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C-Potenzen
In der Homöopathie werden die homöopathischen Mittel in verschiedenen „Stärkegraden“ verabreicht. Diese unterschiedlichen Formen eines homöopathischen Mittels werden Potenzen genannt. Den Vorgang der Herstellung der „Potenzen“ nennen die Homöopathen „Potenzieren“. Er besteht aus Verdünnungs- und Verschüttelungsschritten, die mehrfach nacheinander durchgeführt werden.
Der Name C-Potenz ist eine Abkürzung für Centesimal-Potenz. Er bezieht sich auf den jeweiligen Verdünnungsschritt, der in jeder Stufe im Verhältnis 1:100 („centesimal“) erfolgt. In der C-Potenzreihe erhält die neue Lösung nach jeder Verdünnung zehn Schüttelschläge zur „Dynamisierung“.
Inhaltsverzeichnis
Definitionen
Jede Potenzstufe ist durch eine Zahl gekennzeichnet, die die Anzahl der Verdünnungs- und „Dynamisierungs“-Schritte benennt. Aus mathematischer Sicht ist diese Kennzahl der Logarithmus der Verdünnung zur Basis 100. Bezogen auf die „Dynamisierung“ gibt die Zahl an, wie viele Zehnerserien an Schüttelschlägen bei der Herstellung für die entsprechende Potenzstufe aufgewendet wurden. Norbert Aust rechnet in seinem Buch[1] vor, dass die Zahl der „aufgewendeten Schüttelschläge“ nicht der Zahl der in der Lösung „enthaltenen Schüttelschlägen“ entspricht, denn vor jeder neuen Zehnerserie an Schüttelschlägen werden durch den Verdünnungsprozess jeweils 99 % der zuvor schon verschüttelten Lösung verworfen. Mit zunehmender Potenzstufe bleibt die Zahl der „enthaltenden Schüttelschläge“, also die Zahl der Schläge, die die Lösung durchschnittlich im Laufe des gesamten Vorganges abbekommt, trotz der mehr aufgewendeten Schläge bei nur knapp über 10. Der jeweilige durchschnittliche Zuwachs an Schüttelschlägen nähert sich von Potenzstufe zu Potenzsstufe asymptotisch der Null.
(siehe hierzu auch Hauptartikel Potenzieren)
Stufe | Verdünnung | „Dynamisierung“ | |
C1 | 1:1001 = 1:100 (1+99) | 1 x 10 = | 10 Schüttelschläge |
C2 | 1:1002 = 1:10.000 | 2 x 10 = | 20 Schüttelschläge |
C3 | 1:1003 = 1:1.000.000 | 3 x 10 = | 30 Schüttelschläge |
... | ... | ... | |
C30 | 1:10030 | 30 x 10 = | 300 Schüttelschläge |
... | ... | ... | |
C100 | 1:100100 | 100 x 10 = | 1.000 Schüttelschläge |
C200 | 1:100200 | 200 x 10 = | 2.000 Schüttelschläge |
C1.000 = M | 1:1001.000 | 1.000 x 10 = | 10.000 Schüttelschläge |
C2.000 | 1:1002.000 | 2.000 x 10 = | 20.000 Schüttelschläge |
C10.000 = XM | 1:10010.000 | 10.000 x 10 = | 100.000 Schüttelschläge |
C100.000 = CM | 1:100100.000 | 100.000 x 10 = | 1.000.000 Schüttelschläge |
C1.000.000 = MM | 1:1001.000.000 | 1.000.000 x 10 = | 10.000.000 Schüttelschläge |
Die dargestellten Potenzen entsprechen der Kent’schen Reihe.[2]
In Hahnemanns Frühphase, des Erfinders der Homöopathie, wurden die Verdünnungsgrade zunächst in Bruchform dargestellt: 1/800.000 oder 1/24.000.000.[3] Später wurden dann die Verdünnungsgrade in Worten beschrieben:
- hundertfach = C1
- zehntausendfach = C2
- billionfach = C6
- trillionfach = C9
- quadrillionfach = C12
- quntillionfach = C15
- sextillionfach = C18
- septillionfach = C12
- decillionfach = C30
- hundertfach = C1
Hintergrundinformation C30 |
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Hahnemann nannte die C30 auch „X“ (römische Zahl für 10) für „decillionfache Verdünnung“. Eine Decillion ist eine Million, die zehnmal (decem) mit sich selbst multipliziert wird. Eine Million hat 6 Nullen rechts von der 1, eine Decillion entsprechend 60 Nullen (10 mal 6) rechts von der 1. Eine decillionfache Verdünnung, will man sie in 10er Schritten (decimal) erstellen, erfordert 60 Schritte (pro Schritt eine weitere Null rechts von der 1). Man erhält eine „D60“ (entsprechend 1:1060). Will man die Verdünnung in 100er Schritten (centesimal) erreichen, dann benötigt man „nur“ 30 Schritte (pro Schritt eine Doppelnull rechts von der 1). Eine decillionfache Verdünnung entspricht also einer D60 bzw. einer C30. |
Heute verwendet man zur Bezeichnung der Potenzstufe die oben dargestellten Kennungen. Wichtig für die tatsächliche pharmakologische Wirkung ist die Frage, ob und wieviele Moleküle der Ausgangssubstanz in der Arzneiform (Tropfen, Globuli) enthalten sind.
