infiziert werden. Entsprechend kann ein Antibiotikum, das sich bei einer Infektion als unwirksam herausstellt, bei der nächsten Infektion wieder als wirksam erweisen. Die Wirksamkeit der Antibiotika ist nicht in der Person des Patienten begründet, sondern in der Resistenzlage der pathogenen Keime.

Evolution in kleinem Maßstab

Mutationen sind dauerhafte Veränderungen im Erbgut einer Zelle, die sich aus verschiedenen Gründen ereignen. Tödliche Mutationen werden natürlich sofort eliminiert. Nicht-tödliche Mutationen werden jedoch weitervererbt. Bakterien haben eine deutlich höhere Replikations- und Mutationsrate als Mehrzeller. So ist es sehr wahrscheinlich, dass auch spontan und „ohne Anlass“ eine resistente Variante entsteht. Sollte bei einer derartigen Mutation eine Resistenz gegen ein Antibiotikum entstanden sein, so hat das Bakterium solange keinerlei Vorteil von der Mutation, bis es mit diesem Antibiotikum in Berührung kommt. Es ist sogar so, dass resistente Keime in einer antibiotikumfreien Umgebung gegenüber den nicht-resistenten Keimen geringe Nachteile hinnehmen müssen, die in einem erhöhten Energie- und Zeitbedarf für die Herstellung des Resistenzfaktors (eines Plasmids oder eines Enzyms) begründet ist.

Während die Mutation selbst also zufällig ist, führt der Kontakt mit dem nunmehr unwirksamen Antibiotikum zu einem Überlebensvorteil für die resistenten Keime – ein Vorteil, den die empfindlichen Keime nicht haben. Eine Antibiotikumtherapie senkt somit die Zahl der empfindlichen Keime, aber erhöht die Zahl der resistenten Keime.

Auch wenn jede Verwendung eines Antibiotikums die Zahl der resistenten Keime erhöht: Unsinnig ist der Einsatz von Antibiotika bei bakteriellen Infekten dennoch nicht. Der Vorteil liegt in der Zeit. Während die Zahl der empfindlichen Keime relativ schnell abnimmt, dauert die Zunahme der Zahl der resistenten Keime länger. Diese Zeit steht dem – äußerst wirksamen – Immunsystem zur Senkung der Keimlast zur Verfügung.

Sollte das Immunsystem für eine Elimination der Keime zu schwach sein, dann ist es möglich, dass die Infektionkrankheit einen ungünstigen Ausgang nimmt. Auch wenn der Tod des Wirtsorganismus aus Sicht der Erreger in eine „evolutionäre Sackgasse“ führt und nicht „im Interesse“ der Keime sein kann, gibt es solche Verläufe. Das Statistische Jahrbuch nennt für 2006 eine Gesamtzahl von 16,8 Millionen Patienten, die in Krankenhäusern behandelt wurden. Für das Jahr 2006 wird die Zahl der Todesfälle durch Infektionen mit Krankenhauskeimen vom RKI mit 10.000 bis 15.000 angegeben.[15][16] Das entspricht einem Anteil von 0,06% bis 0,09%.

Mutation und Selektion: Anhand der Resistenzentwicklung von Bakterien kann man die Evolution sozusagen „im Reagenzglas“ bzw. „unter dem Mikroskop“ beobachten. Und es droht ein Teufelskreis: Bei zu häufigem und ungezieltem Einsatz von Antibiotika erhöhen wir den Selektionsdruck auf die Keime und begünstigen somit die Resistenzentwicklung.

Wir befinden uns also in dem Spannungsfeld, einerseits bei schweren Infektionen Antibiotika einsetzen zu müssen und andererseits Antibiotika insgesamt möglichst sparsam zu verwenden, um den Selektionsdruck zu senken. Insbesondere kann es fatal sein, wenn jede Neuentwicklung eines Antibiotikums in der alltäglichen Praxis bei harmlosen Keimen eingesetzt wird. Die neuen Antibiotika sollten möglichst streng zielgenau eingesetzt werden, wenn es absolut geboten ist: Unsere „Gegenspieler“ - die pathogenen Keime - sollen möglichst wenig in Kontakt mit unseren wirksamsten Antibiotika kommen, um die Resistenzentwicklung gegen diese nicht zu provozieren.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt dazu einige wichtige Hinweise.[17]

Verschreibungspflicht

Antibiotika sind in Deutschland verschreibungspflichtig. Es gibt Länder, in denen das nicht so ist. In diesen Ländern ist die Resistenzlage entsprechend angespannt.

