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Branchenverbände (Deutschland)
Der Artikel gibt einen Überblick über den Markt für pharmazeutische Produkte in der Bundesrepublik (Herstellerstruktur, Beschäftigtenzahl, Umsatz). Separate Kapitel widmen sich den wichtigsten Branchenverbänden. Die größten Hersteller homöopathischer Präparate sind Mitglied in den beiden größten Branchenverbänden BAH und BPI. Deren öffentliches und politisches Engagement zugunsten der Homöopathie wird dargestellt. Kritik wird von keinem Verband geäußert.
Weitere Artikel behandeln die Branchenverbände der Pharmaindustrie in Österreich und der Schweiz.
Inhaltsverzeichnis
Die Pharmaindustrie in Deutschland
Nach gemeinsamen Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Verbands der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) hat Deutschland die nach Mitarbeiterzahl größte, nach Umsatz und Forschungsaufwendungen zweitgrößte Pharmaindustrie in Europa,[1] leider ohne genaue Eingrenzung des Begriffs „Pharmaindustrie“. Angegeben werden für Deutschland im Jahr 2017 rund 117.000 Beschäftigte und 49 Mrd. Euro Umsatz, davon 32,5 Mrd. Euro im Export.[2] Nach Angaben des vfa war die Bruttowertschöpfung 2016 von über 140.000 Euro je Mitarbeiter die höchste aller Industriezweige in Deutschland.[3] Mit Stand 2016 seien auch die Investitionen je Beschäftigtem mit 18.300 Euro und die Forschungsausgaben je Beschäftigtem mit 34.000 Euro jeweils die höchsten aller Branchen,[4][5] was u. a. mit der hohen Fehlschlagquote bei der Entwicklung neuer Medikamente begründet sein könnte.[B 1] Dafür spricht, dass 22 % des Pharmaumsatzes mit „Produktneuheiten“ erwirtschaftet würden, während dies z. B. im Automobilbau 51 % seien.[6]
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) nennt in seiner seit 1972 erscheinenden Jahresstatistik die Zahl von 580 pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland für das Jahr 2016, bei denen die deutschen Niederlassungen multinationaler Konzerne mitgezählt sind.[7] Fast alle (92 %) haben weniger als 500 Beschäftigte, knapp die Hälfte (285) weniger als 20. Im Jahr 2016 waren lt. Pharma-Daten 2018 des BPI 130.902 Personen in Unternehmen beschäftigt, die pharmazeutische Erzeugnisse herstellen.[8] Wie laut IW und vfa investierte auch laut BPI „kein Industriezweig mehr in Forschung und Entwicklung (F&E) als die Pharma-Branche“, nämlich 14 % ihres Umsatzes aus eigenen Erzeugnissen.[9]
Weitere Daten zum deutschen Markt für Arzneimittel allgemein und Homöopathika im Speziellen siehe Artikel Marktzahlen (Deutschland).
Die pharmazeutische Industrie in Deutschland ist in mehreren Branchenverbänden mit unterschiedlicher Größe und Schwerpunktsetzung organisiert. Diese bilden keinen nationalen Dachverband und sind auch in Europa in unterschiedlichen Zusammenschlüssen engagiert. Zwei der Verbände haben Hersteller homöopathischer und anderer „komplementärmedizinischer“ Präparate unter ihren Mitgliedern und vertreten mithin auch deren Interessen gegenüber Öffentlichkeit und Politik, z. B. hinsichtlich der gesetzlichen Ausnahmeregelungen bei Wirksamkeitsnachweis und Zulassung (Binnenkonsens) sowie der Apothekenpflicht für deren Produkte.
Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH)
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. ist die Interessenvertretung von rund (Stand Februar 2020) 380 Mitgliedsfirmen und -organisationen. Der Verbandssitz ist Bonn, der Hauptstandort sowohl des Bundesministeriums für Gesundheit als auch des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In Berlin gibt es eine Geschäftsstelle. Neben wenigen Branchengrößen wie etwa Boehringer und den deutschen Niederlassungen z. B. von Novartis, Sanofi-Aventis und GlaxoSmithKline sind vor allem mittelständische und kleine Unternehmen Mitglied im BAH.[10]
Nach eigener Aussage ist der BAH …
… der mitgliederstärkste Verband der Arzneimittelindustrie in Deutschland. Zu seinen Mitgliedern zählen in erster Linie Arzneimittel-Hersteller (ordentliche Mitglieder), aber auch Apotheker, Rechtsanwälte, Verlage, Agenturen sowie Markt- und Meinungsforschungsinstitute im Gesundheitsbereich (außerordentliche Mitglieder).[10]
Der BAH hat (Stand Februar 2020) 275 „ordentliche“ und 105 „außerordentliche“ Mitglieder.[10] Im BAH sind neben einigen Herstellern homöopathischer Präparate wie DHU, Heel, Wala und Weleda z. B. auch die Deutsche Akademie für Homöopathie und Naturheilverfahren e. V., ein privates Institut in Celle.[11]
Der BAH hat (Stand Februar 2020) rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich neben der Geschäftsführung in elf Abteilungen und Stabsstellen in Bonn und Berlin gliedern.[12] Auffällig im Organigramm bis 2019 war, dass es neben den für eine politische Interessenvertretung und die Verbandsarbeit typischen Bereichen nur eine Organisationseinheit gab, die nach einer Produktgruppe benannt war: Die Abteilung Pflanzliche und Homöopathische Arzneimittel in Bonn mit zwei Fachpersonen für „Pflanzliche und Homöopathische Arzneimittel“ und für „Homöopathische und Anthroposophische Arzneimittel“, zusammengenommen also die Präparate der Besonderen Therapierichtungen. Zwischenzeitlich wurde diese mit einer anderen zur Abteilung Besondere Therapierichtungen und Pharmazeutische Technologie/GMP mit nunmehr zwei Referenten Homöopathische und Anthroposophische Arzneimittel zusammengelegt.[13][B 2] Die explizite Zuständigkeit für die Pflanzenmedizin ist verschwunden. Gleichwohl genießt dort nach wie vor keine andere Produktgruppe, deren Hersteller im BAH organisiert sind, diese Aufmerksamkeit.
Entsprechend wohlwollend äußert sich der BAH in seiner Öffentlichkeitsarbeit zugunsten der Interessen der Homöopathiehersteller unter seinen Mitgliedern, z. B. in Gestalt von Pressemitteilungen zum Ende der Homöopathieerstattung in Frankreich,[14] zur Beliebtheit und Verträglichkeit homöopathischer Präparate[15] oder zu deren Qualität und Sicherheit.[16] Auf der Website des BAH gibt es eine Themenseite für Homöopathie und Anthoposophie.[17] Des Weiteren gibt der BAH diesbezügliche Positionspapiere heraus[18] und betreibt eine eigene pro-Homöopathie-Website,[19][B 3] die auch mindestens ein professionell produziertes Video veröffentlicht hat.[20] Dieses hatte allerdings (Stand Mitte Februar 2020) im Laufe von ca. vier Jahren erst knapp 1.700 Aufrufe erzielt.