Mit Entdeckung der Avogadro-Konstanten oder Loschmidt-Konstanten ist die Frage leicht zu beantworten.
Hintergrundinformation zur Avogadro-Konstanten |
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Johann Loschmidt bestimmte 1865 erstmals die Größe der Luftmoleküle und berechnete daraus die nach ihm benannte Konstante.[4] Die Loschmidt-Konstante kann in die Avogadro-Konstante umgerechnet werden. Diese gibt an, wieviele Moleküle in einem Mol enthalten sind: 6,022.140.857 x 1023 Moleküle sind in einem Mol vorhanden.[4] Ein Mol ist die Stoffmenge in Gramm, die das Atom- bzw. Molekülgewicht angibt. Beispiel: |
Oberhalb der genannten Grenzverdünnung von C12 entsprechend 1:1024 – der Avogadrogrenze – enthält die Arznei mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Wirkstoffmolekül mehr. Hahnemann konnte das nicht wissen: Er starb am 2. Juli 1843 in Paris,[5] 22 Jahre vor der Bestimmung der Avogadrogrenze.
Weitere Entwicklungen
Entwicklung bei Hahnemann
Hahnemann begann in seiner Anfangszeit mit C-Potenzen in Tropfenform („médicaments a la goutte“)[6] die er zunächst als Tiefpotenzen (also mit kleiner Stufenzahl) einsetzte. Im Verlauf von zwanzig Jahren kam er zu immer höheren Potenzstufen, wobei er die „C30“ zunächst für die angemessenste Stufe hielt.[7] Bei C30 habe Hahnemann eine Grenze gesehen, deren Überschreitung zu keiner weiteren Abschwächung der Nebenwirkungen führe.[8]
In der 5. Auflage des Organons gibt Hahnemann zudem nur zwei Schüttelschläge pro Potenzstufe 1:100 vor.[9][10] Später hat Hahnemann auch zehn Schüttelschläge pro Potenzstufe erlaubt. Heute sind zehn Schüttelschläge pro Potenzstufe Standard.[10]
Hahnemann konnte sich die Wirkung einer derart hoch verdünnten Potenz nicht erklären. Er schrieb:
Ich fordere gar keinen Glauben dafür und verlange nicht, dass dies jemandem begreiflich sei. Auch ich begreife es nicht; genug aber, die Tatsache ist so und nicht anders. Bloß die Erfahrung sagt’s, welcher ich mehr glaube als meiner Einsicht. [11]
Korsakow-Potenzen
Aber Hahnemanns Entwicklung ging weiter. Um die Wirkung zu verbessern und Eigenschaften wie „Wirkeintritt“, „Wirkdauer“, „Wirkungsbreite“, „Wirkungsstärke“ und „Milde“ zu modellieren, wurden später höhere Potenzstufen benötigt bis hin zur C200 und zur C1.000. Dabei nahmen Hahnemann und seine Schüler unterschiedliche Entwicklungen. Hahnemann erfand die Q-Potenzen („médicaments au globule“, „50.000er Potenzen“, „LM-Potenzen“), während andere Homöopathen weiterhin den C-Potenzen zugewandt blieben.
