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Fernsehbeiträge zur Homöopathie - Homöopathie - Heilung oder Humbug
Die Reportage Homöopathie - Heilung oder Humbug? ist ein Film des Autors Carsten Binsack, der im Dezember 2013 erstmals auf 3sat ausgestrahlt wurde.[1][2] Die Sendung reiht viele einzelne Aussagen zur Homöopathie aneinander. So kommen Hersteller (Sprecher der Schweizer Firma Similasan), Homöopathen (Cornelia Bajic) und Käufer abwechselnd mit Wissenschaftlern (Edzard Ernst, Jürgen Windeler) zu Wort. Der Sendebeitrag war 2014 einer der Preisträger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus.[3] Als Grund für die Auszeichnung wurde die „sachliche Gegenüberstellung von Konfliktlinien“ genannt, die dazu beitrage, „die breite Öffentlichkeit über wissenschaftliche Grundlagen und Sachverhalte kompetent aufzuklären“.
Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Beiträgen auf der Homöopedia, die Fernsehsendungen zur Homöopathie und die darin genannten Ansichten und Argumente betrachtet. Der Artikel gibt eine Inhaltsübersicht, beleuchtet im Anschluss verschiedene Kernaussagen im Sendebeitrag genauer und stellt diesen die wissenschaftlichen Antworten gegenüber.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Inhalt des Sendebeitrags
- 1.1 Themenkreis Herstellung, Geschichte und Verdünnung
- 1.2 Themenkreis Nebenwirkungsfreiheit und Gefahren
- 1.3 Themenkreis Patientensicht, Ganzheitlichkeit und Wohlfühlfaktor
- 1.4 Themenkreis Studien und wissenschaftliche Beleglage
- 1.5 Themenkreis Gewinne und Lobbyarbeit
- 1.6 Themenkreis Wissenschaft
- 1.7 Resümee der Sendung
- 2 Wissenschaftliche Antworten
- 2.1 Themenkreis Herstellung, Geschichte und Verdünnung
- 2.1.1 „Wer heilt, hat recht!“
- 2.1.2 Homöopathika würden über „Informationen“ wirken. Durch die Energiezufuhr beim Schütteln werde eine „immaterielle Botschaft“ vom Ausgangsstoff an den Körper möglich, die diesen dazu anregt, sich selbst zu heilen.
- 2.1.3 An der Homöopathie müsse „etwas dran sein“, wenn Prominente wie das englische Königshaus darauf vertrauen.
- 2.1.4 An der Homöopathie müsse „etwas dran sein“, weil sie trotz fortwährender Kritik seit 200 Jahren nicht auszurotten sei.
- 2.1.5 Man wolle die Homöopathie „ausrotten“.
- 2.1.6 Warum müsse man überhaupt etwas „bekämpfen“, was gar nicht funktioniere?
- 2.1.7 Es gebe genug Menschen, die am eigenen Leib erfahren haben, wie gut die Homöopathie funktioniere. Das könne man nicht wegdiskutieren.
- 2.1.8 Man könne in Experimenten zeigen, dass „potenzierte“ Mittel andere Wirkung entfalten als einfach nur gelöste Mittel.
- 2.2 Themenkreis Nebenwirkungsfreiheit und Gefahren
- 2.3 Themenkreis Patientensicht, Ganzheitlichkeit und Wohlfühlfaktor
- 2.3.1 Es sei einfach ein gutes Gefühl, ein Mittel geben zu können, bei dem es keine Nebenwirkungen gebe. Wo es auch nicht schlimm sei, wenn man mal zum falschen Mittel greife.
- 2.3.2 Wiederholt auftretende Mittelohrentzündungen bei einem Kleinkind seien erst mit homöopathischer Behandlung dauerhaft verschwunden.
- 2.4 Themenkreis Studien und wissenschaftliche Beleglage
- 2.4.1 In Studien sei nachgewiesen worden, dass Homöopathie wirke.
- 2.4.2 Es sei die Grundlagenforschung gefordert, zu klären, was da wirke.
- 2.4.3 Die Wiederholbarkeit von Ergebnissen sei ein wichtiges Kriterium für die wissenschaftliche Einschätzung dieser Ergebnisse.
- 2.4.4 Ein Wirkungsnachweis interessiere die Menschen nicht!
- 2.4.5 Bei Besserungen bei Kindern und Tieren könne es sich nicht um Placeboeffekte handeln.
- 2.4.6 Es dürfe eben nicht sein, was nicht sein könne.
- 2.4.7 Positive Studien zugunsten der Homöopathie würden ignoriert.
- 2.4.8 Die ADHS-Studie von Heiner Frei sei besonders hochwertig und damit ein Beispiel für die Ergebnisse zugunsten der Homöopathie, die einfach ignoriert würden.
- 2.4.9 Das Ergebnis der Metaanalyse von Shang/Egger könne man so nicht stehen lassen: Nähme man noch eine einzige weitere Studie in die Analyse mit hinein, wäre das Ergebnis positiv.
- 2.5 Themenkreis Gewinne und Lobbyarbeit
- 2.1 Themenkreis Herstellung, Geschichte und Verdünnung
- 3 Fazit des Informationsnetzwerks Homöopathie
Inhalt des Sendebeitrags
Anders als andere Reportagen zum Thema ist die Sendung nicht in einzelne anmoderierte Einzelbeiträge gegliedert. Vielmehr werden die Interviews zerstückelt präsentiert, so dass oft Aussage und Gegendarstellung aufeinander folgen, die sich nur grob in einzelne Themenkreise einordnen. Auf diese Weise kommen zu Wort (in alphabetischer Reihenfolge):
- Dr. Henning Albrecht, zum Sendezeitpunkt Geschäftsführer und Stiftungsvorstand der die Homöopathie fördernden Carstens-Stiftung
- Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes, zum Sendezeitpunkt Direktor der deutschen Abteilung der Cochrane Collaboration[B 1]
- Cornelia Bajic, zum Zeitpunkt der Sendung Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ)[4]
- Prof. Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin in Exeter
- Steffen Jäger vom Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz
- Carlo Odermatt, im Video als Forschungsleiter der Homöopathiefirma Similasan (Schweiz) vorgestellt [5]
- Barbara Steffens, Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen), zum Zeitpunkt der Sendung Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen
- Claudia Stratmann, tritt als von der Homöopathie überzeugte Mutter vor die Kamera
- Prof. Dr. med. Jürgen Windeler, zum Zeitpunkt der Sendung Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)[6][7]
Ein Sprecher aus dem Off ergänzt die Aussagen jeweils um einleitende Beschreibungen und zusammenfassende Erklärungen. Die folgende Einteilung in Unterkapitel ist also nicht dem Sendebeitrag entnommen, sondern soll nur als Orientierungshilfe für den Leser dienen.
Ein kurzer Vorspann wirft die Frage der Sendung auf: „Was ist Homöopathie? Eine wirksame Heilmethode oder Quacksalberei?“ (Minute 0:45). Zunächst wird aus dem Off das Ähnlichkeitsprinzip als wesentliches Grundprinzip der Homöopathie vorgestellt. Der Herstellungsprozess der Homöopathika wird beispielhaft durch die Firma Similasan aus der Schweiz gezeigt. Carlo Odermatt führt aus, dass er unter Heilung „ein Gleichgewicht auf der körperlichen, seelischen und geistigen Ebene“ versteht. (Minute 2:08) Er vertritt den Standpunkt, dass der „recht hat“, der diesen Zustand beim Patienten erreicht.
Themenkreis Herstellung, Geschichte und Verdünnung
Im Anschluss (Minute 2:20) wird die Potenzierung, also die Abfolge aus schrittweiser Verdünnung mit abwechselndem Verschütteln vorgestellt. Der Sprecher erklärt hierbei, Homöopathen würden glauben, dass durch das Schütteln die Wirkung des Ausgangsstoffes trotz extremster Verdünnung bis hin zum Überschreiten der Avogadrogrenze erhalten bleibt. Carlo Odermatt verweist darauf, dass das Verfahren seit Samuel Hahnemann so vorgegeben sei und sich in der Praxis bewährt habe. Er sagt aus:
(Ab Minute 3:28) Wenn man schüttelt beim Verdünnen, bleibt die Wirkung erhalten. Das heißt, die Wirkung muss immateriell sein und ich rede gerne von „Informationen“. Also wir übertragen offenbar eine Botschaft dieser Pflanze, von diesem Mineral, von diesem tierischen Heilmittel – und diese Botschaft wird dann von dem Menschen, der sie braucht, auch verstanden. Und im Organismus werden die Selbstheilungskräfte in Gang gebracht, so dass man sich selber heilt.
Nachdem der Herstellungsprozess bis zum Aufsprühen des Homöopathikums auf die Zuckerkügelchen verfolgt wurde, schwenkt die Berichterstattung erstmals zu Professor Edzard Ernst nach England (Minute 5:00). Der Sprecher weist darauf hin, dass die Homöopathie in Großbritannien einen „royalen Stellenwert“ hat, da die Königsfamilie seit dem 19. Jahrhundert darauf schwört. Prinz Charles wird als aktueller Verfechter der Homöopathie explizit genannt. Edzard Ernst nennt den Verweis auf mysteriöse Energien zur Begründung einer Wirksamkeit der Homöopathie „mehr als fragwürdig“ und betont, dass solche Aussagen „nie ordentlich nachgewiesen“ wurden. Die Besserungen, die er in seiner ärztlichen Praxis durchaus auch nach homöopathischen Behandlungen beobachtete, führt Ernst auf Placeboeffekte und von alleine ausheilende Beschwerden zurück und betont, dass sie kausal sicher nichts mit den Homöopathika zu tun haben. Ein unmittelbar erfolgender Schnitt zurück zu Carlo Odermatt stellt dieser wissenschaftlichen Erklärung einige oft vorgebrachte Aussagen gegenüber (Minute 6:44):
- Die Homöopathie könne man schon seit 200 Jahren nicht „ausrotten“, also müsse etwas dran sein.
- Warum müsse man überhaupt etwas bekämpfen, was nicht funktioniere?
- Es gebe genug Menschen, die am eigenen Leib erfahren haben, wie gut die Homöopathie funktioniere. Das könne man nicht wegdiskutieren.
Aus dem Off weist der Sprecher auf die weltweite Verbreitung der Homöopathie hin und stellt die Ursprünge der Homöopathie in Deutschland vor rund 200 Jahren dar (Minute 7:10). Edzard Ernst erwähnt die brachialen Methoden der Medizin zu Samuel Hahnemanns Zeiten und würdigt grundsätzlich Hahnemanns Bemühungen, nach einer Behandlungsmethode zu suchen, die den Patienten weniger schadete. Dies leitet über zu einer Betrachtung der Hochpotenzen. Der Sprecher aus dem Off erklärt, dass in Potenzen höher als D23 bzw. C12 kein Wirkstoff des Ausgangsproduktes mehr enthalten ist und erläutert, was Verdünnungsverhältnisse wie D30 bedeuten. Dennoch bestätigt Carlo Odermatt, dass diese Hochpotenzen bei chronischen Erkrankungen zum Einsatz kämen. Man ginge nämlich davon aus, dass sie eine stärkere Wirksamkeit entfalten als Tiefpotenzen, in denen noch Wirkstoff enthalten ist (Minute 9:35).
Hiervon ausgehend erklärt Edzard Ernst, warum die Homöopathie kein Naturheilverfahren ist: Naturheilkunde wendet medizinische Wirkungen natürlicher oder naturbelassener Stoffe in wissenschaftlich nachvollziehbarer Weise an. Homöopathika beinhalten aber keine Wirkstoffe, sind nicht naturbelassen und es existiert auch kein wissenschaftlicher Ansatz, eine Wirksamkeit von Stoffen in Abwesenheit plausibel zu erklären. Der Sprecher erwähnt hier die Idee einer Art „Wassergedächtnis“, nach der Wasser in der Lage sein soll, „Informationen“ zu speichern. Er weist aber darauf hin, dass diese Vorstellung nicht einmal für alle „Homöopathiebefürworter“ annehmbar ist. (Minute 10:56) Henning Albrecht von der Carstens-Stiftung bezeichnet die Vorstellung eines Wassergedächtnisses im Anschluss als „außerordentlich schwierig“ (Minute 11:13), sagt aber noch ergänzend aus, es gebe „genügend Experimente der Grundlagenforschung“, die zeigen würden, dass Mittel, die lediglich gelöst sind, anders seien als Mittel, die zusätzlich auch verdünnt und verschüttelt sind. Edzard Ernst erklärt hingegen, dass „anders“ noch lange nicht „mit spezifischer Heilwirkung“ bedeute.