Der BAH vertritt die Apothekenpflicht für Homöopathika[21] und schreibt, sie trage dazu bei, …
… dass Patienten in Bezug auf Homöopathika immer eine umfassende heilberufliche Beratung erhalten könnten (…) Die Apothekenpflicht sollte daher als Garant für die Patientensicherheit in jedem Fall beinhalten werden.“ (Schreibfehler im Original)[22]
Dem steht entgegen, dass Homöopathika und andere rezeptfreie Präparate bei Versandapotheken ohne jede Rückfrage bestellt werden können[23][24] und dass die Beratungsqualität in Präsenzapotheken mitunter deutlich kritisiert wird.[25][26][27][28]
In der 2019 bis zu einer vorläufigen Entscheidung durch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geführten öffentlichen Debatte um die Erstattungsfähigkeit homöopathischer Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen hatten sich BAH wie BPI deutlich dafür ausgesprochen.[29]
Der BAH ist nicht Mitglied des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).[30] Auf europäischer Ebene ist der BAH Mitglied der Association of the European Self-Medication Industry (AESGP).[31][32] Auf weltweiter Ebene arbeitet der BAH „im Weltverband der Arzneimittel-Hersteller“ WSMI (World Self-Medication Industry) mit.[31]
Der BAH gibt jährliche Markstatistiken heraus.[33]
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI)
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. mit Sitz in Berlin und Büro in Brüssel hat (Stand Februar 2020) 263 Mitgliedsunternehmen und -organisationen, die in sechs Landesverbänden organisiert sind.[34] In der Mitgliederliste wird ein zusätzlicher „Landesverband Ausland“ mit vier Mitgliedern aus Ungarn, der Schweiz und Großbritannien genannt.[35] Der BPI ist (Stand Februar 2020) in 23 Geschäftsfelder gegliedert,[36] die wie beim BAH die Lobby- und die Verbandsarbeit widerspiegeln. Vier dieser Geschäftsfelder widmen sich ausgewählten Produktgruppen. Dies sind neben biologischen, pflanzlichen und Tierarzneimitteln die „Homöopathika/Anthroposophika“. Die Website äußert sich dazu unmissverständlich:
Homöopathika/Anthroposophika (…) sind ein wichtiger Bestandteil einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Gesundheitsversorgung. Klinische Studien belegen relevante Verbesserungen bei verschiedenen Indikationen (…) Der BPI fordert, dass Homöopathika/Anthroposophika auch in Zukunft als Satzungsleistungen von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden können und diese Arzneimittel apothekenpflichtig bleiben.[36]
Wie der BAH hat auch der BPI Mitglieder, die keine Pharmahersteller sind, trifft aber keine Unterscheidung zwischen „ordentlichen“ und „außerordentlichen“ Mitgliedern. Und wie der BAH hat auch der BPI Hersteller homöopathischer Präparate wie DHU, Heel, Wala und Weleda als Mitglieder. Dementsprechend nimmt auch der BPI öffentlich Stellung zugunsten der Homöopathie[37] und wirbt für die Mitgliedschaft von „Unternehmen aus dem Bereich (…) der pflanzlichen Arzneimittel wie auch der Homöopathie und Anthroposophie“,[38] also der vom Binnenkonsens privilegierten Hersteller.
Als Beispiele für die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit seien hier genannt die gemeinsam mit dem BAH herausgegebene Pressemitteilung[39] zur Mitte 2019 beschlossenen Abschaffung der Kassenerstattung für homöopathische Präparate in Frankreich („auf Deutschland nicht übertragbar“) sowie die positive Stellungnahme[40] zur in der Ärzteschaft umstrittenen[B 4] Zusatzbezeichnung Homöopathie, in der der „Pluralismus in der Medizin“ und die „Therapievielfalt“ beschworen werden, dies aber nur für „entsprechend aus- und weitergebildete Mediziner“ gelten soll, z. B. die Heilpraktikerschaft also davon ausschließt. Der BPI tritt für die Apothekenpflicht für homöopathische Präparate ein („Apothekenpflicht schützt Patienten“).[41]
Besonders scharf war die Kritik des BPI[42] an der Veröffentlichung „Homeopathic products and practices“ des European Academies Science Advisory Council (EASAC),[43] dem Spitzenverband nationaler Wissenschaftsakademien von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Norwegens und der Schweiz. Darin werden einheitliche Maßstäbe hinsichtlich der Nachweise für Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, für die Zulassung und hinsichtlich der Kennzeichnung für alle pharmazeutischen Produkte empfohlen und die jeweiligen Ausnahmeregelungen zugunsten der Homöopathie kritisiert. Der BPI tritt den Argumenten des EASAC im Interesse einiger weniger Mitgliedsunternehmen, deren Produkte nicht den strengen gesetzlichen Auflagen hinsichtlich Wirksamkeitsnachweisen, Zulassung und Kennzeichnung unterliegen, nicht einzeln entgegen. Seine Stellungnahme versucht stattdessen, den EASAC als irrelevant zu diskreditieren, beruft sich auf das EU-Recht, das der EASAC explizit kritisiert, argumentiert mit Beliebtheit, Therapiefreiheit, Arzneimittelsicherheit, falschen Vorstellungen über Placebo-Effekte und anderen bekannten Argumenten, auch aus der Tierhomöopathie, nicht aber mit Wirksamkeit, und polemisiert gegen die NHMRC-Studie von 2015. Gleich auf Seite 1 erklärt die Interessenvertretung einer ganz besonders auf Wissenschaft und Forschung beruhenden Branche ihr „Ziel (…), die Kritik an (…) wissenschaftlichen Argumenten gegen homöopathische Produkte zu stärken“ (Hervorhebungen: Homöopedia). Für eine detaillierte Würdigung siehe das Kapitel „Kritik des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie“ im Hauptartikel EASAC-Untersuchung und Empfehlungen zur Homöopathie.