Hahnemanns Vorschriften für die Potenzierung hatten einen Nachteil, der bei hohen Potenzstufen immer deutlicher wurde: Für jede neue Potenz wird ein neues Glas verwendet (Mehrglas-Methode).
Die Herstellung hoher Potenzstufen ist bei diesem Mehrglas-Verfahren mit einem großen Zeit- und Materialaufwand verbunden.[12] Dieser Nachteil hat Semjon Nikolajewitsch Korsakow (1787 bis 1853)[B 1] – laut Jost Künzli von Fimelsberg schrieb er sich selbst „Korsakof“[13] – veranlasst, eine neue Potenzierungsmethode zu erfinden: Die Einglas-Methode.
Bei der Einglas-Methode nach Korsakow wird ein Gläschen mit etwa 15 ml Fassungsvermögen verwendet, das nach dem Potenzierungsschritt mit einem „kräftigen Armschlag“ entleert wird. Nach der so durchgeführten Entleerung verbleibt etwa 1 Tropfen (entsprechend 1 Gran, etwa 62 mg) durch Adhäsion an der Flaschenwandung. Danach wird die Flasche mit 99 Tropfen – also 99 Gran – Verdünnungsmittel (Eiswasser; beim letzten Schritt hochprozentiger Alkohol von 86 %) wieder aufgefüllt und durch Schüttelschläge „dynamisiert“. Danach wird der Vorgang wiederholt, bis die gewünschte Potenzstufe erreicht ist.[14]
Zur Unterscheidung der Hahnemann’schen und Korsakow’schen Potenzen wird ein weiterer Kennbuchstabe – H für Hahnemann und K für Korsakow – eingeführt. Eine Potenz CH200 ist also nach dem Mehrglasverfahren, eine Potenz CK200 nach dem Einglasverfahren hergestellt worden. Korsakow-Potenzen werden oft auch als K-Potenzen und Hahnemann-Potenzen als H-Potenzen bezeichnet; beide Bezeichnungen implizieren, dass es sich um C-Potenzen handelt.
Für hohe Potenzstufen hat der New Yorker Homöopath Bernhardt Fincke (1821 – 1906) im Jahre 1868 ein maschinelles Verfahren zur Herstellung von Korsakow-Potenzen erfunden. Eine verbesserte Maschine wurde 1873 vorgestellt. Sie schaffte es, 100 Potenzstufen in einer Minute herzustellen.[15]
Der Hersteller Remedia teilt mit, er setze ab der C200 eine eigens dafür entwickelte Potenziermaschine ein. Ab der C200 wechsele Remedia also von der Hahnemann’schen Mehrglasmethode zur Korsakow’schen Einglasmethode. Die Potenziermaschine von Remedia „dynamisiere“ die Arzneien durch Federkraft, wobei die Schlagintensität der eines kräftigen Männerarms entspreche. Zur Vermeidung „schädlicher Magnetfeld-Einflüsse“ werde die Maschine mit Druckluft betrieben. Die Steuerung der Anlage erfolge über einen PC.
Für einen Centesimalschritt benötige diese Potenziermaschine 24 Sekunden. Die Herstellung einer C1.000 erfordere einen Herstellungsprozess von 6,66 Stunden Dauer. Eine C10.000 sei in knapp 3 Tagen fertiggestellt und eine C1.000.000 („MM“) benötige 10 Monate zur Herstellung.[16]
Fluxionspotenzen
Für sehr hohe Potenzen verwendet man sogenannte Fluxionspotenzen, die in einer eigens dafür entwickelten Anlage hergestellt werden: Die Ausgangssubstanzen werden mit fließendem Lösungsmittel verdünnt und potenziert. Dieser Prozess wird als „Fluxion“ bezeichnet. Das Verfahren begründet sich auf Finckes Prinzip. Fincke[15] hatte erkannt, dass die starke Verwirbelung, die beim Zufügen der Potenzierflüssigkeit im Potenzierflacon entsteht, einer Verschüttelung gleichkommt. Daraufhin konstruierte Fincke zwei Apparate nach diesem Prinzip zur Herstellung sehr hoher Potenzen.[17]
Samuel Swan (1814 – 1893) hat das Fluxionsprinzip von Bernhardt Fincke in zwei Punkten abgewandelt. Er misst den Durchfluss mit für damalige Verhältnisse genauen Uhren, und er presst das Wasser durch eine Düse. Die beim Durchpressen der Potenzierflüssigkeit durch die Düse entstehenden Verwirbelungen sorgen für eine intensive Durchmischung. Swan nutzt diese Verwirbelung als „Dynamisation“.[18]
Beim Verfahren nach Lock werde die Ausgangssubstanz mit der „Dilutierflüssigkeit“ unter Verwendung eines elektrisch angetriebenen Rührstabes aus Glas zur „Dynamisierung“ potenziert. Dabei werde die Flüssigkeit sehr intensiv gerührt (je nach Hersteller 2.400 bis 15.000 U/min). Das Maß des Potenzierungsgrades stelle dabei die Anzahl der Rührstabumdrehungen sowie das Volumen der durchgeflossenen Arzneiträgerflüssigkeit dar. Mit dieser Apparatur werden in einer Minute 300 Potenzschritte, oder in 24 Stunden 432.000 Potenzstufen erreicht.[19][20]
Zum Vergleich: Während die Korsakow-Potenzierungsmaschine für eine Potenzstufe 24 Sekunden benötigt, ist die Fluxions-Potenziermaschine nach Lock mit 0,2 Sekunden pro Potenzstufe 120 mal schneller.