Themenkreis Nebenwirkungsfreiheit und Gefahren
Es wird die Aktion 1023[8] angesprochen (Minute 12:30), bei der Kritiker große Mengen Homöopathika einnehmen, um zu demonstrieren, dass die Mittel anders als von der homöopathischen Lehre behauptet, beim Gesunden keine Symptome hervorrufen. Homöopathen würden dagegen die Nebenwirkungsfreiheit ihrer Methode betonen und auf Erfolge verweisen. Dr. Jürgen Windeler, zum Zeitpunkt der Sendung Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), weist darauf hin (Minute 13:15), dass es für ein Arzneimittel nicht genüge, bei harmlosen Alltagsbeschwerden nicht zu schaden. Er sieht vielmehr das Problem, dass Menschen, die bei alltäglichen Beschwerden fast unvermeidlich Besserungen erleben, dazu tendieren würden, Homöopathie auch bei ernsten Beschwerden auszuprobieren, wo diese sicher keine ausreichende Hilfe wäre. Er verweist hierzu auf Gerichtsverfahren, die nach dem Tod der Patienten gegen Homöopathen geführt wurden, die Globuli bei Malaria und anderen schweren Infektionskrankheiten empfohlen hatten.[9]
Der Sprecher stellt in diesem Zusammenhang den Verein Homöopathen ohne Grenzen (HoG) vor: Die HoG sind in Entwicklungsländern tätig und verabreichen bei ernsten, teils lebensbedrohenden Erkrankungen, Kriegstraumata oder Kriegsverletzungen Globuli statt wirksamer medizinischer Behandlung.[10][11][12][13] Auch das Projekt, HIV/AIDS in Afrika homöopathisch zu behandeln, wird erwähnt[14][15] und von Jürgen Windeler als „völlig indiskutabel“ scharf kritisiert (Minute 14:50).
Die Bilder zeigen anschließend Artikel und Bücher zur homöopathischen Krebsbehandlung, um zu verdeutlichen, dass auch hierzulande verzweifelte Patienten ihre letzte Hoffnung auf die Homöopathie setzen. Carlo Odermatt meint, korrekt durchgeführt sei das eine „unglaubliche Hilfe“, auch wenn man „Krebspatienten im Endstadium oft nicht mehr im Leben behalten“ könne (Minute 15:05). Man könne aber mit Homöopathika die Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung „wunderbar lindern“. Der Sprecher aus dem Off meint, die Homöopathie werde gefährlich, wenn sie den Blick der Patienten auf effiziente Therapien verdecken würde.
Themenkreis Patientensicht, Ganzheitlichkeit und Wohlfühlfaktor
Die von der Homöopathie überzeugte Mutter Claudia Stratmann begründet ihr Vertrauen in die Globuli anschließend mit der Aussage:
Es ist einfach ein gutes Gefühl, etwas zu geben, wo es keine Nebenwirkungen gibt. Wo es auch nicht schlimm ist, wenn man mal zum falschen Mittel greift. (Minute 16:10)
Zur Homöopathie sei sie wegen wiederholter Mittelohrentzündungen ihrer Tochter im Babyalter gekommen. Diese wären nach Antibiotika zwar immer verschwunden, doch sei es immer wieder zu neuen Mittelohrentzündungen gekommen. Auf den Rat einer Bekannten hin sei Claudia Stratmann zu einer homöopathisch arbeitenden Ärztin gegangen, was sie als „durchschlagenden Erfolg“ bezeichnet.
Die Kamera begleitet Frau Stratmann bei einem Besuch bei ihrer Therapeutin, Cornelia Bajic, zum Zeitpunkt der Sendung Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ). Ausschnitte aus der, wie es im Beitrag heißt, einstündigen Anamnese werden gezeigt (Minute 17:00).
Themenkreis Studien und wissenschaftliche Beleglage
Cornelia Bajic räumt ein, dass eine pharmakologische Wirkung der Globuli mangels Wirkstoffen auszuschließen sei. Allerdings meint sie:
Da ich aber nun die Erfahrung habe und sehe, dass es wirkt und auch in Studien nachgewiesen wurde, dass es wirkt, denke ich, dass da dann die Forschung und diesmal die Grundlagenforschung gefragt ist, zu gucken, was wirkt denn da jetzt. (Minute 18:01)
Der Schnitt erfolgt auf Edzard Ernst, der die einfühlsamen Anamnesegespräche als „Mini-Pseudo-Psychotherapie“ und das gute Gefühl, das Patienten daraus zögen, als Folge der intensiven Zuwendung des Arztes erklärt. Der Sprecher aus dem Off wirft die Frage auf, ob die gute Beziehung zwischen Homöopath und Patient schon ausreichend sei, die Homöopathie als Verfahren wissenschaftlich anzuerkennen.
Die Carstens-Stiftung wird vorgestellt: Diese habe sich zum Ziel gesetzt, die Homöopathie über wissenschaftliche Ergebnisse in die Medizin zu integrieren. Die Stiftung hat deshalb eine Datenbank mit Studien zur Homöopathie angelegt. Der Geschäftsführer (zum Sendezeitpunkt), Dr. Henning Albrecht, sagt zu den klinischen Studien aus, es gebe einzelne gute Studien mit Ergebnissen zugunsten der Homöopathie, weshalb er die Gesamtlage in der klinischen Forschung „eher positiv“ sähe. Er räumt aber ein, dass Kritiker das anders sähen, weil nach deren Maßstäben Ergebnisse erst als aussagekräftig eingestuft würden, wenn diese unabhängig wiederholbar seien (Minute 20:17). Im Anschluss betont Edzard Ernst, dass die Frage der Wiederholbarkeit zur wissenschaftlichen Beurteilung von Ergebnissen ganz allgemein, also von der Homöopathie ganz unabhängig, von großer Bedeutung ist. Der Sprecher aus dem Off bestätigt auf dieser Basis das Fehlen wissenschaftlicher Belege für die Homöopathie in der Durchsicht der Gesamtstudienlage.
Henning Albrecht wirft im nächsten Schnitt Edzard Ernst vor, gegen die Homöopathie einen „Krieg“ zu führen und auch viel erreicht zu haben bei der „Schädigung der Homöopathie“ (Minute 21:35). Ernst wiederum sagt aus, dass die persönlichen Angriffe deshalb sich so gezielt gegen ihn wenden würden, weil ansonsten Kritik an der Homöopathie stets von außerhalb der Homöopathie erfolge. Er hingegen habe Homöopathie sowohl als Kind als Patient erlebt und als junger Arzt auch in der Praxis angewendet und verstünde deshalb die Denkweise der Homöopathen. Seine für die Homöopathie negativen Studienergebnisse seien deshalb für Homöopathen besonders schmerzhaft. Henning Albrecht meint:
Es interessiert die Menschen nicht, ob es dazu einen Wirksamkeitsnachweis gibt. (Minute 22:34)
Der Sprecher aus dem Off wirft die Frage auf, warum so viele Menschen glauben, dass ihnen Homöopathie helfe, wenn die spezifische Wirksamkeit der Homöopathika fehle. Als Antwort darauf erläutert Jürgen Windeler die Bedeutung psychologischer Faktoren durch die Rahmenbedingungen („Kontext“) für eine erfolgreiche Therapie. Aus dem Off weist der Sprecher dann darauf hin, dass Homöopathen auch von Erfolgen bei Tieren und Kleinkindern berichten und hier die Existenz von Placeboffekten anzweifeln würden. Windeler erklärt daraufhin, dass zu dem geschilderten Kontext auch Eltern, bzw. bei Tieren die Halter, gehören würden, die über Zuwendung und Verhalten beeinflussen würden. Carlo Odermatt meint jedoch, dass man einfach nicht sehen wolle, dass Homöopathie mehr als Placebo sei. Entsprechende Studien würden ignoriert oder zerpflückt. Weil man die Homöopathie nicht erklären könne, „dürfe“ sie nicht mehr sein als Placebo (Minute 25:12).
Der Sprecher erläutert anschließend, warum nicht jede Studie dieselbe Aussagekraft hat. Jürgen Windeler führt hierzu ein Experiment durch: Die Frage, ob ein Metalllöffel in einer geöffneten Sektflasche dafür sorgen kann, dass dieser noch am nächsten Tag spritzig ist, wird doppelt verblindet getestet. Anhand dieses Beispiels wird erklärt, wie wichtig Vergleichbarkeit der getesteten Patientengruppen und Verblindung sowohl von Patienten als auch Behandlern in einer Studie sind.
Der Sprecher aus dem Off leitet nach dieser Erklärung über zu einer oft von Homöopathen angeführten Studie, die laut Sprecher „höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht“ werde und die Effekte zugunsten der Homöopathie ergab: Der ADHS-Studie von Heiner Frei aus dem Jahr 2005 (Minute 28:30). Edzard Ernst verweist auf die bereits vorher angesprochene fehlende Wiederholbarkeit und meint, das grundlegende Problem auch hier sei, dass derartige Ergebnisse nie von unabhängigen Stellen robust reproduziert werden konnten.
Es erfolgt ein Schnitt nach Freiburg zur Deutschen Abteilung des Cochrane-Zentrums. Der Sprecher erklärt, dass dort „weltweit durchgeführte Studien bewertet“ würden. Der Grundsatz laute:
Echte Wissenschaft bedeutet nicht, die eigene Position zu belegen, sondern auch die Gegenpositionen ernsthaft zu prüfen. (Minute 30:10)
Gerd Antes, zum Sendezeitpunkt der Direktor dieser Einrichtung, weist darauf hin, dass man bei vielen Homöopathiestudien denselben Interessenskonflikt vorliegen hat, der in anderen Bereichen kritisiert wird: Gruppen, die die meisten Homöopathiestudien durchführten, kamen entweder direkt aus dem Bereich der Homöopathie oder waren eng damit verbunden (Minute 31:00).
Aus dem Off wird der Review von Shang und Egger aus dem Jahr 2005 angesprochen. Sie waren zu dem Ergebnis gekommen, dass Homöopathika keine Effekte über Placebo hinaus zeigen. Diese Studie habe heftige Diskussionen ausgelöst. Während Gert Antes meint, die Arbeit sei hochwertig, sagt Henning Albrecht, dass man das Ergebnis so nicht stehen lassen könne: Nähme man noch eine einzige weitere Studie in die Analyse mit hinein, wäre das Ergebnis positiv. Edzard Ernst sagt hierzu:
Die perfekte Studie oder die perfekte Metaanalyse wird es nie geben, weil Perfektion nicht erreichbar ist in der Wissenschaft. Mit einem gewissen Recht ist diese Metaanalyse dann auch kritisiert worden. Für mich ist diese Kritik nicht unbedingt valide. Ich denke, das Ergebnis dieser Metaanalyse ist richtig. Vor allen Dingen deswegen, weil sie nicht alleine steht. (Minute 32:17)
Jürgen Windeler äußert sich ähnlich und meint, dass man genug Evidenz habe, die zeige, dass Homöopathika Placebos sind. Er wirft zudem die Frage auf, ob man seine Forschungstätigkeit wirklich weiter darauf ausrichten will …
… ich sage ausdrücklich darauf verschwenden will, nun immer wieder zu untersuchen, ob nichts etwas anderes ist als nichts. (Minute 33:15)
Themenkreis Gewinne und Lobbyarbeit
Der Sprecher weist auf die hohen Gewinne der Hersteller der Homöopathika hin. Diese würden einerseits aus den Millionenumsätzen, die sich aus der Beliebtheit des Verfahrens ergeben, andererseits auch aus den geringen Herstellungskosten folgen. Edzard Ernst erläutert, dass die Homöopathiehersteller sämtliche Vorauskosten an Forschungsaufwand einsparen, die es benötigt, ein wirksames Medikament zur Marktreife zu führen.
Aus dem Off wird die intensive Lobbyarbeit der Branche thematisiert: Erwähnt wird die von führenden Homöopathieherstellern finanzierte Medienkampagne CAM Media.Watch,[16][B 2] auf der Wissenschaftler und Homöopathiekritiker heftig angegriffen wurden.[17][B 3][B 4] Als weiteres Beispiel für die Lobbyarbeit der Branche wird der Besuch von Cornelia Bajic in ihrer damaligen Funktion als Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) bei der damaligen Gesundheitsministerin und Politikerin der Partei Bündnis90/Die Grünen, Barbara Steffens, gezeigt. Vor der Kamera bestätigt Cornelia Bajic:
Wir möchten natürlich auch eine stärkere Repräsentanz der Homöopathie im Gesundheitssystem erreichen. (Minute 35:25)
Anschließend kommt Barbara Steffens zu Wort und begründet, warum sie die Homöopathie unterstützt:
Erstens bin ich überzeugt davon, dass es wirkt. Und auch, dass es in vielen Fällen individuell einfach der beste Weg ist, um die Selbstheilung der Menschen zu aktivieren. Als zweites finde ich es anmaßend, wenn irgendwer meint, dass man naturwissenschaftlich den Menschen Krankheitsprozesse und Genesungsprozesse mal eben so einfach erklären könnte. (Minute 36:00)
Der Sprecher weist auf die Beliebtheit der Homöopathie hin, etwa jeder Vierte sei überzeugter Anwender. Darum würden auch die Krankenkassen in den meisten Fällen die Kosten einer homöopathischen Behandlung übernehmen. Jürgen Windeler betont, dass es sich hierbei nicht um eine medizinisch begründbare Notwendigkeit handle, sondern dies dem Wettbewerb der Krankenkassen geschuldet sei: Für die Kassen ist es ein Marktvorteil, den Kunden ein beliebtes Verfahren anzubieten. Er ergänzt, dass dies auch für Ärzte ein Faktor ist, Homöopathie anzubieten.[18]
Themenkreis Wissenschaft
Edzard Ernst erklärt die Gründe der Beliebtheit: Patienten würden in der Homöopathie etwas suchen, was ihnen häufig in der Medizin fehle: die menschliche Zuwendung, Zeit und Verständnis für den Patienten.