Ein wesentlicher Grund für die weltweit angespannte Resistenzlage ist außerdem der Einsatz von Antibiotika in Tiermast und Tiermedizin. Weltweit steigt der Anteil der in der Tiermast und Tiermedizin eingesetzten Antibiotika. In den USA liege dieser Anteil bei 80%, schreiben die Forscher um Thomas Van Boeckel von der Princeton University.[18] Weltweit gehen etwa 70% der Antobiotikaproduktion in die Tiermast.[19][20]

In der Tiermast dürfen in Deutschland Antibiotika nur für tiermedizinische Zwecke eingesetzt werden. In den letzten Jahren ist der Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft jedoch rückläufig, was zu einem Stagnieren der Antibiotikaresistenzen geführt hat.[21]


Antibiose aus Sicht der Homöopathie

Dieser Abschnitt zeigt anhand der Antibiotika beispielhaft, wie die moderne, wissenschaftsbasierte Medizin arbeitet und welche Vorstellungen im Gegensatz dazu die Homöopathie entwickelt hat.

Problemerkennung

In der Vergangenheit sind viele Patienten an Infektionskrankheiten gestorben. Die Krankheiten haben sich unseren Vorfahren als vollkommen uneinheitlich dargestellt. Es waren Krankheiten wie Lungenentzündung, Wundbrand, Kindbettfieber, „Seitenkrankheit“ (= akute Appendizitis, „Blinddarmentzündung“), „Lustseuche“ (Syphilis), Durchfallerkrankungen, Tuberkulose, Lepra, Pocken, Pest und viele mehr.

Es hat lange gedauert, bis man in diesen unterschiedlichen Erkrankungen die Gemeinsamkeiten erkannt hat: Nach der Erfindung des Mikroskops konnte man bei allen Kranken winzige Körperchen finden, die man „Bazillen“ und „Bakterien“ nannte. Man hat in diesen „Keimen“ winzige Lebewesen erkannt, die die Patienten krank gemacht haben. Später, nach der Erfindung des Elektronenmikroskops, konnte man noch kleinere Keime finden, die völlig anders geartet waren, aber ebenfalls krank machten: Viren.

Medizinische Forschung als Konsequenz der neuen Erkenntnis

Nach der Entdeckung von pathogenen Keimen als Krankheitsursache hat man diese erforscht. Sie wurden auf Nährböden gezüchtet, unter dem Mikroskop betrachtet, mit verschiedenen Farbstoffen angefärbt, und man hat ihre Stoffwechseltätigkeit untersucht.

Mit diesem Wissen hat man sich an die Erforschung von Behandlungsmaßnahmen gemacht. Während Gerhard Domagk noch eher zufällig auf die antibakterielle Wirksamkeit der Sulfonamide und Alexander Fleming auf die des Penicillins aufmerksam wurden, hat Paul Ehrlich bereits systematisch nach Wirkstoffen gesucht.[B 1]

Nach der Entdeckung von wirksamen Substanzen, die das Wachstum von Keimen hemmen oder sie abtöten – Antibiotika –, hat man die Forschung systematisiert. Man erforschte, wie und wo die Antibiotika in den Stoffwechsel der Bakterien eingreifen und hat diese Wirkungsmechanismen systematisch verbessert.

Und man hat gelernt, Antibiotika in großen Mengen herzustellen, damit möglichst viele Patienten von der segensreichen Wirkung profitieren können.

Gleichzeitig hat man auch die Grenzen der Antibiotika erforscht. Man weiß nicht nur, gegen welche Erreger Antibiotika wirksam sind, sondern auch, gegen welche nicht. Man weiß, wie und warum Bakterien resistent werden und forscht an Möglichkeiten, dieses zu unterbinden oder zumindest zu reduzieren. Diese Forschungen werden fortgesetzt.