Fluxionspotenzen werden mit der Kennung FC („fluxion continuous“) versehen. Bei einer Potenz mit der Bezeichnung „FC1M“ hat das Arzneimittel 1.000 mal das Volumen des Potenzierfläschchens durchlaufen. Von der Firma Remedia werden Potenzstufen von FC500 bis FC100.000 angeboten.[21]
Vergleichbarkeit
Gibt es Unterschiede zwischen Mehrglas- und Einglaspotenzen? Wenn ja: Wie sind sie zu beziffern?
Es gibt verschiedene Korrespondenztabellen unterschiedlicher Autoren. Berechnungen zur Vergleichbarkeit wurden von Berné und Chavanon durchgeführt.[7] Umrechnungstabellen wurden von Dr. Paul Chavanon, Homöopath und HNO-Arzt in Paris (1898 – 1962)[22] und Dr. Pierre Schmidt aus Genf (1894 – 1987)[23] aufgestellt.[24]
Dr. Paul Chavanon (Paris) | Dr. Pierre Schmidt (Genf) | Hahnemann | D-Potenzstufen |
CK1, CK2, CK3 | CK1, CK2, CK3 | CH1, CH2, CH3 | D2, D4, D6 |
CK6 | CK6 | CH4 | D8 |
CK8 | CK30 | CH5 | D10 |
CK12 | CK100 | CH6 | D12 |
CK30 | CK200 | CH7 | D14 |
CK60 bis CK70 | CH8 | D16 | |
CK100 | CK1.000 | CH9 | D18 |
CK10.000 | CH12 | D24 | |
CK50.000 | CH18 | D36 |
Kritik innerhalb der Homöopathie an der Vergleichbarkeit
An Glas- und Kunststoffwandungen können Moleküle oder Ionen aufgenommen oder abgegeben werden. Gerade im Hochpotenzbereich können dort erhebliche Abweichungen zu den theoretischen Werten auftreten. Haas hat 1949 bei Untersuchungen an D-Potenzen folgende Merkmale homöopathischer Konzentrationsverläufe gefunden:[25]
- Aufgrund von Adsorptionseffekten[B 2] führt die Mehrglasmethode zu einer Konzentrationsverringerung gegenüber den theoretischen Werten.
- Die Einglasmethode führt zu einer Konzentrationserhöhung gegenüber den theoretischen Werten.
- Das Ausmaß des Adsorptionseffektes ist von der Art des potenzierten Arzneirohstoffes abhängig. ...
- Wird während der Potenzierung das Lösungsmittel gewechselt, z.B. durch Anwendung verschiedener Alkoholkonzentrationen, so können sich aufgrund der Unterschiede der Oberflächenspannungen deutliche Veränderungen der Konzentrationsverhältnisse ergeben.
- Die Konzentrationsabweichungen nehmen mit der Potenzhöhe zu.
- Die absoluten Werte der Konzentrationsabweichungen sind bei Einglaspotenzen höher als bei der Mehrglaspotenz.