Gerd Antes vermischt Globuli verschiedener Sorten und weist darauf hin, dass ein Chemiker bei pharmazeutischen Arzneimitteln in der Lage wäre, die Mittel wieder zu trennen. Bei wirkstofffreien Globuli gelingt das nicht: Im chemischen Labor am Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz werden Globuli (in den Potenzen D2 und D6) chemisch mittels der Flüssigkeitschromatographie[B 5] untersucht. Bei D2 (1:100) sind die Ausgangsstoffe der Urtinktur noch nachweisbar, doch schon bei D6 (1:1.000.000) gelingt das nicht mehr. Dabei ist diese Verdünnung noch weit entfernt von der Avogadrogrenze und vielen darüber hinausgehenden, in der Homöopathie aber oft eingesetzten Verdünnungen. Steffen Jäger sagt hierzu, dass am Produkt auch nicht festgestellt werden könne, in welchen Schritten verdünnt wurde oder ob dabei überhaupt geschüttelt wurde (Minute 40:40). Jürgen Windeler meint, es sei wichtig, dass Menschen, die meinen, Homöopathika nehmen zu müssen, wenigstens wissen sollten, was Homöopathie ist: Dass die Präparate keinen Wirkstoff enthalten und dass die Annahme einer gezielten Wirksamkeit deswegen „mit ihren sonstigen Alltagserfahrungen, mit ihrem sonstigen Alltagserleben, alles, worauf sie sich sonst verlassen“ im Widerspruch steht (Minute 41:10).
Resümee der Sendung
Die Sendung schließt mit der Unversöhnlichkeit der Standpunkte. Cornelia Bajic meint, dass für einen Patienten, der einen Behandlungserfolg mit der Homöopathie erlebt hat, die Frage nach Wissenschaftlichkeit „einfach vollkommen zweitrangig“ sei. Der Sprecher betont noch einmal, dass viele in Europa ihr „Heil in der Homöopathie“ suchen würden, weil sie den Eindruck hätten, dass Medizin den Menschen aus den Augen verlöre. Er ergänzt aber, dass Achtsamkeit dem Patienten gegenüber ein wichtiger Grundsatz des Gesundheitswesens sein müsse, ganz unabhängig von wirkstofffreien Hochpotenzen.
Edzard Ernst sagt zuletzt:
Wenn wir ein wirklich effektives Mittel – darunter verstehe ich ein Mittel, das über Placebo hinaus wirksam ist – dem Patienten verabreichen und wenn wir das mit Empathie, Zeit und Verständnis tun, dann vermitteln wir dem Patienten sowohl einen Placeboeffekt wie einen spezifischen Effekt. Das heißt, wenn wir nur ein Placebo verabreichen, also nur ein homöopathisches Mittel beispielsweise, dann betrügen wir den Patienten um etwas, das ihm eigentlich gehören sollte: nämlich der spezifische Effekt einer Therapie. (Minute 42:40)
Wissenschaftliche Antworten
Einigen zentralen Aussagen im Sendebeitrag soll hier die Beleglage gegenübergestellt werden. Zudem wird angegeben, wo man auf der Homöopedia weiterführende Informationen zu einem Thema nachschlagen kann.
Themenkreis Herstellung, Geschichte und Verdünnung
Aussage | Wissenschaftliche Faktenlage und Querverweis auf andere Artikel |
„Wer heilt, hat recht!“ |
Dieser sehr plausibel klingende Satz wird oft vorgebracht, wenn genaueres Nachfragen zu den angewendeten Verfahren nicht erwünscht ist und eine kritische Betrachtung der Evidenzlage gar nicht erst zustande kommen soll.
Erscheint diese Einstellung bei einem Patienten noch verständlich, so ist sie doch aus Sicht des Verbraucherschutzes nicht tragbar. Erstmals im 17. Jahrhundert beschrieben, spätestens aber seit der 1932 erschienenen „Methodenlehre der therapeutischen Untersuchungen“[19] ist bekannt, dass die Beweiskraft einzelner Erfolge gering ist und anekdotische Berichte wenig aussagekräftig sind. „Wer heilt, hat recht“ stellt lediglich die Behauptung auf, überhaupt „geheilt“ zu haben, also einen kausalen Beitrag zu der erlebten Besserung geleistet zu haben. Um diesen Satz für sich in Anspruch nehmen zu können, ist also erst ein methodisch sauberer Nachweis nötig, dass das Mittel die Ursache der Genesung war und nicht nur zufällig zeitnah vor der eingetretenen Verbesserung gegeben wurde. Ohne die Beweispflicht für die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Prinzipien ist „Wer heilt, hat recht“ nichts weiter als ein Post hoc ergo propter hoc Irrtum, also der logische Fehlschluss, der aus der Verwechslung von „danach“ und „deshalb“ besteht. Er verhindert jede Verbesserung medizinischer Therapien, weil er die Frage diskreditiert, welche Teile einer Behandlung dem Patienten denn nun tatsächlich halfen – und welche nicht.[20][B 6][21] |
Homöopathika würden über „Informationen“ wirken. Durch die Energiezufuhr beim Schütteln werde eine „immaterielle Botschaft“ vom Ausgangsstoff an den Körper möglich, die diesen dazu anregt, sich selbst zu heilen. |
Die Begriffe „Information“ und „Energie“ sind in solchen Aussagen aus ihrem wissenschaftlichen Kontext gerissen.
Es fehlt eine Erklärung, was man im Zusammenhang mit Globuli unter der „Information“ oder der „Energie“ eines Wirkstoffes verstehen, wie man diese nachweisen oder messen oder wie diese im Körper wirken soll. Ohne dass man den Begriffen einen neuen, konkreten Inhalt gibt, ergeben diese Worte für sich genommen keinen Sinn mehr. Es handelt sich um Scheinerklärungen, die in keiner Weise einen logischen Zusammenhang von gesichertem naturwissenschaftlichen Wissen und der angeblichen Wirksamkeit von Stoffen in deren kompletter Abwesenheit herstellen.[22] Der Adressat solcher Schlagwörter soll sich hier selbst etwas zusammenreimen und/oder den Eindruck einer wissenschaftlichen Untermauerung gewinnen. Schnell fällt jedoch auf, dass die so vorgebrachten Behauptungen naturwissenschaftlich genauso unplausibel sind, wie die zu erklärende spezifische Wirksamkeit in Abwesenheit des Wirkstoffes: Zwar führt Schütteln etwas unspezifische Energie in die Lösung ein, diese geht aber auch schnell in Form von an die Umgebung abgegebener Wärme wieder verloren. Schütteln und Verdünnen vergrößern auch keine Ordnung oder erzeugen Informationen.[23][24] Der Energieeintrag beim Schütteln erfolgt völlig unabhängig von dem eingesetzten Urstoff und läuft auch bei jedem Potenzierungsschritt immer wieder gleich ab. Bei jedem Verdünnungsschritt wird der größte Teil des Lösungsmittels weggeschüttet und durch frisches ersetzt. Dadurch steigt die Zahl der Schüttelschläge, die die Lösungsmittelmoleküle im Durchschnitt bekommen haben, nicht weiter an. All das begründet, dass das Schütteln gar keine Verstärkung einer spezifischen Eigenheit der Lösung erzeugen kann. ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Schütteln“ das Kapitel Kritische Bewertung |
An der Homöopathie müsse „etwas dran sein“, wenn Prominente wie das englische Königshaus darauf vertrauen. |
Das englische Königshaus und vor allem Prinz Charles sind große Unterstützer der Homöopathie in England. Das sagt jedoch über die Wirksamkeit der Globuli gar nichts aus. Auch Prominente unterliegen Placeboeffekten und genesen bei Alltagsbeschwerden genauso unweigerlich auch bei unwirksamer Behandlung wie jeder andere Mensch. Zusätzlich darf davon ausgegangen werden, dass dem englischen Königshaus beste medizinische Versorgung bei ernsteren Beschwerden zur Verfügung steht, die in Zusammenhang mit der Begeisterung der Royals für die Homöopathie unerwähnt bleibt. Die Rechtfertigung einer Behauptung unter Verweis auf Äußerungen einer prominenten Person ist ein bekannter logischer Fehlschluss, der Autoritätsfehlschluss.[25] Aus der Tatsache, dass prominente Persönlichkeiten eine Meinung vertreten, folgt für die Richtigkeit dieser Meinung schlicht gar nichts. Auch Prominente können sich irren. Besonders, wenn sie wie hier keine medizinische oder wissenschaftliche Ausbildung haben, sind die Äußerungen prominenter Personen nicht fundierter als die jedes anderen Laien. Ob ein medizinisches Verfahren besser ist als Placebos, können weder die Anekdoten „einfacher Leute“ noch die der Prominenz belegen. Entscheidend für die Beurteilung medizinischer Fragen ist die medizinische Evidenz. Und hier gibt es keine stichhaltigen Argumente dafür, dass Homöopathika mehr wären als Placebos.[26] |
An der Homöopathie müsse „etwas dran sein“, weil sie trotz fortwährender Kritik seit 200 Jahren nicht auszurotten sei. |
Auch Regentänze und Horoskope gibt es schon sehr lange. Die „Vier-Säfte-Lehre“, die alle Krankheiten als gestörte Verhältnisse der Körpersäfte Blut, Schleim, schwarzer und gelber Galle deutete und die oft zur Verordnung von Quecksilber und anderen giftigen Substanzen führte, wurde von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit praktiziert, also erheblich länger als die Homöopathie – und hat sich dennoch als falsch erwiesen.[27] Erst wissenschaftliche kontrollierte Untersuchungen widerlegten dies und sorgten für das Verschwinden solcher für den Patienten gefährlichen Verfahren.
Im vielbeschworenen „alten Wissen“ finden sich gerade beim Thema Medizin gleichermaßen Schätze und völlig Falsches. Das liegt daran, dass es in historischer Zeit keine systematischen und aussagekräftigen Methoden gab, zu überprüfen, ob die angewendete Methode wirklich die Ursache eines nachher eingetretenen Ereignisses war. Man betrachtete jede Besserung, ja jedes Überleben eines Patienten als Bestätigung der angewendeten Verfahren. Erst im Lauf der letzten 150 Jahre begann man zu verstehen, dass es eine ganze Reihe von Faktoren außerhalb der erfolgten Behandlungen gibt, die zu Besserungen führen können, selbst wenn Patienten mit nutzlosen oder gar schädlichen Methoden behandelt wurden.[28] Mit der Entwicklung der randomisierten und mehrfach verblindeten placebokontrollierten Vergleichsstudie hatte man ein Werkzeug in der Hand, das aufzeigen konnte, wie viele der beobachteten Besserungen auf diese Begleitumstände zurückzuführen sind: Während diese in beiden Vergleichsgruppen gleichermaßen auftreten, zeigen sich echte, der jeweils untersuchten Therapie geschuldeten Effekte nur einer Gruppe – oder es zeigt sich, dass keine Unterschiede zu Placebo zu finden sind. Diese Berufung darauf, dass man „das schon immer (oder sehr lange) so gemacht habe“, ist deshalb als „Traditionsargument“ oder „Argument des Althergebrachten“ ein bekannter rhetorischer Fehlschluss.[29][30] Nur weil etwas auf eine lange Tradition zurückblickt, sagt das über seine Sinnhaftigkeit nichts aus. Der Verweis auf die Tradition ist deshalb in der Medizin – nicht anders als bei gesellschaftlichen Themen wie beispielsweise der Emanzipation – ein Immunisierungsversuch gegen ein Infragestellen des Althergebrachten und ein Versuch, eine stichhaltige Überprüfung der Sinnhaftigkeit überlieferter Ritualhandlungen zu verhindern. Gerade bei medizinischen Themen darf aber die Frage nach der Wirksamkeit bzw. danach, ob ein Verfahren hält, was es verspricht, nicht einem festgefahrenen Traditionsdenken geopfert werden. ⇒ Siehe hierzu Hauptartikel „Logische Fehlschlüsse“ Traditionsargument
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Man wolle die Homöopathie „ausrotten“. |
Ganz klares „Nein.“ Dieser Satz ist eine völlig unnötige Emotionalisierung der Debatte. Weder das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) noch andere profilierte Kritiker wollen die Homöopathie verbieten. Es sollte aber für jeden Patienten ein Warnsignal sein, wenn ein Verfahren „Ausrottung“ befürchtet, nur weil Ärzte und Wissenschaftler Patienten über den korrekten wissenschaftlichen Erkenntnisstand dazu informieren. Der Patient hat lediglich bei der Homöopathie dasselbe Recht auf korrekte Information über die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Verfahren wie überall sonst auch. Im Fokus steht deshalb eine Aufklärung des Patienten über den Placebocharakter der Globuli sowie eine Kritik an jeder „juristischen Adelung“[31] des Verfahrens, die dem Patienten vortäuschen könnte, Homöopathie wäre ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, das mit spezifisch wirksamen Medikamenten arbeitet: Gesetzliche Sonderregelungen, die Kostenerstattung durch die Sozialkassen, die von Ärztekammern verliehene „Zusatzbezeichnung Homöopathie“, antiwissenschaftliche und pseudowissenschaftliche Aussagen homöopathischer Lobbygruppen und völlig unkritische Lehrveranstaltungen an Universitäten. Das wird durch verschiedene Aussagen namhafter Kritiker der Homöopathie deutlich:Jürgen Windeler, Arzt und Professor für Medizinische Biometrie und Klinische Epidemiologie, langjähriger Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, schreibt:
Das Informationsnetzwerk Homöopathie schreibt auf seiner Webseite:
Der Münsteraner Kreis schreibt in seinem „Memorandum Homöopathie“:
Die Dachorganisation Europäischer Wissenschaftsakademien European Academies Scientific Advisory Council (EASAC) schreibt 2017 in ihrer Stellungnahme zur Homöopathie:
Nirgends wird eine Abschaffung oder „Ausrottung“ der Homöopathie gefordert. |
Warum müsse man überhaupt etwas „bekämpfen“, was gar nicht funktioniere? |
Es ist bezeichnend, wenn Vertreter eines Verfahrens es als „Bekämpfen“ diskreditieren müssen, wenn Wissenschaftler und Ärzte nichts anderes tun, als sich dafür einzusetzen, dass dem Patienten die wissenschaftliche Evidenz zum Verfahren vollumfänglich und korrekt genannt wird.