Entwicklung von Behandlungsrichtlinien

Beobachtung und systematische Forschung führen zu einem Wissensgebäude, das ein hohes Erklärungspotenzial hat und das auch Voraussagen erlaubt: Wenn eine Infektion mit einem bestimmten Keim vorliegt, dann kann man mit einem darauf abgestimmten Antibiotikum den Körper von diesem Keim entlasten und eine Genesung erreichen.

Kurz zusammengefasst hat die Medizin eine Vorstellung von den Krankheitsursachen („Ätiologie“) und dem Mechanismus der Krankheitsentstehung („Pathogenese“). Sie hat Untersuchungsmöglichkeiten („Diagnostik“) und gezielte Behandlungsmöglichkeiten („Therapien“), die in entsprechenden Hypothesen (z.B. Entstehung und Behandlung von Infektionskrankheiten) zusammengefasst und anhand von wissenschaftlichen Studien zu einer Theorie erhärtet worden sind. Die wissenschaftliche Medizin kennt die Reihenfolge „Symptom“, „Diagnosestellung“, „Therapie“. Ein isolierter Blick auf ein einzelnes Symptom führt in der Regel zu Fehlern und Irrtümern.

Das Symptom „Fieber“ z.B. ist unspezifisch: Es kommt bei vielen Erkrankungen vor und lässt deshalb keine Rückschlüsse auf die konkrete Ursache zu. Gleiches gilt für Symptome wie „Husten“ oder „Gewichtsabnahme“. Bei der Diagnosestellung müssen die relevanten Symptome in ihrer Gesamtschau gesehen werden. Eine Tuberkulose z.B. erkennt man nicht, wenn man isoliert nur auf eines der drei oben beispielhaft genannten Symptome schaut.

Unter anderem aufgrund dieser wissenschaftlich-theoretischen Basis der Medizin sind viele Patienten so gut behandelt worden, dass die Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren deutlich zugenommen hat.[22][23]

Infektionskrankheiten aus Sicht der Homöopathie

Aus Sicht der Homöopathie gibt es überhaupt keine Infektionskrankheiten.

Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, nennt die Krankheitsursachen der chronischen Erkrankungen Miasmen. Er nennt in seinem Grundlagenwerk Organon der Heilkunst die „Syphilis“ und die „Sykosis“ als „chronisch-miasmatische“ Krankheiten. Aber „unermesslich ausgebreiteter, folglich weit bedeutender, als genannte beide, ist das chronische Miasm der Psora...“ [24]

Hahnemann hat vor der Entdeckung von pathogenen Kleinstlebewesen gelebt; er und seine Schüler konnten bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch gar nicht im Besitz unserer heutigen Erkenntnisse sein. Allerdings gab es schon die „Ansteckungstheorie“; Hahnemann muss sie gekannt haben. Er muss auch gewusst haben, dass um 1800 in Deutschland und Frankreich Pockenschutzimpfungen stattfanden. Der Erfolg der Pockenimpfung sprach auch damals schon für die Ansteckungstheorie. Hahnemanns Miasmentheorie ist nicht in der Lage, den Erfolg von Impfungen zu erklären. Dennoch hat er daran festgehalten. Die Behandlung von Infektionskrankheiten mit Globuli ist nicht kausal und nicht rational; auch Hahnemann hätte das bemerken müssen. Sein Behandlungsansatz „Ähnliches heilt Ähnliches“ zielt auf Krankheitssymptome ab, die keinerlei Rückschlüsse auf die Ursache zulassen.