Kritzler-Kosch hält Korsakow-Potenzen bis CK1.000 nicht für Hochpotenzen.[26] Eine CK1.000 – entsprechend CH9 – sei durchaus noch keine Potenz jenseits der Loschmidt-Konstante. Korsakow-Potenzen seien im Vergleich zu Hahnemann-Potenzen schwächer: Selbst bei hohen Kennzahlen der K-Potenzen seien die entsprechenden Kennzahlen der H-Potenzen noch niedrig.[7]
Chavanon sei – zitiert nach Kritzler-Kosch – der Meinung, man könne die verschiedenen Potenzierungsverfahren nicht vergleichen und es sei falsch, das zu tun. Die Korsakow-Potenzen seien wirksamer als die Hahnemann-Potenzen („plus actives“). Es gehe etwas auf der Flaschenwand bei dem Einglasverfahren vor, was bei der Mehrglasmethode verloren ginge.[26]
Auch Pierre Schmidt schreibt, die Hahnemann’schen und die Korsakow’schen Potenzen seien nicht wesensgleich. Eine dreißigste Hahnemann sei nicht dasselbe wie eine dreißigste Korsakow. Über den Wert dieser Potenzstufen könne man keine Berechnungen anstellen.[27]
Brunner zitiert Arbeiten von Leeser und Janner, die bereits 1953 unter Verwendung von radioaktivem Phosphor nachgewiesen hätten, dass bei einer Potenzierung nach dem Korsakow’schen Einglasverfahren die Radioaktivität zwischen den Potenzen D6 und D12 kaum abnehme. Es lasse sich sogar bis zu einer Potenzstufe von C2.000 noch Radioaktivität nachweisen, was durch Adhäsionsvorgänge an der Glaswandung erklärbar sei.[14]
Karl Kötschau (1892 – 1982), Hans Wapler (1866 – 1951), Fritz Donner (1896 – 1979) und Adolf Stiegele (1871 – 1956) führten Versuche durch mit Methylenblau und kamen zu dem Ergebnis, die Einglasmethode nach Korsakow sei als fragwürdig enttarnt; Hochpotenzen (K) seien Tiefpotenzen.[15]
Adolf Voegeli hält die Korrespondenztabellen Chavanos – er nennt sie „Homologietabellen“ – für völlig willkürlich, und es liege „für diese Annahmen auch nicht der Schatten eines Beweises“ vor.[28] Voegeli erklärt die Aufstellung der Tabellen mit dem Umstand, dass
die französische Regierung die Herstellung und den Verkauf von molekülfreien Potenzen verbieten wollte, was sie schließlich trotz der Tabellen auch getan hat. Der Wunsch, die Erlaubnis für die hohen Korsakow-Potenzen auf diese Weise zu erschleichen, war also der Vater dieses Gedankens und nichts anderes, doch blieb das Manöver erfolglos. Irgendwelche Bedeutung für unsere Erkenntnis kommt diesen Tabellen, die sich auf gar nichts anderes als auf diesen Wunsch stützen, nicht zu.[28]
Voegeli schreibt dort auch, erfahrungsgemäß wirkten gleich hohe K- und C-Potenzen gleich.