Dass Homöopathika Placebos sind, ist zunächst ein wertfreies wissenschaftliches Ergebnis. Ein Ergebnis aber, das auch die Grenzen und Möglichkeiten eines Verfahrens vorgibt. So schreiben etwa Michele Antonelli und Davide Donelli in ihrem Systematischen Review von 2018:
Während ein Placebo selbst ungefährlich ist, können dem Patienten dennoch Gefahren entstehen, wenn dieser Grundsatz nicht eingehalten wird. Die Bundesärztekammer gibt in ihrer Richtlinie zum Einsatz von „Placebo in der Medizin“[37] klare Vorgaben, wann Placeboeinsätze in der Behandlungspraxis ethisch vertretbar sind. Im Wesentlichen ist das dann der Fall, wenn keine wirksame Behandlung existiert oder wenn Beschwerden so leicht sind, dass Aussicht auf Erfolg besteht bzw. eine wirksame Behandlung eigentlich nicht nötig ist.[B 9] Homöopathen beschränken sich in ihren Empfehlungen jedoch oftmals nicht auf diese Situationen: Organisationen wie Homöopathen ohne Grenzen setzen auf Homöopathika bei schwersten Krankheitsbildern[38][39] und profitieren dabei vom ausgezeichneten Ruf der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen.[40] Auch im deutschsprachigen Raum werden Krebspatienten mit Geschichten über angebliche Heilungserfolge der Homöopathie bei metastasierten Tumoren konfrontiert. Patienten mit eigentlich guten Prognosen verweigern oder verzögern immer wieder aufgrund solcher Darstellungen notwendige onkologische Maßnahmen – immer wieder mit fatalen Folgen.[41] Das Buch „Homöopathie in der Intensiv- und Notfallmedizin“[42] des Wiener Homöopathen Prof. Michael Frass wurde von der Carl und Veronica Carstens-Stiftung ausdrücklich empfohlen.[43][B 10] Die Gefahr beginnt aber bereits sehr viel früher, nämlich bei der Suggestion von Kompetenz durch unkritische „Ratgeberliteratur“, wie sie sich umfangreich an Eltern wendet. Darin fehlen die Hinweise auf den Placebocharakter der Mittel oft grundsätzlich. Vielmehr erzeugen detaillierte Beschreibungen, welches Mittel in welchem Falle zu geben sei, den Eindruck spezifischer Unterschiede der Mittel und nachprüfbaren Wissens darüber. Dabei sind auch diese Ratschläge keineswegs auf harmlose Bagatellen[44][45] oder auf Angebote einzelner „schwarzer Schafe“ beschränkt. So finden sich auch auf der Webseite des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) Empfehlungen bestimmter Homöopathika für „Husten evtl. bis zum Gefühl des Erstickens mit bläulicher Verfärbung von Gesicht und Lippen“ sowie zur Selbstbehandlung von Keuchhusten.[46] Aus diesem Grund ist Aufklärung nichts anderes als notwendiger Patientenschutz. Kritikwürdig ist deshalb alles, was den Placebocharakter der Mittel verschleiert oder was den Patienten zu gefährlichen Verzögerungen oder Verweigerung notwendiger Therapien anregen könnte. Auch gesetzliche Sonderregelungen, durch die die Homöopathie bevorzugt wird, fallen hierunter, weil auch sie über Zulassungen, Kostenerstattung und ärztliche Zusatzbezeichnungen den Placebocharakter der Homöopathie für den Patienten intransparent machen. ⇒ Siehe hierzu auch auf der Webseite des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) den Artikel „FAQ 02 – Was haben Sie eigentlich gegen Homöopathie?“ |
Es gebe genug Menschen, die am eigenen Leib erfahren haben, wie gut die Homöopathie funktioniere. Das könne man nicht wegdiskutieren. |
Richtig ist, dass viele Menschen Besserungen nach homöopathischer Behandlung erlebt haben. Das will auch niemand „wegdiskutieren“. Dennoch ist es Aufgabe von Ärzten und Wissenschaftlern, zu fragen, ob die erfolgte Behandlung wirklich ursächlich für die erlebten Besserungen war – und falls ja: welche Komponente der Behandlung dem Patienten geholfen hat. Während sich der genesene Patient also einfach freuen kann, ist es für die bestmögliche Behandlung künftig Erkrankter wichtig, zu klären, welche Maßnahmen wirklich zur Besserung beigetragen haben und welche eigentlich unnötiges Beiwerk waren. Man ist künftigen Patienten gegenüber verpflichtet, diese Frage nicht auszublenden, wenn man soweit möglich Irrwege und Zeitverlust bei deren Behandlung vermeiden will.
Bei Genesungsprozessen wirkt niemals ein einzelner Faktor. Die Effekte der Behandlung sind immer untrennbar vermischt mit weiteren Effekten.[28] Beispiele wären: Die Leistung des Körpers, der mit vielen Alltagsbeschwerden auch ohne wirksame Behandlung fertig wird; die Schwankungen der Heftigkeit der Symptome bei chronischen Krankheiten; die Regelungsmechanismen im Körper, die Extremwerte auf normaleres Maß zurückregulieren; Effekte anderer Maßnahmen wie Bettruhe, Diät oder Schonen. In seinem Buch Irrt die Physik verdeutlicht Martin Lambeck das mit folgender Geschichte:
Hier wird nirgends „wegdiskutiert“, dass es dem Mann besser geht. Doch zeigt sich hier, dass anekdotische Aussagen oft viele Aspekte nicht schildern, die für die erlebten Besserungen verantwortlich gewesen sein können. Es liegt in der Natur der Sache, dass derjenige, der die Anekdote berichtet, nur die Umstände erwähnt, die er mit der Besserung in Verbindung bringt. Auf diese Weise pflanzt sich die Überzeugung fort und verstärkt sich dadurch. Im Englischen verwendet man hierfür den Begriff des „confirmation bias“[48] (deutsch: „Bestätigungsfehler“), der typisch ist für anekdotische Berichte.[B 11] Die wissenschaftliche Gesamtevidenz zeigt, dass Besserungen unter Homöopathika und anderen Placebos vergleichbar oft und schnell auftreten.[49][50][51][52][53][54] In den Placebogruppen dieser Studien erlebten also ähnlich viele Patienten Besserungen „am eigenen Leib“ wie in den Homöopathiegruppen. Erlebte Besserungen werden also sehr wohl zur Kenntnis genommen. Es ist aber, um zukünftig Patienten die bestmögliche Therapie bieten zu können, notwendig, diese Besserungen korrekt einzuordnen und zu bewerten. Das ist nicht zuletzt auch deshalb notwendig, weil Geschichten von Patienten, bei denen keine Besserungen eintraten oder bei denen sich der Zustand sogar verschlechterte, oft einfach nicht die gleiche Verbreitung finden wie die Erfolgsgeschichten. Für die Frage, was ein Verfahren kann, dürfen sie aber nicht ausgeblendet werden. ⇒ Siehe hierzu auch im Artikel „Oft gehörte Argumente - Verbreitete Vorstellungen über den Placebo-Effekt“ das Kapitel „Grundsätzlicher Hinweis: danach ist nicht zwangsläufig deshalb“ |
Man könne in Experimenten zeigen, dass „potenzierte“ Mittel andere Wirkung entfalten als einfach nur gelöste Mittel. |
In einem Systematischen Review zu derartigen „in-vitro“-Experimenten[55][B 12] müssen Henning Albrecht und seine Mitautoren einräumen:
Auch eine ältere Übersichtsarbeit von Vickers von 1999[56] war zu diesem Ergebnis gekommen.[B 14] Damit ist die Aussage zum Sendezeitpunkt nicht durch die Daten zu rechtfertigen. Weil beide Übersichtsarbeiten und die Sendung mittlerweile aber einige Jahre zurückliegen und neuere Übersichtsarbeiten von Peter Endler et al.[57][58] die Situation etwas positiver darstellen, lohnt sich ein detaillierterer Blick auf die aktuelle Situation: Endler et al. identifizieren 2015 insgesamt 28 experimentelle Modelle, die mehrfach untersucht wurden. Sie schreiben, dass fünf dieser Modelle extern (also von unabhängigen Forschungsgruppen) mit vergleichbaren Ergebnissen reproduziert worden seien. In vier dieser fünf Testreihen lag die erfolgreiche Wiederholung allerdings schon vor den beiden oben erwähnten Übersichtsarbeiten von Vickers und Witt. Ein genauerer Blickt zeigt schnell, warum sich Vickers und Witt dennoch so zurückhaltend äußerten. Zum einen schrieben Endler et al. 2010 noch einschränkend zu den Testreihen, in denen eine erfolgreiche externe Replikation vorlag:
So schreibt Endler 2010 beispielsweise zur Untersuchung des Einflusses von homöopathisch verdünntem Phosphor auf induzierte Hepatitis bei Ratten, dass sich die Ergebnisparameter, von denen die Arbeiten berichten, unterschieden.[57] Dieser Hinweis fehlt in der Übersicht von 2015, obwohl dieselben Arbeiten betrachtet werden. Er erklärt aber, warum in den Reviews von Witt und Vickers Studien, die andere Ergebnisparameter untersuchten, nicht als Replikation älterer Arbeiten angesehen werden konnten. Zum anderen nennen Endler et al. 2015 nur zwei Experimentreihen mit externer Replikation „vergleichbarer Ergebnisse“, bei denen nicht zusätzlich weitere, gescheiterte Reproduktionsversuche vorlagen.[58] Die erste dieser beiden Testreihen war die bereits erwähnte Untersuchung von Hepatitis an Ratten, die streng genommen gar keine Replikation ist. Bei der anderen angeblich erfolgreichen Replikation handelt es sich um die Untersuchung von Kontraktionen eines aufgespannten Rattendarms nach dem Auftröpfeln homöopathischer Lösungen an der Universität Leipzig. Die Veröffentlichung sorgte seinerzeit vor allem deshalb für Schlagzeilen, weil mehrere methodische Unzulänglichkeiten darin entdeckt wurden.[59][60]
Dennoch werden die Arbeiten weiterhin von Endler et al. 2015 als erfolgreiche externe Replikation genannt. Ergänzend sei noch auf eine weitere Testreihe verwiesen, die jüngst (Stand Mitte 2020) wiederholt von Homöopathen bei der Frage nach extern validierten Experimenten angeführt wurde: die Untersuchungen von Paul Doesburg zu homöopathisch verdünntem Zinn (in der Potenz D30) mit der Methode der „Kupferchloridkristallisation“.[62] Kupferchloridkristallisation, auch als Biokristallisation bezeichnet, ist ein auf anthroposophischen Vorstellungswelten basierendes „bildschaffendes Verfahren“. Es wurde in den 1920ern von dem anthroposophisch geprägten Chemiker Ehrenfried Pfeiffer auf Anregung von Rudolf Steiner entwickelt. Durch die Verbindung eines Metallsalzes (Kupferchlorid) mit der wässrigen Lösung einer „lebendigen“ Substanz soll die Methode in der Lage sein, die „ätherischen Kräfte“ nachzuweisen, die in der anthroposophischen Lehre allem Lebendigen zugrunde liegen.[63] Die Methode wurde kritisiert für die fehlende Reproduzierbarkeit ihrer Ergebnisse, die oft fehlende exakte Dokumentation und die unzulässigen Analogisschlüsse, auf denen sie beruht.