In den Worten Samuel Hahnemanns:

§ 24. Es bleibt daher keine andere, Hülfe versprechende Anwendungsart der Arzneien gegen Krankheiten übrig, als die homöopathische, vermöge derer gegen die Gesammtheit der Symptome des Krankheitsfalles unter Hinsicht auf die Entstehungs-Ursache, wenn sie bekannt ist, und auf die Neben-Ursachen, eine Arznei gesucht wird, welche unter allen Umständen (durch ihre, in gesunden Menschen bewiesenen, Befindlichkeitsveränderungen gekannten) Arzneien den, dem Krankheitsfalle ähnlichsten, künstlichen Krankheits-Zustand zu erzeugen Kraft und Neigung hat.[25]

Das bis heute unveränderte Theoriegebäude der Homöopathie nimmt die Entdeckungen der letzten 100 Jahre nicht zur Kenntnis. Hahnemann und auch die heutigen Homöopathen interessieren sich nicht für Krankheitsursachen und daraus abgeleitete Therapiemöglichkeiten. Für sie zählt einzig das Symptom oder die Gesamtheit aller Symptome.

Hahnemann schreibt wörtlich:

§ 1. Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt.
Anmerkung 1) Nicht aber (womit so viele Aerzte bisher Kräfte und Zeit ruhmsüchtig verschwendeten) das Zusammenspinnen leerer Einfälle und Hypothesen über das innere Wesen des Lebensvorgangs und der Krankheitsentstehungen im unsichtbaren Innern zu sogenannten Systemen, oder die unzähligen Erklärungsversuche über die Erscheinungen in Krankheiten und die, ihnen stets verborgen gebliebene, nächste Ursache derselben u. s. w. in unverständliche Worte und einen Schwulst abstracter Redensarten gehüllt, welche gelehrt klingen sollen, um den Unwissenden in Erstaunen zu setzen, während die kranke Welt vergebens nach Hülfe seufzte. ...[26]

Anhand des unterschiedlichen Umgangs der Medizin einerseits und der Homöopathie andererseits mit den Infektionskrankheiten kann man exemplarisch die unterschiedlichen Denkansätze studieren. Die Medizin gelangt über die Symptome zur Krankheitsursache und damit -behandlung (im Falle der Infektionskrankheiten sind das die pathogenen Keime und die dazu „passenden“ Antibiotika).

In der Homöopathie haben die Symptome eine völlig andere Bedeutung. Die Medizin kann anhand des Symptommusters eine Diagnose stellen oder zumindest vermuten (z.B. führen die Symptome „Husten“, „Fieber“, „Gewichtsverlust“ und „blutiger Auswurf“ zum Verdacht auf eine Tuberkulose). Die Homöopathie benutzt das Symptommuster, um eine Arznei zu finden, die bei gesunden ein ähnliches Muster hervorruft. Selbst wenn die Idee Hahnemanns, mit Ähnlichem Ähnliches zu heilen, eine gewisse Gültigkeit hätte, so würde dieser Therapieansatz immer noch lediglich die Reaktion des Körpers auf die Infektion zum Ziel haben – eine Reaktion, die bei unterschiedlichen Patienten aber auch sehr unterschiedlich ausfallen kann und nicht pathognomonisch (= für sich allein genommen hinreichend bezeichnend) für die Krankheit ist.

Wären die Arzneimittelbilder echt, die Ähnlichkeitsvermutung zutreffend und die verwendeten Dosierungen im physikalischen Bereich, dann wäre die Homöopathie dennoch nur ein Therapieverfahren, das lediglich die Unterdrückung von Krankheitssymptomen zum Ziel hätte.

Umgekehrt sind die Immunreaktionen ebenfalls nicht spezifisch für die Krankheitsursachen. Das Symptom „Schnupfen“, eine Immunreaktion der Nasenschleimhaut, ist unabhängig von der Keimart (Viren, Streptokokken, Klebsiellen, Hämophilus-Bakterien) ziemlich ähnlich und wenig variabel. Die eingeschränkte Reaktionsfähigkeit von Geweben macht diese Reaktion für das Finden eines homöopathischen Arzneimittels unbrauchbar.

Eine Kausaltherapie kann mit der Hahnemann’schen Ähnlichkeitsregel nicht durchgeführt werden. Wer keine Bakterien kennt, für den sind Antibiotika sinnlos.