Die homöopathische Bedeutung der Hoch- und Höchstpotenzen
Bernhardt Fincke (1821 – 1906) hatte eine die Hochpotenzen betreffende Vermutung. Er schrieb:
Die höheren Potenzirungen scheinen ein Mittel darzubieten, die Arzneien assimilable und mithin homöopathisch wirksamer zu machen.[29]
Dieser Satz wurde von Clemens Franz Maria von Bönninghausen (1785 – 1864) dankbar aufgegriffen und kommentiert:
Dem Verfasser scheint es hier an einem vollständig passenden Worte gemangelt zu haben, um seinen eigentlichen Gedanken auszudrücken. Er hat ohne Zweifel mit Mehreren von uns die Erfahrung gemacht, dass die höheren Dynamisationen, auch bei unvollständiger Aehnlichkeit, oft noch sehr gute Wirkung hervorbringen, wo die niedrigen Verdünnungen derselben Arznei gänzlich versagen. ... Wir und einige unserer alten Freunde haben schon seit vielen Jahren dasselbe in solchen Fällen erfahren, wo ein genau homöopathisch passendes Mittel nicht zu ermitteln war, und dabei gefunden, dass diese werthvolle Eigenthümlichkeit der Hochpotenzen am Wahrscheinlichsten darin liegt, dass bei jeder höheren Dynamisation neue, bisher gleichsam schlummernde Kräfte aufgeschlossen werden, und so der Wirkungskreis der Arznei thatsächlich immer mehr erweitert wird. Diese allmähliche Symptomenvermehrung durch Potenzirung ist uns bei längerer, genauer Beobachtung so unzweifelbar geworden, dass wir sie als ein neues, früher nicht erkanntes Naturgesetz ansehen.[29][8]
Samuel Swan (1814 – 1893) hat gleich ein weiteres neues Heilungsgesetz „gefunden“, nämlich dass Krankheitsprodukte bei hoher Potenzierung die sie erzeugende Krankheit heilen können. Swan war überzeugt, dass bei den allerhöchsten Potenzen das „unbequeme Ähnlichkeitsprinzip“ umgangen werden könne.[30] Zitiert nach Keller:[29]
Er verkaufte seine Potenzen nach einem Warenkatalog, der alle möglichen Krankheitsprodukte, Nosoden, Komplexmittel etc. in Allerhöchstpotenz enthielt und stellte das neue „Gesetz“[31] auf, daß alles dies schon durch genügend hohe Potenzierung zum „Simillium“ werde, daß das mühsame Individualisieren also überflüssig sei.[32]
Lee[30] schreibt:
Wir wissen alle sehr gut, daß das Verschreiben nach Krankheitsnamen in die Irre führt, damit theoretisiert man nur, man ersetzt Tatsachen durch Phantasie. Es ist immer falsch, auch dann, wenn man eine CM-Potenz anstelle des rohen Stoffes gibt. Potenzierung hat noch nie eine Arznei homöopathisch gemacht für eine Krankheit; die Arznei wird nur dann homöopathisch für einen Fall, wenn ihre Symptome denen des Falles ähnlich sind.
Er verlangte, dass Swan aus der I.H.A (International Hahnemannian Association) ausgeschlossen werden solle, da Swan seinen Warenkatalog rechtswidrig und eigenmächtig mit dem Siegel der I.H.A versehen hatte.[30]
Und Samuel Swan hatte sich das „Geschäft“ noch einfacher gemacht als seine Vorgänger. Keller schreibt:[29]
Während Korsakow und Jenichen harte körperliche Arbeit geleistet hatten beim Potenzieren, hielt Swan alles Schütteln für überflüssig[31] und richtete einen kontinuierlichen Flüssigkeitsstrahl in ein Gefäß, in dem einmal ein Tropfen einer Arzneisubstanz gewesen war. Die Höhe der Potenz maß er an der Menge des durchgelaufenen Wassers.
Swan erklärte die „Dynamisierung“ seines Verfahrens:
Jeder einfließende Tropfen schlüge die Moleküle des vorhergehenden Tropfens so intensiv gegeneinander und gegen die Glaswand, wie das mit dem Schütteln von Hand gar nicht zu erreichen sei.[31] (Zitat nach Keller)[29]
Kritik innerhalb der Homöopathie an Hoch- und Höchstpotenzen
Nicht nur die Korsakow’schen Potenzen, auch die Fluxionspotenzen sind unter Homöopathen nicht unumstritten.
Adolf Lippe (1812 – 1888) wetterte, Swan lasse das Ähnlichkeitsprinzip, den „Eckstein der Homöopathie“, außer Acht und brüste sich damit, ein neues Heilungsgesetz gefunden zu haben.[29][33] Lippe nannte Swan „eine Berühmtheit, die ihre bei allopathischen Lehrern erlernte Geschicklichkeit im Diagnostizieren von Krankheiten neuerdings auf unsere Schule übertragen hat“ und einen „Flaschenwäscher“.[B 3][33]
Auch James Tyler Kent (1849 – 1916) muss Swan für einen Scharlatan gehalten haben. Er schrieb:
Swans Potenzen sind ein Betrug der übelsten Sorte. Ich habe gesehen, wie er sie herstellte und habe daraufhin alle meine Swan-Potenzen weggeworfen.[29][34]
Kritik ohne Konsequenzen
Keller schreibt:[29]
Trotzdem, auch Swans Fluxionspotenzen wirken, ebensogut wie andere Hochpotenzen, nur nicht besser. Dies beweist wieder einmal, daß wir heilkräftige Potenzen auf vielerlei Art herstellen können, selbst mit der primitiven Methode, Wasser durch ein Glas laufen zu lassen.[35]
Und weiter:
Die arzneiliche Kraft setzt sich bis ins Unendliche fort.