[64] Sie ist außerhalb anthroposophischer Kreise oder Einrichtungen, die mit solchen zusammenarbeiten, ungebräuchlich und kommt mangels externer Validierung weder in der wissenschaftlichen Medizin noch in der wissenschaftlichen Untersuchung von Lebensmitteln zum Einsatz. Die Versuchsreihe von Paul Doesberg erfüllt damit von ihrem Wesen her nicht die Kriterien einer wissenschaftlichen Nachweismethode, weil hier weder Untersuchungsmethode noch untersuchter Gegenstand wissenschaftlich allgemein anerkannt sind. In der Summe ist die Situation heute also nicht anders als zum Sendezeitpunkt: Während es eine Vielzahl von Experimenten zur Homöopathie gibt, existiert bis heute (Stand 2019) keine Versuchsreihe, in der homöopathische Hochpotenzen im Vergleich zu Placebo stabil und bei Reproduktionsversuchen in verschiedenen Forschungseinrichtungen außerhalb homöopathischer und anthroposophischer Interessenskonflikte durchgehend replizierbare Ergebnisse gezeigt hätten. Neben der fehlenden externen Reproduzierbarkeit weisen diese Experimente oft eine weitere Gemeinsamkeit auf: Es handelt sich nahezu durchgehend um hochkomplizierte, durch nichts in der homöopathischen Praxis motivierte Versuchsanordnungen. Praktisch alle Experimente sind von einer Art, bei der geringste Ungenauigkeiten bei der Versuchsdurchführung starken Einfluss auf die zu erwartenden Ergebnisse haben. Gleichzeitig existieren keinerlei Vorhersagen über Größe und Richtung der zu erwartenden Effekte aus der Lehre der Homöopathie (mangelnde Theoriebildung), noch gibt es irgendwelche Ansätze, wie die Ergebnisse eine Rolle für die homöopathische Behandlung von Patienten spielen sollen. Als Beispiel soll hier die Versuchsanordnung der Thermolumineszenz durch Louis Rey dienen. Für diese Experimente wurden Proben von verschütteltem Lösungsmittel und homöopathischen Hochpotenzen (NaCl und LiCl, jeweils C15) hergestellt, wobei bei allen Proben als Lösungsmittel sogenanntes „schweres Wasser“ (D2O) verwendet wurde. Die Proben wurden eingefroren und anschließend mit flüssigem Stickstoff (-196° C) gekühlt und bestrahlt. Die Bestrahlung erzeugte Defekte im Eiskristall. Bei Erwärmung reparierten sich diese Defekte und setzten dabei die Strahlung wieder frei, was allgemein als „Thermolumineszenz“ bezeichnet wird. Diese wurde während der langsamen kontrollierten Erwärmung der Probe aufgezeichnet. Geringste Verunreinigungen oder Unterschiede des Probenanteils von D2O können derartige Messungen verfälschen. Weder Experiment noch Ergebnisse hatten irgendwelchen Bezug zur homöopathischen Praxis. Selbst bei Vorab-Experimenten („in-vitro“) von pharmakologischen Substanzen an einzelnen Zellen ist eine einfache Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den lebenden Menschen mit allen komplexen Regelmechanismen des Organismus nicht möglich. So kann ein Desinfektionsmittel in der Petrischale zwar mühelos Krankheitserreger töten, doch ist die Einnahme des Desinfektionsmittels durch den an denselben Keimen erkrankten Patienten in aller Regel keineswegs empfehlenswert. Erst recht muss das Fehlen jedweder praktischen Bedeutung komplizierter Versuchsanordnungen betont werden, wie sie in der sogenannten homöopathischen Grundlagenforschung zum Einsatz kommen. Selbst dann, wenn man in Messreihen stabil Unterschiede zwischen Homöopathika und Lösungsmittel nachweisen könnte – wie in der Sendung von Henning Albrecht behauptet –, würde das nichts über die pharmazeutische Wirksamkeit der Homöopathie aussagen. Denn ein experimenteller Unterschied sagt eben noch lange nichts über die homöopathischen Arzneimittelbilder und Verordnungspraktiken aus oder darüber, ob die Mittel im Patienten irgendeine über Placebo hinausgehende Wirksamkeit hervorrufen. Daneben besteht das Problem, dass nicht nachvollziehbar ist, wie oft gescheiterte Reproduktionsversuche gar nicht publiziert werden, so dass es schwer ist, zu beurteilen, von wie vielen Versuchen ohne positives Ergebnis die Öffentlichkeit einfach nichts erfährt.[65][B 16] Auch deshalb ist es für Patienten irreführend, jeden Unterschied zwischen publizierten Messreihen als Erfolg der Homöopathie zu präsentieren. Weiterführende Literatur zu zwei weiteren Testreihen, bei denen Endler et al. 2015 erfolgreiche externe Replikationsversuche anführt:
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Themenkreis Nebenwirkungsfreiheit und Gefahren
Aussage | Wissenschaftliche Faktenlage und Querverweis auf andere Artikel |
Man könne mit der Homöopathie die Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung lindern. |
Auch Placebos und einfühlsame Arzt-Patienten-Gespräche können dazu beitragen, dass Patienten weniger unter den Nebenwirkungen einer Therapie leiden. Deswegen sagt dieser Hinweis nichts über eine spezifische Wirksamkeit der Homöopathie aus. Oft ist ein Placebo auch nicht die beste Möglichkeit, die zur Verfügung steht. Zur Frage einer möglichen Überlegenheit der Homöopathie gegenüber Placebo bei der Behandlung von Krebs gibt es mehrere Reviews. Im Ergebnis decken sich alle Übersichtsarbeiten (Stand April 2019)[66][67][68][69][70] mit der wissenschaftlichen Gesamteinschätzung[49][50][51][52][53][54] der Homöopathie: Bei der Behandlung von Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung existieren keine stichhaltigen Belege für eine Überlegenheit von Homöopathika gegenüber Placebo.[71][72]
Von Homöopathen werden jedoch oft nicht diese Übersichtsarbeiten zitiert, sondern Einzelstudien, in denen anscheinend die Homöopathika gegenüber Placebo einen Vorteil erbrachten. Unerwähnt bleiben dabei allerdings oft die Schwächen dieser Studien oder es fehlt der Hinweis auf fehlende externe Wiederholungen der Ergebnisse. Beispiele für Einzelstudien, denen man in diesem Kontext oft in der homöopathischen Literatur begegnet: 1) Studie von Menachem Oberbaum zur Linderung einer Entzündung der Mundschleimhaut („Stomatitis“) mit Traumeel[73] aus dem Jahr 2001. Unerwähnt bleibt meist, dass 2012 die notwendige Wiederholung der Ergebnisse versucht wurde, was aber nicht gelang: In der Studie von Sencer und Oberbaum[74] konnten an diesmal über 180 Patienten (statt nur 30 wie in der ursprünglichen Untersuchung) keine Unterschiede zwischen der mit Traumeel behandelten Gruppe und der mit Placebo behandelten Kontrollgruppe festgestellt werden. 2) Studie von Michael Frass und Katharina Gärtner[75] zur Überlebenszeit zusätzlich homöopathisch behandelter Krebspatienten 3) Studie von Michael Frass, Menachem Oberbaum et al.[76] von 2015 zur Einschätzung des subjektiven Wohlbefindens von Krebspatienten Betrachtet man – wissenschaftlich korrekt – Übersichtsarbeiten der höchsten Evidenzklasse,[77] dann zeigt sich für die Behandlung der Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung kein robuster, statistisch signifikanter Unterschied zwischen Homöopathika und Placebo. Das zieht sich durch alle (bis einschließlich 2019) vorhandenen Veröffentlichungen: 1) Stefania Milazzo, Nancy Russell und Edzard Ernst betrachteten 2007 insgesamt fünf klinische Studien zur Behandlung von Nebenwirkungen der Krebstherapie. In allen fanden sich methodische Mängel. Für keine der Studien lagen unabhängige Replikationen vor.[66][78] Edzard Ernst schreibt deshalb, dass man „keinen überzeugenden Nachweis eines Nutzens der Anwendung“ fand.[B 17] 2) Sosie Kassab et al. fanden 2009 im Rahmen einer für die Cochrane Collaboration durchgeführten Übersichtsarbeit[67] insgesamt acht klinische Studien zur Behandlung der Nebenwirkungen der eigentlichen Krebsbehandlung. Die Autoren fanden zwei Studien ohne größere methodische Mängel mit für die Homöopathie positiven Ergebnissen. Beide verwendeten Präparate in niedriger Verdünnung und keine individualisierte Homöopathie mit Hochpotenzen. Weil externe Replikationen fehlten, wurden die Ergebnisse dieser beiden Arbeiten als „vorläufig“ eingestuft und Replikationen gefordert. Alle anderen Arbeiten wiesen entweder methodische Schwächen oder im Ergebnis keine Unterschiede zu Placebo auf. Die erste der beiden Arbeiten mit vorläufigen positiven Ergebnissen,[79] bei der eine homöopathische Salbe mit Calendula (Ringelblume) eingesetzt wurde, ist bis heute nicht wiederholt worden. Hier ist wegen der geringen Verdünnung allerdings nicht auszuschließen,[80] dass die Effekte durch die pharmakologischen Eigenschaften der Inhaltsstoffe zu erklären sind. Für die zweite Veröffentlichung, die Studie von Menachem Oberbaum[73] scheiterte 2012 der Versuch der Replikation.[74] 3) Moshe Frenkel, Direktor des Programms für „Integrative Medizin“ an der Universität in Houston, Texas, verfasste 2010 ebenfalls einen Übersichtsartikel zur möglichen Bedeutung der Homöopathie in der Krebsbehandlung.[68] Neben den klinischen Studien betrachtete er darin auch die Ergebnisse einiger Laborexperimente, musste jedoch darauf hinweisen, dass sich die Effekte, die man in einigen dieser Arbeiten gesehen hat, in der klinischen Praxis keineswegs deutlich zeigen. In der Summe hält er fest:
4) Ahmet Unlu et al.[69] sichteten die bis 2017 erschienenen klinischen Studien zum Thema. Sie fanden, dass zwar in wenigen Studien einige positive Effekte beobachtet wurden, die Mehrheit der Studien jedoch keine Effekte über Placebo hinaus aufzeigte. In den meisten Studien, bei denen Effekte über Placebo gefunden wurden, fanden die Autoren methodische Fehler. Auch die neueste (Stand April 2019) Arbeit zum Thema von Alexandre de Nonneville und Anthony Gonçalves[70] schließt sich dieser Beurteilung nahtlos an:
Entsprechend verweisen auch renommierte Beratungseinrichtungen wie Cancer Research UK[81] oder auf Patienten ausgerichtete Internetportale wie Onkopedia[82] auf diese fehlende Evidenz. Die Darstellung, dass man mit Homöopathika die Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung besser als mit Placebo behandeln könne, gibt deswegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Frage nicht korrekt wieder. Insbesondere problematisch wird eine solche Darstellung, wenn sich Patienten zur Inanspruchnahme teurer Aufenthalte in „homöopathischen Krebskliniken“ oder für teure Anamnesegespräche finanziell belasten.[83] ⇒ Siehe hierzu auch im Artikel „Krebs“ das Kapitel „Studienlage“ |
Themenkreis Patientensicht, Ganzheitlichkeit und Wohlfühlfaktor
Aussage | Wissenschaftliche Faktenlage und Querverweis auf andere Artikel |
Es sei einfach ein gutes Gefühl, ein Mittel geben zu können, bei dem es keine Nebenwirkungen gebe. Wo es auch nicht schlimm sei, wenn man mal zum falschen Mittel greife. |
Tatsächlich ist die Angst vor Nebenwirkungen ein häufiger Grund, den Patienten für ihr Interesse an der Homöopathie anführen.[26] Dennoch sollte es klar sein, dass ein Verfahren, das sich selbst als Arzneimittellehre bezeichnet, eigentlich mehr bieten müsste als „keine Nebenwirkungen“.