Es ist Hahnemanns Verdienst, dass er die zu seiner Zeit – vor mehr als 200 Jahren – üblichen Behandlungen („Drastica“) als schädlich erkannt und daraus die richtige Konsequenz gezogen hat – nämlich diese schädlichen Behandlungen zu unterlassen. Seine homöopathischen Arzneien hat er nach seiner Auffassung durch „Potenzierung“ (Verdünnen und Verschütteln) von sämtlichen Giften, aber auch von sämtlichen Wirkstoffen befreit, was ihm natürlich nicht bewusst war, weil er nicht die Kenntnisse der heutigen Chemie hatte.

Unsere Fragen, was Krankheiten sind, beantwortet die heutige Wissenschaft viel besser und schlüssiger als Hahnemanns Weltbild: Ein Weltbild, das die Begriffe „Miasma“ und „Psora“ enthält, muss unverständlich bleiben, wenn man nicht erklären kann oder will, was „Miasmen“ und „Psoren“ sind. Aber Hahnemann hat ja letztendlich auch das Nachfragen – und damit die medizinische Forschung – verboten (siehe oben).

Die Diffamierungen durch die heutigen Homöopathen, Antibiotika seien nur „Chemiekeulen, die Krankheitssymptome unterdrücken“ und nicht zu wirklicher Heilung führen, sind grundfalsch. Das Gegenteil ist richtig: Antibiotika bekämpfen die Ursache von Infektionskrankheiten und führen häufig zu einer kompletten und wirklichen Heilung. Sie wirken kausal und nicht nur symptomatisch: Sie wirken auf die Krankheitsursache ein; keinesfalls unterdrücken sie lediglich die Symptome.

Wie bereits beschrieben, müssen nicht alle bakteriellen Infektionskrankheiten antibiotisch behandelt werden. Unter Berücksichtigung der drohenden Gefahr durch zunehmende Resistenzentwicklung sollte aus Sicht der Medizin viel häufiger Zurückhaltung beim Einsatz von Antibiotika geübt werden, wenn es möglich ist. Und wenn medizinische Gründe im Einzelfall Antibiotika nicht erfordern, dann sind Homöopathika in eben diesem Einzelfall natürlich ebensowenig erforderlich.

Umgekehrt gibt es aber Fälle, in denen Antibiotika notwendig sind. In diesen Fällen ist der Einsatz von Homöopathika nicht nur unwirksam – er kann auch gefährlich sein, weil die Gabe notwendiger Antibiotika oftmals unterbleibt. Es ist unredlich, antibiotikumpflichtige Erkrankungen mit nicht-antibiotikumpflichtigen Erkrankungen zu vergleichen. Wenn eine Erkrankung den Einsatz eines wirksamen Medikaments nicht erfordert, dann darf sich die Homöopathie nicht dafür loben, wenn sie dennoch ein Medikament einsetzt – auch, wenn es sich um ein Medikament ohne Wirkung handelt. Der Einsatz von Homöopathika lässt die Spontanheilung unbeeinflusst. Bei harmlosen Erkrankungen gibt es zwar keine direkten Schäden durch Unterlassen. Aber der Einsatz von Homöopathika bei nicht harmlosen Erkrankungen lässt die Spontanheilung ebenfalls unbeeinflusst – und das ist eben keineswegs harmlos, denn bei ernsthaften Erkrankungen ist die Kraft der Spontanheilung oftmals nicht ausreichend. Wenn eine Spontanheilung nicht möglich ist, dann ist ein „nicht störendes“ Abwarten auf Heilung nicht nur wirkungslos, sondern gefährlich.

Dass die Heilungsquote der Medizin nicht bei 100,00% liegt, ist bekannt. Heilungsquoten, die kleiner als 100% sind, sind aber kein Versäumnis der Medizin. Die Forschung der Medizin hat eine Erhöhung ihrer Erfolgsquoten zum Ziel, und sie beendet ihre Forschung nicht, wenn ein kleiner Teilerfolg erzielt wurde. Dennoch sind die Erfolgsquoten einer antibiotischen Therapie bei Infektionskrankheiten erheblich höher als die der Homöopathie.