Er bezieht sich dabei auf Skinner, der von seinen Erfahrungen berichtet:
Ich habe Swans Potenzen von der tausendsten bis zur fünfhunderttausendmillionsten angewendet und da, wo ich in der Mittelwahl sorgfältig war, haben sie mich nicht einmal im Stich gelassen.[36]
Verunreinigungsproblem
Die Herstellung von Arzneipotenzen setzt eine Verdünnung mit wirkstofffreiem Lösungsmittel voraus – das ist aber technisch nicht möglich. Verunreinigungen in den Lösungsmitteln werden bei jedem Verdünnungsschritt in immer gleicher Konzentration zugeführt (z.B. ist der Grenzwert für Quecksilber im Trinkwasser 0,001 mg/l ≈ D9 ≈ C5),[37][38] so dass die Abnahme der materiellen Konzentration aller Verunreinigungssubstanzen unter deren Konzentration im Lösungsmittel nicht möglich ist. Gleichwohl werden aber auch die Verunreinigungen einer „Dynamisation“ durch Verreiben oder Verschütteln ausgesetzt.
Problematisch für die Herstellung von Potenzen ist, dass viele Verunreinigungsstoffe des Lösungsmittels (z.B. Quecksilber) ein eigenes homöopathisches Arzneimittelbild haben, dass mithin diesen Verunreinigungsstoffen eine eigene homöopathische Wirkung zugesprochen wird. In der Homöopathie geht man aber davon aus, dass Wirkstoffspuren im Lösungsmittel nicht mitpotenziert werden.[39]
Voegeli schreibt hierzu:
Von der Schulmedizin wird immer wieder behauptet, daß die Verunreinigungen auch des reinsten destillierten Wassers in Bezug auf die Molekularzahl das ursprüngliche Medikament übertreffen müssen, dies selbst bei verhältnismäßig niedrigen Potenzen. Dies ist nicht abzustreiten. Da aber das Experiment so deutlich die arzneiliche Kraft der Potenzen erweiset, muß eben ein anderer Faktor im Spiele sein, der weit mächtiger ist als die arzneiliche Wirkung der Verunreinigungen, eben die erwähnte Energie, die in maximaler Stärke nur von einer einzigen Substanz stammt, nämlich von der ursprünglich in viel größerer Menge vorhanden gewesenen Ursubstanz, von der aus die Potenz hergestellt wurde. [40]
„Energie“ ist ein physikalisch genau definierter Begriff. Die Eigenschaften der hier beschriebenen Form der „Energie“ sind nicht identisch mit den Eigenschaften der Energie im physikalischen Sinne (unter anderem gilt bei der homöopathischen „Energie“ nicht der Energieerhaltungssatz). Eine wirkliche Erklärung stellt Voegelis Einlassung also nicht dar.
Kritische Betrachtung aus wissenschaftlicher Sicht
Tiefpotenzen unterhalb C2 können noch Arzneisubstanzen in einer Menge enthalten, die pharmakologische Wirkungen entfalten kann. Tiefpotenzen sind teilweise rezeptpflichtig. Oberhalb von C3 bis C4 sind pharmakologische Wirkungen nicht mehr möglich, obwohl noch Arzneisubstanzen vorhanden sind.
Schüttelschläge oder Verreibungen bringen zwar theoretisch Energie in die Arzneisubstanz. Dieser (sehr geringe) Energieeintrag ist unspezifisch und unabhängig von Potenzreihe oder Stufe. Die beim Schütteln auftretenden physikalischen Impulse können zudem nur auf Materie wirken, nicht auf „Geistartiges“.
Geistartige Arzneikräfte müssen immateriell sein und können mit Materie prinzipiell nicht wechselwirken. Physikalisch ist die Frage, welche materielle Wirkung eine immaterielle Idee hat, sinnlos. „Geistartige“, immaterielle Arzneikräfte können nicht mit Messgeräten auf physikalisch-chemischer Basis wechselwirken und daher auch nicht mit anderen Arzneiträgern auf physikalisch-chemischer Basis wie z.B. Wasser, Alkohol oder Zucker.