Da unerwünschte Wirkungen („Nebenwirkungen“) bei wirksamen Therapien bei einem Teil der Patienten auftreten, spiegeln solche Aussagen reale Patientenängste, die man nicht herabspielen darf, sondern die ernstzunehmen sind. Sie weisen auf einen Vertrauensverlust in die evidenzbasierte Medizin hin, den man mit systeminternen Maßnahmen und ganz unabhängig von der Homöopathie begegnen sollte. Therapeuten sollten sich wieder mehr Zeit nehmen, um Patienten über den möglichen Nutzen als auch die möglichen Risiken einer Therapie aufzuklären. Bessere Informationen können hier das Vertrauen der Patienten verbessern, wenn sie verstehen, warum ihnen eine bestimmte Therapie empfohlen wurde. Hier besteht auch Verbesserungsbedarf innerhalb der Medizin. Weil ausführliche Informationen fehlen, verbinden viele Patienten falsche bzw. übertriebene Vorstellungen mit dem Thema der „Nebenwirkungen“. So wird oft nicht korrekt bewertet, wie selten bestimmte, im Beipackzettel angeführte Nebenwirkungen eigentlich sind. Was viele Patienten zudem nicht wissen, ist, dass eine Therapie in der evidenzbasierten Medizin erst dann indiziert („angezeigt“) ist, wenn sie ein besseres Nutzen-Risiko-Verhältnis bietet als Placebo oder das Unterlassen einer Therapie. Im Nutzen-Risiko-Verhältnis werden also die zu erwartenden positiven Effekte einer Therapie in Relation zu den möglichen Nebenwirkungen bzw. dem zu erwartenden unbehandelten Verlauf der Beschwerden betrachtet. Die möglichen Nebenwirkungen eines Mittels werden also nicht ausgeblendet, sondern sind in der Überlegung, ob eine Therapie zu empfehlen ist, bereits berücksichtigt. Deshalb wird man Verfahren mit möglicherweise ernsten Nebenwirkungen nur dann empfehlen, wenn der zu erwartende Krankheitsverlauf ein noch größeres Risiko oder noch ernstere Beschwerden für den Patienten bedeutet.[84][85] Ein Placebo ist also überall dort, wo es Behandlungen mit einem besseren Nutzen-Risiko-Verhältnis gibt, nicht mehr die beste Therapieoption, denn mit dem Wegfall des Risikos auf Nebenwirkungen geht auch der Verlust eines zu erwartenden Nutzens bei der Linderung der Beschwerden oder der Eindämmung des Krankheitsgeschehens einher. Placebos selbst mögen „sanft“ sein – die möglichen Folgen einer Verschleppung der unbehandelten Grunderkrankung sind es aber oft nicht.[26] Auch wenn es Sinn ergibt, Patientenängste bezüglich der Nebenwirkungen ernstzunehmen, so machen diese Ängste die Globuli eben nicht zu wirksamen Heilmitteln. Der Wunsch des Patienten nach einer sanften und nebenwirkungsfreien Behandlung ist verständlich. Der Wunsch, die Globuli wären eine solche Behandlung, ändert aber nichts an der Realität, dass Homöopathika Placebos sind. Es ist Unsinn, auf fliegende Teppiche zu setzen, weil es Flugzeugabstürze gegeben hat, es bei Teppichen bislang aber noch zu keinem größeren Luftfahrtunfall gekommen ist.[26] |
Wiederholt auftretende Mittelohrentzündungen bei einem Kleinkind seien erst mit homöopathischer Behandlung dauerhaft verschwunden. |
Das Immunsystem von Kleinkindern trainiert noch. Deswegen sind Kleinkinder häufiger erkältet als ältere Kinder oder Erwachsene. Allein die häufigeren Infekte bringen auch ein höheres Risiko mit sich, dass sich Erreger über die Eustachische Röhre ins Mittelohr ausbreiten. Bei Kleinkindern wird diese Gefahr noch einmal durch anatomische Gegebenheiten erhöht: In den ersten Lebensjahren ist die Eustachische Röhre kürzer und flacher als es bei Erwachsenen der Fall ist. Häufig sind Mittelohrentzündungen bei Kindern auch eine Folge eines persistierenden Paukenergusses infolge einer zu großen Rachenmandel („Adenoide“, „kindliche Polypen“ oder „Wucherungen“). In diesen Fällen führt nur eine operative Entfernung der Rachenmandel, ggf. mit der Einlage von „Paukenröhrchen“, zur dauerhaften Ausheilung. Wenngleich Mittelohrentzündungen schmerzhaft sind: Paukenergüsse sind es nicht. Wenn die schmerzhafte Mittelohrentzündung ausheilt, bedeutet das nicht, dass auch der Paukenerguss verschwindet. Persistierende Paukenergüsse führen aber nicht nur zu häufigen Wiederholungen (Rezidiven) der Mittelohrentzündung, sondern auch zu Schwerhörigkeiten, die von den Eltern oft erst spät bemerkt werden und zu Sprachentwicklungsverzögerungen führen können. Die homöopathische Behandlung kann also durch Fehlinterpretation einer vermeintlichen Heilung zu schwerwiegenden Folgezuständen führen.[86][87][88]
Zusammengenommen sind dies die Gründe, warum Kleinkinder oft wiederholt an Mittelohrentzündungen erkranken: Bis etwa zum sechsten Lebensjahr besteht ein erhöhtes Erkrankungsrisiko, am häufigsten tritt sie zwischen dem sechsten und achtzehnten Lebensmonat auf. Etwa ab dem siebten Lebensjahr wird sie von selbst seltener.[89] Dieser typische Rückgang des Krankheitsbildes mit zunehmendem Lebensalter kann leicht bei Eltern, die wegen der häufigen Mittelohrentzündungen ihres Babys einen Homöopathen konsultieren, zu dem Eindruck führen, eine erfolgte homöopathische Behandlung habe den Rückgang der häufigen Mittelohrentzündungen „bewirkt“. Solche Erfolge können sich auch zeitnah einstellen, besonders dann, wenn außer der homöopathischen Behandlung auch noch sinnvolle Ratschläge erteilt werden, wie etwa in Gegenwart des Babys nicht zu rauchen oder den Schnuller seltener zu geben.[90] ⇒ Siehe hierzu auch im Artikel „Oft gehörte Argumente - Verbreitete Vorstellungen über den Placebo-Effekt“ das Kapitel „Grundsätzlicher Hinweis: danach ist nicht zwangsläufig deshalb“ |
Themenkreis Studien und wissenschaftliche Beleglage
Aussage | Wissenschaftliche Faktenlage und Querverweis auf andere Artikel |
In Studien sei nachgewiesen worden, dass Homöopathie wirke. |
Auch bei Mitteln ohne spezifische Wirksamkeit ist bei einer großen Anzahl durchgeführter Studien ein gewisser Anteil von Arbeiten zu erwarten, der statistisch signifikante Ergebnisse liefert. Dieser Anteil ist umso größer, je schlechter die Qualität der Studien ist. Aussagekräftig sind aber nicht einzelne, nach dem Wunschergebnis ausgesuchte Arbeiten, sondern die Gesamtevidenz aus allen wissenschaftlichen Untersuchungen eines Verfahrens.
Studien sind statistische Messinstrumente. Man hat zwei (oder mehr) Patientengruppen, in denen die Teilnehmer möglichst ähnliche Ausgangsbedingungen haben sollten. Diese beiden Patientengruppen werden dann verblindet mit verschiedenen Verfahren behandelt. In placebokontrollierten Studien bekommt eine der beiden Gruppen ohne ihr Wissen Placebo, die andere Gruppe – „Verumgruppe“ genannt – das zu testende Verfahren, zum Beispiel individuell ausgewählte Homöopathika. Am Ende des Studienzeitraums wird geprüft, ob sich Unterschiede bei der Genesung zwischen den Gruppen ergeben haben. Von einem „signifikanten Ergebnis“ spricht man dann, wenn ein auf der Basis der Teilnehmer der Studie gefundener Unterschied mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (oft 95 %) nicht zufällig zustande gekommen ist. In der Praxis hat man aber nie „ideale“ Teilnehmergruppen: Patienten sind nicht alle gleich. Zu kleine oder von Beginn an ungleiche Gruppen, keine oder nicht ausreichende Randomisierung oder Verblindung oder andere selbst minimale Fehler führen leicht dazu, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein Ergebnis irrtümlich als signifikant einstufen, weiter steigt. ⇒ Siehe hierzu Hauptartikel Statistische Signifikanz Einzelne Studien können daher gar nicht „beweisen“, ob ein Verfahren wirklich besser oder schlechter als Placebo ist, weil sie immer nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage auf der Basis einer begrenzten Personenzahl darstellen. Und das wohlgemerkt auch dann, wenn die Autoren der Arbeit alles richtig gemacht haben. Wissenschaftlich aussagekräftig ist deshalb erst die Gesamtsicht auf alle Evidenz, die naturwissenschaftliche Einschätzung und die gesamte Studienlage, so wie sie sich in Systematischen Reviews und anderen Analysen aller Studien darstellt. In dieser Gesamtsicht zeigt sich: Es gibt keine stichhaltigen Argumente dafür, dass Homöopathika etwas anderes als Placebos sind. Zum ersten sind die Konzepte der Homöopathie im Laufe der seit Hahnemann verstrichenen Zeit mehr und mehr in Widerspruch zum anwachsenden Wissen der Naturwissenschaften geraten.[91][22] Auch die inneren Widersprüche der Homöopathie und der Zerfall in einander widersprechende Strömungen sind bereits deutliche Hinweise, dass die Homöopathie nicht auf echten Naturphänomenen beruht. Obwohl bereits die naturwissenschaftliche Unplausibilität für sich genommen ein sehr starkes Argument darstellt, bekam die Homöopathie aufgrund ihrer Beliebtheit bei Patienten durch die Untersuchung in klinischen Studien quasi eine zweite Chance. Klinische Studien hätten auch bei einem komplett unverstandenen Wirkmechanismus Unterschiede zu Placebo messen können. In der Gesamtsicht der Studienlage von mittlerweile über 200 klinischen Vergleichsstudien ergeben sich jedoch in Übereinstimmung mit der naturwissenschaftlichen Vorhersage keine stichhaltigen Argumente dafür, dass Homöopathika etwas anderes sind als Placebos. Alle systematischen Reviews zur Homöopathie insgesamt bemängeln die schlechte Qualität der Einzelstudien, die leicht dazu führen kann, ein Verfahren zu überschätzen. Immer wieder stellen die Autoren fest, dass kleine statistische Effekte weiter zurückgehen oder ganz verschwinden, wenn man sich auf die qualitativ besseren Arbeiten beschränkt. Bei keinem einzigen Krankheitsbild berichtet auch nur einer der Reviews von stichhaltigen oder in Reproduktionen robusten Belegen einer Überlegenheit gegen Placebo. Zu diesem Ergebnis kamen auch verschiedene Gesundheitsbehörden, etwa die amerikanische Food and Drug Administration (FDA)[92] oder der britische National Health Service (NHS)[52]. Dies wird noch einmal aussagekräftiger durch den Umstand, dass die meisten Studien von Homöopathen selbst durchgeführt wurden – und dies vor allem, um externe Anerkennung zu bekommen. Innerhalb der Lehre braucht man dieses Instrument nicht: die Ergebnisse der Studien haben auf die homöopathische Behandlungspraxis keinen Einfluss. Daraus ist zu folgern, dass die Studien wahrscheinlich bei Indikationen durchgeführt wurden, von denen man annahm, dass sie besonders gut die Wirksamkeit des Verfahrens demonstrieren – siehe etwa die Münchner Kopfschmerzstudie. Wenn das dann selbst dort nicht klappt, dann sagt das Scheitern des Nachweises einer Wirksamkeit sehr viel aus. Zusätzlich wurde die Studienlage bisher (Stand Anfang 2020) zweimal mit einer weiteren Methode, der sogenannten „p-Kurven-Analyse“ gesichtet. Bei diesem Verfahren wird die Verteilung der p-Werte der Einzelstudien betrachtet, also ob und wie häufig diese eher nahe an der Signifikanzgrenze lagen. Bei statistischen Artefakten ergeben sich für die Ergebnisse andere Verteilungen als bei Ergebnissen, die auf echten Naturphänomenen beruhen. Die Ergebnisse beider unabhängigen Analysen haben die Systematischen Reviews eindrucksvoll bestätigt: Homöopathika sind Placebos.[50][51] Basierend auf dieser Gesamtevidenz hat das European Academies Scientific Advisory Council (EASAC) – eine Dachorganisation Europäischer Wissenschaftsakademien – eine Stellungnahme zur Homöopathie verfasst. Sie schreibt darin:
Aussagen der Art „Studien hätten die Wirksamkeit der Homöopathie nachgewiesen“ oder auch nur „es sei unklar, ob Homöopathika spezifische Effekte haben“, spiegeln diesen innerwissenschaftlichen Konsens in keiner Weise korrekt wieder. |
Es sei die Grundlagenforschung gefordert, zu klären, was da wirke. |
Eine verzweifelte Suche nach einem geheimnisvollen Wirkmechanismus wirkstofffreier Globuli ist nicht notwendig, denn trotz der Existenz hunderter Studien zum Thema existieren im Einklang mit der naturwissenschaftlichen Einschätzung keine stichhaltigen Nachweise, dass Globuli besser wären als Placebo.
Dennoch wurde und wird die Frage, was den Patienten an der Homöopathie gut tut, durchaus untersucht. Vergleichende Untersuchungen zeigen allerdings, dass es nicht die Homöopathika, sondern die ausführlichen Gesprächssituationen sind, die dem Patienten helfen: In einer Studie von Sarah Brien etwa verbesserten sich die Beschwerden durch rheumatische Arthritis bei den Patienten, mit denen ausführliche Anamnesegespräche geführt wurden – unabhängig, ob sie danach individualisierte Homöopathika, homöopathische Komplexmittel oder ein Placebo erhalten hatten.[93] Entsprechend weisen mehrere Experten darauf hin, dass ein ewig andauerndes Untersuchen der Frage, ob wirkstofffreie Zuckerkügelchen doch etwas anderes als Placebo seien, letztlich einer Verbesserung der Versorgung des Patienten im Weg steht: Viel mehr Sinn würde es ergeben, zu untersuchen, was den Patienten, die unter homöopathischer Behandlung Besserungen erlebten, tatsächlich geholfen hat. So schreibt Klaus Linde im Bertelsmannn „Gesundheitsmonitor“:
Und Claudia Witt, Professorin für Komplementärmedizin, sagte im Rahmen eines Interviews im Schweizer Tagesanzeiger:
Dem Patienten würde es mehr nutzen, wenn man die ewige Forderung der Homöopathen nach noch weiteren Untersuchungen, ob reiner Zucker spezifische Wirksamkeit besitzt, endlich hinter sich lassen würde. Die echten Forschungsfragen liegen an anderer Stelle. |
Die Wiederholbarkeit von Ergebnissen sei ein wichtiges Kriterium für die wissenschaftliche Einschätzung dieser Ergebnisse. |
Replizierbarkeit ist ein wichtiges Qualitätskriterium wissenschaftlichen Arbeitens für die Untersuchung aller nicht einmaligen Vorgänge. So wird sich die Beobachtung einer bestimmten Supernova-Explosion oder etwa der Ablauf der Evolution in der Natur nicht replizieren lassen, weil diese Vorgänge von ihrem Wesen her nicht wiederholbar sind. Replizierbarkeit ist aber entscheidend für die Bewertung der Zuverlässigkeit der Erkenntnis aller andauernden Phänomene: Alle Menschen wissen, dass Gegenstände auf der Erde immer „nach unten“ fallen. Diese unabhängig von Person und Zeitpunkt wiederholbare Beobachtung ist der Grund dafür, dass am Phänomen der Gravitation kein Zweifel besteht.