Auch der Vorwurf der heutigen Homöopathen, „die Medizin“ setze Antibiotika ungezielt und bei falschen Indikationen ein, ist unrichtig. Richtig ist, dass die Medizin genaue Vorstellungen davon hat, welche Antibiotika wann eingesetzt werden dürfen und wann nicht und ob sie überhaupt eingesetzt werden dürfen oder nicht.[27] Es ist nicht zu leugnen, dass Ärzte mitunter im Einzelfall gegen die Empfehlungen der Medizin handeln. Hier ist die ärztliche Weiterbildung gefordert mit dem Ziel, den ungerechtfertigten Antibiotikaeinsatz in der Human- und Tiermedizin zu beenden oder zumindest zu reduzieren. Ersatzweise in solchen Fällen Homöopathika einzusetzen, ist irrational und kann keine Lösung sein.[B 2]



Quellen- und Literaturangaben
  1. Antibiotika-Therapie in Klinik und Praxis; C. Simon und W. Stille; 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage; F. K. Schattauer Verlag Stuttgart – New York; 1973
  2. Antibiotika - Chemotherapeutika; H. Helwig; 3. Überarbeitete und erweiterte Ausgabe; Georg Thieme Verlag Stuttgart 1976
  3. 3,0 3,1 3,2 Allgemeine und systematische Pharmakologie und Toxikologie; H. H. Wellhöner; Heidelberger Taschenbücher Basistext Medizin; Springer-Verlag Berlin – Heidelberg – New York 1975
  4. 4,0 4,1 4,2 Kurzes Lehrbuch der Pharmakologie; G. Kuschinsky und H. Lüllmann; 6., überarbeitete und erweiterte Auflage; Georg Thieme Verlag Stuttgart 1974
  5. Paul Ehrlich, Schöpfer der Chemotherapie; Hans Löwe aus der Reihe Große Naturforscher; herausgegeben von H. W. Frickhinger; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1950, Band 8
  6. Sir Alexander Fleming Man of Penicillin; John Malkin; First Published by Alloway Publishing Ltd.; High Street, Ayrshire, Scotland 1981 ; Printed by Walker & Connell Ltd.; Hastings Square, Darvel Ayrshire, Scotland 1981
  7. 7,0 7,1 Zaubermoleküle: wie Medikamente, Heilkräuter, Drogen und Alltagsdrogen wirken; Susan Aldrigde - Aus dem Englischen von Dietmar Zimmer; Englische Originalausgabe Magic Molecules: how drugs work; Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom 1998; Deutschsprachige Ausgabe Birkhäuser Verlag Basel Schweiz 2000
  8. Ein Pionier, der Medizingeschichte machte, Eine Dokumentation über Prof. Dr. med. Gerhard Domagk zum 50. Jahrestag der Verleihung des Nobelpreises für Medizin; Franz-Josef Bohle, Rosemarie Alstaedter; Bayer AG Sektor Gesundheit Gesundheitspolitik; Leverkusen 1989
  9. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie; Wolfgang Forth (Herausgeber) et al.; 7., völlig neu bearbeitete Auflage; Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg – Berlin – Oxford 1996
  10. Pharmakologie und Toxikologie Arzneimittelwirkungen verstehen – Medikamente gezielt einsetzen; Heinz Lüllmann, Klaus Mohr, Lutz Hein; 17. Vollständig überarbeitete Auflage; Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York 2010
  11. Die Antibiotica, 4 Bände; Richard Brunner et al.; Verlag Hans Carl Nürnberg 1962
  12. Antibiotics Targets, Mechanisms an Resistance; Claudio O. Gualerzi, Letizia Brandi, Attilo Fabbretti, Cynthia L. Pon; Wiley-VCh Verlag GmbH & Co KGaA Weinheim 2014
  13. Lexikon der Pharmazie; S. Ebel und H. J. Roth; Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York 1987
  14. Antibiotkaresistenzen erkennen, bewerten, bekämpfen, Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts; 18.11.2008 http://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2008/23_2008.html (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  15. Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Krankenhausinfektionen und Antibiotikaresistenz, Pressemitteilung des Robert Koch Instituts; 27.08.2015 http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/FAQ/FAQ_node.html (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  16. Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich? Eine Schätzung für 2006; P. Gastmeier, C. Geffers; Originalarbeit erschienen in Dtsch med Wochenschr 2008; 133: 1111-1115 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart – New York; zitiert nach http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Nosokomiale_Infektionen/H_Berichte/Artikel_Noso_NRZ.pdf?__blob=publicationFile (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  17. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