Flüssigkeiten sind nicht in der Lage, Informationen dauerhaft zu speichern. Es gibt keine „Adressen“, auf denen man die Informationen ablegen und später wieder auslesen könnte. Die Wasserstoffbrückenbindungen, denen man eine theoretische Möglichkeit zur Speicherung von Informationen zuschreibt, sind jedoch nicht lange genug stabil und daher für die Informationen in der Realität ungeeignet. Wasserstoffbrückenbindungen sind nur über einen Zeitraum von etwa 200 Femtosekunden (= 10-15 s) stabil.[41][42][43] Informationsspeicherung in Wasser oder alkoholischer Lösung ist aber eine der Voraussetzungen für die Wirksamkeit hoher homöopathischer Potenzen.[44]
Immaterielle Arzneikräfte können mit Materie prinzipiell nicht wechselwirken – also natürlich auch nicht mit dem Körper des Patienten, denn der ist materiell. Aber genau das müsste möglich sein, wenn homöopathische Arzneien eine (heilsame) Wirkung auf den Körper haben sollten. Der Verweis auf ebenfalls immaterielle „Selbstheilungskräfte“ des Körpers hilft keineswegs weiter, denn dann müssten die behaupteten immateriellen Selbstheilungskräfte des Körpers ihrerseits eine Wirkung auf den materiellen Körper des Patienten haben können.
Auch philosophisch gibt es Fragen zur postulierten immateriellen „geistartigen Arzneikraft“. Wenn diese behauptete „immaterielle Arzneikraft“ angeblich mit jedem Schüttelschlag größer wird, wird sie dann durch die anschließende Verdünnung auf 1% der vorhergehenden Potenzstufe wieder kleiner? Wird sie auch jenseits der Avogadrogrenze durch Verdünnen kleiner, wo der Materie-Anteil der Arzneimittel nicht mehr kleiner werden kann? Wenn nicht, stellt sich die Frage nach dem Sinn des Verdünnens, wenn der Verdünnungsvorgang weder einen Einfluss auf das Materielle noch auf das Immaterielle hat.
Und wenn der Verdünnungsvorgang auch unterhalb der Avogadrogrenze die immaterielle Arzneikraft nicht reduziert, kann diese dann beliebig – jenseits aller Grenzen – wachsen? In den beim Potenzierungsprozess verworfenen Überschüssen wäre dann ein gewisser Anteil an immaterieller Arzneikraft, und in dem nicht verworfenen Anteil müsste die restliche Arzneikraft durch „Dynamisation“ auf mehr als das Hundertfache erhöht werden können.
Wie verhält es sich mit dem Anteil der immateriellen Arzneikraft im Lösungsmittel? Ist das Lösungsmittel nach dem Dynamisierungsvorgang an immaterieller Arzneikraft gesättigt? Wenn ja, wäre eine weitere Sättigung durch die nachfolgenden „Dynamisierungen“ (Schüttelschläge) unmöglich. Wenn nein, wäre der nachfolgende Verdünnungsschritt kontraproduktiv.
Zusammenfassende Einschätzung
Der Verdünnungsvorgang bei den C-Potenzen betrifft lediglich die materiellen Arzneikräfte. Jenseits der Avogadrogrenze sind weitere Verdünnungen nicht möglich bzw. sinnlos (vom Verunreinigungsproblem der Verdünnungslösung abgesehen).
Die Verschüttelung bezieht sich auf postulierte und aus prinzipiellen Gründen nicht nachweisbare immaterielle Arzneikräfte, die aber – selbst wenn sie existieren würden – keinen Einfluss auf den Körper der Patienten haben können.
Der Potenzierungsvorgang soll nur auf die Wirkstoffe der Ausgangssubstanzen, nicht jedoch auf die Wirkstoffe in Lösungsmitteln wirken. Physikalisch ist eine Zuteilung der Wirkung von Schüttelschlägen oder Verreibungen lediglich auf die Ausgangssubstanz, nicht aber auf die Verunreinigungssubstanz, unmöglich.
Fazit:
Die Herstellung von pharmakologisch wirksamen Medikamenten durch Verdünnen und Verschütteln ist nicht möglich.
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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