Die Behauptung einer anwendbaren, spezifischen Arzneiwirksamkeit gehört offensichtlich in die zweite Gruppe, denn die Behauptung besteht hier gerade aus der Aussage, dass man aus den bisherigen Erkenntnissen über ein Verfahren Anwendungsvorschriften ableiten könne, die zu besseren Ergebnissen führen würden, als würde man das Verfahren falsch oder gar nicht anwenden. Das Versprechen, dass es möglich sein müsste, solche Unterschiede im Behandlungserfolg reproduzierbar sichtbar zu machen, ist also in der Wirksamkeitsbehauptung implizit enthalten. Arzneimittelforschung unterliegt also allgemein der wissenschaftlichen Forderung nach der Replizierbarkeit von Ergebnissen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schreibt:
Auch in der evidenzbasierten Medizin ist man mit der Menge unabhängiger Replikationen nicht bei allen Fragen zufrieden. Zum einen gelingt auch hier wegen der Vielfalt vermengter Faktoren nicht jeder Replikationsversuch. Zum anderen sind reine Replikationen bereits durchgeführter Untersuchungen leider oft schwerer zu publizieren, weil sie nichts „Neues“ bieten. Diese Problematik wird aber in der evidenzbasierten Medizin wahrgenommen und als zu behebender Mangel thematisiert. Nirgends wird die grundsätzliche Notwendigkeit angezweifelt, Aussagekraft und Zuverlässigkeit von Ergebnissen durch unabhängige Replikationen zu erhöhen. Entsprechend schreibt die Deutsche Forschungsgemeinschaft:
Die Frage der Replizierbarkeit wird also keineswegs ausschließlich bei der Homöopathie erhoben – ist hier aber besonders wichtig, weil deren Grundsätze umfangreich im Widerspruch zum sich im Alltag bewährenden Wissen der Naturwissenschaften stehen. Gerade hier wird es besonders irreführend, wenn auf einzelne positive Ergebnisse verwiesen wird, während man mangelnde oder gescheiterte Replikationen sowie andere Argumente für den Placebocharakter der wirkstofffreien Zuckerkügelchen außer Acht lässt. |
Ein Wirkungsnachweis interessiere die Menschen nicht! |
Grundsätzlich ist es genesenen Patienten sicher oft egal, wie gut die Wirkungsnachweise für ein eingesetztes Verfahren waren. Eine Verallgemeinerung zu postulieren – oder gar anzudeuten, es sei unnötig, Patienten über fehlende Wirksamkeit aufzuklären –, ist jedoch nicht richtig. Die meisten Menschen würden bestimmt nicht zustimmen, dass ihnen egal sein soll, ob sie über die Wirksamkeit eines Verfahrens falsch informiert werden oder gar, ob ihr betreuender Therapeut die Wirksamkeit überschätzt.
Die Homöopathie wird zudem oft in Selbstmedikation angewendet oder auch als erste Maßnahme bei der Behandlung von Schutzbefohlenen wie Kindern und Haustieren. Dass hier zuverlässige und laienverständliche Informationen über die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die fehlenden Wirksamkeitsnachweise der Globuli wichtig für die Patientensicherheit sind, betont auch das European Academies Scientific Advisory Council (EASAC) in seiner Stellungnahme zur Homöopahie.[49] Eltern haben sowohl die Pflicht als auch mit Sicherheit in aller Regel den Wunsch, ihr Kind bestmöglich zu behandeln. Wo wirksame Therapien nötig sind, ist ein Placebo nicht mehr die beste oder gar sanfteste Behandlung, denn das Verzögern notwendiger wirksamer Behandlungen kann zu schwereren Krankheitsverläufen führen. Insofern hat niemand das Recht, einfach zu postulieren, Eltern, Tierhalter und Selbstbehandler seien an korrekten Informationen nicht interessiert. |
Bei Besserungen bei Kindern und Tieren könne es sich nicht um Placeboeffekte handeln. |
Das ist eine der am häufigsten vorgetragenen Aussagen, mit denen eine Überlegenheit der Homöopathika gegen Placebo postuliert wird: Kleinkinder und Tiere wüssten gar nichts vom Placeboeffekt und könnten sich deshalb auch keinen einbilden. Oft würden sie nicht einmal etwas von der Behandlung mitbekommen oder sich heftig dagegen wehren. All das bedeute, dass Erfolge der Homöopathie bei Kleinkindern und Tieren klare Belege seien, dass es sich nicht um Placebos handeln könne.
Diese Argumentation ist jedoch aus mehreren Gründen falsch: 1) Mensch und Tier überstehen die meisten Alltagsbeschwerden mit der Zeit auch unbehandelt. Gerade bei Kleinkindern werden Globuli bei solchen Bagatellen eingesetzt:[98][B 21] Zahnen, Einschlafstörungen, blaue Flecken, Mückenstiche, Erkältungen und leichtes Fieber sind typische Beschwerdebilder – und die heilen in sehr vielen Fällen mit der Zeit auch dann aus, wenn sie nur mit unwirksamen Mitteln „behandelt“ wurden. Besserungen irgendwann nach der Gabe sind bei solchen Beschwerden eine höchst wahrscheinliche Erfahrung und deswegen keineswegs ein Beleg einer Wirksamkeit.[28] 2) Sowohl Haustiere als auch Kleinkinder reagieren auf erhöhte menschliche Zuwendung.[99] 3) Die bewussten Anteile des Placeboeffektes – der Einfluss auf die Erwartungshaltung – greifen bei den Bezugspersonen. Eltern und Halter, die glauben, mit den Homöopathika zumindest positiv unterstützt zu haben, sind beruhigter, weniger hilflos und halten unbewusst mehr Ausschau nach Zeichen einer Besserung. Das führt dazu, dass Bezugspersonen oft schon Besserungen wahrnehmen, selbst wenn objektiv gemessen keine Besserungen vorliegen.[100][101] Die Beruhigung der Bezugsperson kann auf Kinder und vertraute Haustiere zurückkoppeln. Der Effekt ist als „Placebo-by-Proxy“ bekannt.[102][103] 4) „Placebo“ ist etwas völlig anderes als Einbildung und sogar weit mehr als bewusste Erwartungshaltung.[104][105] Anders als viele meinen, sind derartige Effekte auch bei vielen Haustierarten nachgewiesen.[106] Kleinkinder zeigen aufgrund ihres Urvertrauens sogar besonders starke Placeboreaktionen.[107] Diese Tatsache nutzen alle Eltern, wenn sie ihren weinenden Kindern versichern, „es sei gleich wieder gut“ oder wenn sie „Heile, heile“ singen. Beides sind beste Beispiele für Placebobehandungen und trotzdem altbewährt bei kleinen Kindern. Daneben zeigen Studien auch, dass gerade Babys stark auf süße Placebos reagieren.[108] ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Tierhomöopathie“ das Kapitel Belegen Besserungen nach Globuligabe bei Tieren die Überlegenheit gegenüber Placebo? |
Es dürfe eben nicht sein, was nicht sein könne. |
Dieses Zitat geht auf eine Textstelle bei Christian Morgenstern zurück. Im Gedicht überlebt der Protagonist einen Verkehrsunfall, weil ihm beim Studium juristischer Werke auffällt, dass an dem Ort des Unfalls kein Wagen hätte fahren dürfen:Das Zitat unterstellt den Kritikern der Homöopathie, eine Wirksamkeit der Homöopathie allein deshalb nicht zuzulassen, weil dies deren Erwartungen widerspreche. Eine Unterstellung ist aber kein Argument. Sie ändert nichts an der Tatsache, dass keine robusten Nachweise einer Überlegenheit der Homöopathika gegenüber Placebo erbracht werden konnten.[49][50][51][52][53][54] Es ist auch nicht die Schuld der Kritiker, dass die Ergebnisse aus klinischen Studien genau dem entsprechen, was aus der Unplausibilität[91] und den inneren Widersprüchen der Konzepte der Homöopathie zu erwarten war. Zudem handelt es sich bei den Argumenten für den Placebocharakter der Homöopathika eben um naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Untersuchungsergebnisse – und nicht wie im Gedicht um eine juristische Regelung. Es sind vielmehr die Vertreter der Homöopathie, die wie der Protagonist bei Morgenstern, ihr Heil in juristischen Strategien suchen: Gesetzliche Sonderregelungen[110][31][111] ermöglichen wissenschaftlich gescheiterten Homöopathika Registrierung und Zulassung als Arzneimittel, und Hersteller von Globuli drohen Ärzten mit Unterlassungsklagen,[112] wenn sie auf die fehlenden Wirksamkeitsnachweise hinweisen. |
Positive Studien zugunsten der Homöopathie würden ignoriert. |
Oft hört man Vorwürfe, Erfahrungsberichte oder positive Studien zugunsten der Homöopathie würden ignoriert oder systematisch schlecht geredet. Auch Carlo Odermatt vertritt im Sendebeitrag diese Ansicht.
Im Laufe der Medizingeschichte hat sich jedoch herauskristallisiert, dass nicht jede Form von Evidenz gleich zuverlässig ist. Der Grad der Aussagekraft eines Belegs hängt davon ab, wie gut dabei die Effekte, die tatsächlich von der untersuchten Behandlung herkommen, von den Faktoren unterschieden werden können, die unvermeidlich ebenfalls „im Spiel“ sind: Natürliche Krankheitsverläufe, Schwankungen bei der Heftigkeit der Symptome, Effekte anderer Behandlungen oder von Verhaltensänderungen (Bettruhe, Diät, Schonen, ...).[28] Wissenschaftler wissen um die unterschiedliche Zuverlässigkeit von verschiedenen Evidenzquellen. Den verschiedenen Quellen wurden deshalb ganz unabhängig von der Homöopathie Klassen unterschiedlich guter Evidenz zugeordnet. Selbst innerhalb dieser Klassen wird noch einmal die Qualität der vorgelegten Daten anhand möglichst objektiver Kriterien geprüft. Weil Berichte über einzelne Fälle überhaupt nicht zwischen den (möglichen) spezifischen Effekten einer Behandlung und dem Einfluss aller Begleitumstände unterscheiden können, stellen sie eine weniger aussagekräftige Form von Evidenz dar als zum Beispiel klinische Vergleichsstudien, bei denen die Erfahrungen vieler Patienten in randomisiert und verblindet verschieden behandelten Gruppen verglichen werden. In solchen Untersuchungen sind die Einflüsse der begleitenden Faktoren in allen Gruppen in etwa gleich, so dass mit steigender Qualität der Studie die Chance steigt, dass ein Gruppenunterschied wirklich auf dem untersuchten Verfahren beruht. Dieser Sachverhalt spiegelt sich in der Einteilung verschiedener Referenzen in unterschiedlich zuverlässige Evidenzklassen. Meinungen und Erfahrungen bilden dabei die unterste Evidenzklasse, systematische Übersichtsarbeiten über alle klinischen Studien zu einer Forschungsfrage die höchste Evidenzklasse:
Positive Studien oder einzelne Fallberichte zugunsten der Homöopathie werden keineswegs „ignoriert“. Wie bei jedem anderen Verfahren haben aber auch bei der Homöopathie Studien ohne Randomisierung oder ohne unzureichende Verblindung oder gar ganz ohne placebokontrollierte Vergleichsgruppe nicht dieselbe Belegkraft wie hochwertige Studien oder Übersichtsarbeiten. Es ist irreführend, Patienten gegenüber – meist wissenschaftliche Laien, für die dieses Thema schwer durchschaubar ist – Studien verschiedensten Designs als gleichwertig darzustellen oder Qualitätsmängel in einzelnen Arbeiten herunterzuspielen. Wird die Gesamtevidenz wissenschaftlich nüchtern ausgewertet, finden sich keine stichhaltigen, replizierbaren Belege dafür, dass Homöopathika mehr wären als Placebo.[49][50][51][52][53][54] ⇒ Siehe hierzu auch den Hauptartikel Systematische Reviews zur Homöopathie - Methodik |
Die ADHS-Studie von Heiner Frei sei besonders hochwertig und damit ein Beispiel für die Ergebnisse zugunsten der Homöopathie, die einfach ignoriert würden. |
Tatsächlich kann man die Fehler in obiger Aussage sogar ganz besonders gut am Beispiel dieser ADHS-Studie erklären, denn die Ergebnisse der Arbeit sind keineswegs so eindeutig, wie es oft dargestellt wird. Zudem stellt die Arbeit nur eine von mehreren Studien zum Thema dar. Übersichtsarbeiten über alle diese Studien finden in der Summe keine statistisch signifikanten Unterschiede zu Placebo.
Hochwertigkeit: Dieser für die Einordnung der Ergebnisse wichtige Punkt bleibt bei vielen Zitaten der Studie unerwähnt. Ergebnisse der Crossover-Phase: Einordnung der Ergebnisse in die Gesamtsicht auf die Daten: Eine solche Gesamtsicht über alle Arbeiten ist wesentlich aussagekräftiger als eine einzelne Studie mit letztlich durchwachsenen Ergebnissen.[77] Es wäre im Sendebeitrag aber argumentativ besser gewesen, die längst vorhandene Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration zu erwähnen, als vage auf die Forderung nach Replikation oder auf die Möglichkeit von Interessenskonflikten zu verweisen. |
Das Ergebnis der Metaanalyse von Shang/Egger könne man so nicht stehen lassen: Nähme man noch eine einzige weitere Studie in die Analyse mit hinein, wäre das Ergebnis positiv. |
Die Aussage an sich ist ein Ablenkungsmanöver, das die Diskussion weg von der Betrachtung der Gesamtevidenz hin zu einer Detailfrage einer einzelnen Metaanalyse lenken will. Zudem ist sie nicht korrekt.