    Infektionskrankheiten Antibiotika; http://www.infektionsschutz.de/infektionskrankheiten/behandlungsmoeglichkeiten/antibiotika/ (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  18. Antibiotika-Einsatz in Viehzucht steigt weltweit; Die WELT vom 22.03.2015; http://www.welt.de/wissenschaft/article138671830/Antibiotika-Einsatz-in-Viehzucht-steigt-weltweit.html (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  19. Antibiotika
    Die resistente Industrie
    ; brand eins Wirtschaftsmagazin; Ausgabe 11/2015 http://www.brandeins.de/archiv/2015/oekonomischer-unsinn-/antibiotika-die-resistente-industrie/ (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  20. Bakterien schlagen mit voller Wucht zurück; Die WELT vom 22.06.2014; http://www.welt.de/gesundheit/article129339819/Bakterien-schlagen-mit-voller-Wucht-zurueck.html (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  21. Mitteilung des "Bundesinstituts für Risikobewertung" (BfR) vom 02.11.2015 http://bfr.bund.de/de/presseinformation/2015/32/einsatz_von_antibiotika_in_der_landwirtschaft_ruecklaeufig__antibiotikaresistenzen_stagnieren-195493.html (aufgerufen am 21. Mai 2016)
  22. Newsletter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung vom 13.09.2006 http://www.berlin-institut.org/newsletter/Newsletter_13_09_2006.html (aufgerufen am 22. Mai 2016)
  23. "1900−2000: Das Jahrhundert der gewonnenen Lebensjahre" (Statistik des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller e.V., Berlin) http://www.vfa.de/download/kap1-lebensjahre.pdf (aufgerufen am 22. Mai 2016)
  24. Organon der Heilkunst; Samuel Hahnemann; Narayana Verlag Kandern; 7. Auflage 2015; Nachdruck der Originalausgabe der 6. Auflage, herausgegeben 1921 von Richard Haehl, Zitat § 80, Seite 133
  25. Organon der Heilkunst; Samuel Hahnemann; Narayana Verlag Kandern; 7. Auflage 2015; Nachdruck der Originalausgabe der 6. Auflage, herausgegeben 1921 von Richard Haehl, Zitat § 24, Seite 79
  26. Organon der Heilkunst; Samuel Hahnemann; Narayana Verlag Kandern; 7. Auflage 2015; Nachdruck der Originalausgabe der 6. Auflage, herausgegeben 1921 von Richard Haehl, Zitat § 1, Seite 63
  27. S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus; AWMF-Registernummer 092/001 http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/092-001l_S3_Antibiotika_Anwendung_im_Krankenhaus_2013-verlaengert.pdf (aufgerufen am 29. Januar 2017)


Anmerkungen und Originalzitate
  1. Unabhängig von der Suche nach Substanzen, die für pathogene Keime giftig sind, für uns Menschen aber nicht, sind auch Impfungen entwickelt worden, die das Immunsystem des menschlichen und tierischen Körpers in die Lage versetzen, viel wirksamer auf die Keimbelastung zu reagieren.

  2. Weiterführende Literatur:
    Spektrum der Wissenschaft, Lexikon; http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/antibiotika/4027 (aufgerufen am 21. Mai 2016)

    Aus Sicht eines Pharmaunternehmens:
    https://mein.sanofi.de/Therapiegebiete/Infektionen/Bakterielle-Infektionen-und-Antibiotika (aufgerufen am 21. Mai 2016)

    Aus Sicht der Wirtschaft:
    Antibiotika
    Die resistente Industrie; brand eins Wirtschaftsmagazin; Ausgabe 11/2015
    http://www.brandeins.de/archiv/2015/oekonomischer-unsinn-/antibiotika-die-resistente-industrie/ (aufgerufen am 21. Mai 2016)