Der BPI ist Mitglied[44] im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)[30] und im Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI)[45] in Frankfurt. Auf internationaler Ebene ist der BPI Mitglied in der European Confederation of Pharmaceutical Entrepreneurs (EUCOPE) in Brüssel.[44][46]
Der BPI gibt jährliche Marktstatistiken heraus.[47]
Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa)
Der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) e. V. (Eigenschreibung der Abkürzung in Kleinbuchstaben) mit Sitz in Berlin hat rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter[48] und ist neben Präsidium und Geschäftsführung in acht Ausschüssen und einer Interessengruppe Biotechnologie im vfa organisiert.[49]
Der vfa hat (Stand Februar 2020) 45 überwiegend große deutsche und internationale Mitgliedsunternehmen,[50] darunter keine aus dem Bereich der „Besonderen Therapierichtungen“.[B 5] Das Wort „Homöopathie“ erscheint auf der Website des vfa nur in gemeinsamen Pressemitteilungen mit dem BPI in dessen Kurzporträt und in der Berichterstattung über eine Gesetzesänderung Anfang 2019, derzufolge Medikamentenpackungen mit Packungsnummern und einem Erstöffnungsschutz zu versehen, Homöopathika davon aber ausgenommen sind. Der Begriff „Anthroposophie“ findet sich ebenfalls nur im Zusammenhang mit dem BPI.[51]
Pro Generika
Der Verband Pro Generika e. V. vertritt die Interessen von (Stand Februar 2020) 16 Herstellern[52] von Generika und Biosimilars, d. h. von wirkstoffgleichen oder -ähnlichen Nachahmungen chemisch oder biologisch hergestellter Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist. Nach Angaben des Verbands deckten Generika- und Biosimilarunternehmen (Stand 2016) 78 Prozent des gesamten Arzneimittelbedarfs der gesetzlichen Krankenkassen. Der Anteil der Mitgliedsunternehmen daran betrage 50 Prozent nach Absatz und 14 Prozent nach Umsatz.[52]
Da Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen bei Homöopathika nicht möglich und Generika daher kein Thema sind, ist keiner deren Hersteller Mitglied dieses Verbands.
Die Suche nach „Homöopathie“ auf der Website von Pro Generika ergab einen Treffer (Stand Februar 2020).[53] Berichtet wird darin über die europaweite Inbetriebnahme eines IT-gestützten Kennzeichnungs- und Kontrollsystems zur Abwehr von Arzneimittelfälschungen, von dem einige Produktgruppen ausgenommen sind. Darunter explizit „Homöopathie-Medikamente“, aber auch fast alle nicht rezeptpflichtigen Medikamente.[54] Die Suche nach „Anthroposophie“ bzw. dem Wortstamm „Anthro“ auf der Website von Pro Generika blieb ohne Ergebnis.
Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie
Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. mit Sitz in Berlin wurde 2004 von Mitgliedern des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) gegründet und hat inzwischen (Stand Februar 2020) 56 „namhafte“ Mitgliedsunternehmen.[55] Nach eigenen Angaben setzt der Verein „Maßstäbe für Ethik und Transparenz in der Pharmaindustrie“, er „überwacht die korrekte Zusammenarbeit von pharmazeutischen Unternehmen und Ärzten, Apothekern sowie weiteren Angehörigen der medizinischen Fachkreise und den Organisationen der Patientenselbsthilfe“, um „eine unlautere Beeinflussung von Ärzten und Patientenorganisationen“ auszuschließen.
Keiner der Hersteller von Homöopathika in Deutschland ist Mitglied des FSA.[56] Die Suche nach „Homöopathie“ und „Anthroposophie“ oder nach deren Wortstämmen auf der Website des FSA erbrachte keine Treffer.[57]
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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