Die 2005 in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet erschienene Arbeit von Aijing Shang, Matthias Egger et al.[115] ist deswegen ein „rotes Tuch“ für die Homöopathen, weil im Editorial der Ausgabe aufgrund der Ergebnisse der Metaanalyse das „Ende der Homöopathie“ vorhergesagt wurde. In der Arbeit von Shang/Egger ist ein wesentliches Ergebnis, dass positive Ergebnisse für die Homöopathie aus kleinen, qualitativ schlecht gemachten Studien stammen. Als man sich bei der Analyse der Homöopathiestudien auf die acht größten und qualitativ hochwertigsten Studien beschränkte, verschwanden die statistischen Unterschiede zwischen Placebo und Homöopathika, die sich unter Einbeziehung der kleinen und qualitativ schwächeren Arbeiten noch gezeigt hatten. Tatsächlich waren die Ergebnisse nicht überraschend, hatten die Untersuchungen von Klaus Linde aus den Jahren 1998[116] und 1999[117] doch schon in eine ganz ähnliche Richtung gezeigt:
Dennoch versuchten Homöopathen immer wieder die Methodik der Metaanalyse von Shang und Egger zu kritisieren. Der Vorwurf, auf den sich auch Henning Albrecht von der Carstens-Stiftung im Sendebeitrag bezieht, ist die Unterstellung, die Begrenzung auf nur acht hochwertige Studien sei dem gewünschten Ergebnis geschuldet gewesen. Hätte man mehr, oder andere Studien gewählt, hätte die Metaanalyse durchaus positive Effekte zugunsten der Homöopathie ergeben. Der Mathematikprofessor Ulrich Berger erklärt jedoch auf seinem Scienceblog,[118] warum gerade die in Zusammenarbeit mit dem damaligen Statistiker der Carstens-Stiftung, Rainer Lüdtke, veröffentlichte Kritik[119] an der Arbeit von Shang und Egger diesen Einwand als nicht haltbar entlarvt:[B 25]
Insgesamt ist diese Diskussion jedoch müßig und nur ein Manöver, von der Stimmigkeit der wissenschaftlichen Gesamtevidenz zur Homöopathie abzulenken. Wissenschaftlich geht es nicht darum, wie die Statistik ausgesehen hätte, wenn man eine Studie mehr in die Schlussbetrachtung hätte einfließen lassen: Selbst dann wird man aus den Daten eben keine stichhaltigen, replizierbaren Belege einer Placeboüberlegenheit machen. Zur wissenschaftlichen Einschätzung eines Verfahrens stellt sich viel mehr die Frage, inwieweit verschiedene Autoren, die die Daten betrachtet haben, zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen. Hierbei sind deswegen auch die Widersprüche des Verfahrens zum gesicherten Wissen der Naturwissenschaften[22] und die Ergebnisse der p-Kurvenanalysen[50][51] nicht außer Acht zu lassen. In genau diese Gesamtsicht der Evidenz, auch unter Berücksichtigung neuerer Daten, fügt sich das Ergebnis der Shang/Egger-Metaanalyse nahtlos ein.[120][B 27] ⇒ Siehe hierzu im Hauptartikel „Oft gehörte Argumente - Verweise auf konkrete Studien und Experimente“ das Kapitel Metaanalyse von Shang und Egger 2005
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Themenkreis Gewinne und Lobbyarbeit
Aussage | Wissenschaftliche Faktenlage und Querverweis auf andere Artikel |
Homöopathie sei individuell einfach der beste Weg, um die Selbstheilung der Menschen zu aktivieren. |
Das ist ein Werbespruch. Weder ist ein Verfahren, das mit Placebos[49][50][51][52][53][54] arbeitet, „individuell“, noch muss unser Immunsystem erst eingeschaltet werden, bevor es funktioniert.
Außer bei Menschen, die von einer schweren Grunderkrankung betroffen sind, arbeitet unser Immunsystem immer, weil wir ununterbrochen mit allen möglichen Erregern in Kontakt kommen. Eine normal gesunde Lebensweise und eine Ernährung, die genügend Vitamine enthält, ist als Basis für ein funktionierendes Immunsystem vollkommen ausreichend. Wissenschaftlich ist nicht einmal klar definiert, was ein „aktiviertes Immunsystem“ oder ein „starkes Immunsystem“ denn sein soll.[121][B 28] Ein Vorteil sogenannter „homöopathischer Immuntherapie“ gegenüber Placebo ist nicht nachweisbar.[122] Die Homöopathie wirbt gern mit dem Begriff der „Individualität“. Dabei wird oft unterschlagen, dass auch die homöopathische Praxis weit weg ist von der in der Werbung beschworenen individuellen Betrachtung des Patienten. Zwar werden in den Anamnesegesprächen ausführlichst Symptome erfasst, doch sind die Fragenlisten keineswegs individuell und auch die Mittelwahl erfolgt standardisiert. Statt nach Krankheiten werden die Patienten hier lediglich in die Schublade der Arzneimittelbilder oder der Konstitutionstypen einsortiert. Zudem erfolgt die Verschreibung oft einfach nach „bewährten Indikationen“, so dass doch wieder alle Patienten mit vergleichbaren Beschwerden dasselbe Mittel bekommen.[123][B 29] Dennoch geben die sehr ausführlichen Anamnesegespräche, in denen der Patient wirklich umfassend seinen Lebensumständen inklusive Vorlieben und Empfindungen befragt wird, dem Patienten den Eindruck der Individualität: Sie vermitteln das gute Gefühl, dass der Arzt endlich einmal zuhört. Sie ermöglichen dem Patienten außerdem, selbst seinen Blick auf die Beschwerden klar zu formulieren und seine Gedanken zu ordnen. Am Ende des Gespräches steht aber unvermeidlich die Gabe eines Placebos, das zwar als „individuell gewähltes Mittel“ angepriesen wird, als Placebo aber nicht individuell ist, ja nicht einmal spezifische Wirksamkeit besitzt. Während die verordneten Homöopathika nicht von Placebo zu unterscheiden sind, lässt sich der Nutzen dieser vertrauensbildenden Gespräche für den Patienten in Vergleichsstudien nachweisen.[124] Damit wird die Homöopathie aber keineswegs zum „besten Weg“, die Gesprächssituation therapeutisch einzusetzen. Erstens ist eine positive Wirkung des Gesprächs ein zufälliger „Nebeneffekt“, denn das Ziel der Anamnese ist ja die Arzneimittelfindung, nicht eine Form der Gesprächstherapie. Zweitens haben im Allgemeinen Homöopathen keine psychologische Zusatzausbildung, die sie befähigen würde, in einem Gespräch therapeutische Effekte hervorzurufen, oder für die Frage, was zu tun ist, wenn das nicht gelänge und das Gespräch einen negativen Einfluss auf den Patienten haben würde. Der sinnvollste Einsatz des Patientengespräches bestünde darin – was von vielen Ärzten und Wissenschaftlern seit Jahren gefordert wird[125] –, den psychologischen Nutzen des Patientengespräches mit wirksamen Therapien zu kombinieren: In Gesprächsführung besser geschulte Ärzte, denen man die Zeit zum Zuhören auch vergütet. Das würde für den Patienten bedeuten, dass empathisches Zuhören kombiniert wird mit fundierter Beratung und Aufklärung über mögliche Therapien statt letztlich sinnfreiem Abklopfen größtenteils irrelevanter und keineswegs individueller Symptomlisten. ⇒ Siehe hierzu auch auf der Familienwebseite des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) „Susannchen braucht keine Globuli“ den Artikel Immunsystem – Mythen und Fakten II |
Es sei anmaßend, wenn irgendwer meint, dass man naturwissenschaftlich den Menschen, Krankheitsprozesse und Genesung einfach erklären könnte. |
In Bezug auf die Frage nach der Wirksamkeit der Homöopathie ist das ein Scheinargument, ein „Argument gegen Pappkameraden“,[126] manchmal auch „Strohmann-Argument“[127] genannt. Beim „Argument gegen Pappkameraden“ werden die eigentlich diskutierten Aussagen falsch oder verzerrt wiedergegeben und dann gegen diese vom Gesprächspartner eigentlich gar nicht vertretenen Standpunkte argumentiert.
Kein Arzt oder Wissenschaftler würde behaupten, dass sich der Mensch in allen Aspekten allein auf seine naturwissenschaftliche Beschreibung reduzieren lasse. Dasselbe gilt entsprechend auch für Krankheitsprozesse und Genesungen. Die moderne Medizin ist sich der ständigen Wechselwirkung der biologischen Vorgänge im Patienten und dessen Psyche, sowie seinem gesamtem Lebensumfeld sehr wohl bewusst.[128] Insofern ist die Aussage, Mensch, Krankheit und Genesung seien nicht allein naturwissenschaftlich erklärbar, zwar nicht falsch, aber völlig irrelevant für die Bewertung der Homöopathie: Denn weder vertreten Wissenschaftler die geschilderte Annahme, noch liefern die wissenschaftlich unplausiblen Vorstellungen der Homöopathie eine bessere Erklärung der Vorgänge im Patienten. Für die Bewertung der Homöopathie ist allein entscheidend, dass ihre Grundpfeiler im Widerspruch zum sich bewährenden Wissen stehen und dass im Einklang damit trotz hunderter Studien zur Homöopathie keine stichhaltigen Belege vorgelegt wurden, dass Homöopathika etwas anderes sind als Placebos.[120] |
Fazit des Informationsnetzwerks Homöopathie
In der Sendung wird zwar der wissenschaftliche Konsens, dass Homöopathika Placebos sind, vollständig und korrekt dargestellt, das gewählte Sendeformat erweist sich hier jedoch als problematisch: Durch das unbewertete Nebeneinander aller Aussagen suggeriert der Sendebeitrag eine Gleichheit der Belastbarkeit aller Statements. Die Wirksamkeit der Globuli wird scheinbar zur Frage der Meinung oder des Standpunktes. Persönliche Eindrücke werden gleichwertig mit wissenschaftlichen Ergebnissen dargestellt. Tatsächlich ist es jedoch das Ziel wissenschaftlichen Arbeitens, Aussagen unabhängig von persönlichen Meinungen und Ansichten zu untersuchen und zu bewerten. Das Sendeformat als solches führt hier also zu einem Effekt, der in der Literatur als „Fairness-Falle“, „falsche Gleichgewichtung“ oder Englisch „false balance“ bekannt ist.[129] Sven Engesser, Professor für Wissenschafts- und Technikkommunikation an der Technischen Universität Dresden, beschrieb das Problem in einem Interview 2018 folgendermaßen:
"False balance" heißt "falsche Gleichgewichtung". Dabei geht es darum, dass Journalisten versuchen, die Wahrheit abzubilden. Dazu bedient man sich verschiedener Hilfskonstruktionen, wie der Gleichgewichtung von Meinungen, also Pro- und Contra-Argumente gleichberechtigt darstellen, um die Realität gut abzubilden. Das funktioniert in der politischen Berichterstattung in den USA gut, da es dort oft zwischen Republikanern und Demokraten zwei Meinungen gibt. Schwierig wird das jedoch bei der Wissenschaftsberichterstattung, denn da geht es um Fakten. Man hat die wissenschaftlich etablierte Faktenlage und der Journalismus sucht noch jemanden, der dagegen ist. Dadurch entsteht der Eindruck, beide Positionen seien gleichwertig.[130]
Zwar arbeitet beispielsweise die Abfolge der Aussagen von Edzard Ernst und Henning Albrecht im Wechsel sehr schön heraus, wie hier von Seiten der Homöopathie Ad-Homina[131] als Immunisierungsstrategie vor wissenschaftlichen Argumenten eingesetzt werden, doch bleiben irreführende Aussagen im Detail oft unkorrigiert und allein durch ihre scheinbar gleichwertige Nennung in der Erinnerung des Zuschauers haften. So besteht hier die Gefahr, dass der Sendebeitrag Ansichten verbreiten hilft, die er eigentlich widerlegen möchte.
Die in der Sendung vorgestellten Experimente werden Fans der Homöopathie nur schwer überzeugen können. Das in der Sendung erwähnte Experiment „Der Löffel in der Sektflasche“ zeigt zwar anschaulich, wie wichtig Verblindung und Vergleichsgruppe sind, doch werden viele aufgrund selbst erlebter Besserungen nur schwer verstehen, dass dies bei der Untersuchung eines Verfahrens in medizinischen Fragen genauso ist: Das Experiment ist da doch sehr weit weg von der persönlichen Erlebniswelt. Die Untersuchung von Homöopathika im Spektrometer wiederum zeigt zwar eindrucksvoll, dass Homöopathika schon bei sehr geringen Verdünnungen die auf den Verpackungen genannten Stoffe nicht mehr enthalten, doch bestreiten viele Homöopathen diesen Umstand gar nicht. Vielmehr werden von Homöopathen „unbekannte Wirkmechanismen“ von abwesenden Wirkstoffen postuliert. Dass solche Postulate hochgradig unplausibel – und wegen der Gesamtstudienlage, die keine Unterschiede zu Placebo nachweist, auch unnötig – sind, hätte man im Sendebeitrag noch sehr viel deutlicher machen müssen.
Insgesamt handelt es sich bei Homöopathie - Heilung oder Humbug? sicher um den besseren der beiden Fernsehbeiträge aus dem Jahr 2013, doch fehlt auch hier eine klare Stellungnahme, dass die im Beitrag vorgestellten Ansichten aufgrund der Beleglage alles andere als gleichwertig sind.
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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