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James Tyler Kent


James Tyler Kent war Arzt und Homöopath. Er wurde am 31. März 1849 in Woodhull (New York, USA) geboren und verstarb am 06. Juni 1916 in seinem Sommerhaus in Stevensville (Montana, USA) an einer Bronchitis und Entzündung der Nieren („Brights Disease“). Er gehörte der baptistischen Glaubensgemeinschaft an. Auf Kent wird noch heute noch in Kursen zur Grundlage der Homöopathie Bezug genommen. Sein Werk „Repertorium der homöopathischen Arzneimittel“ wird vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) als Grundlagenwerk empfohlen.[1][2]



Karriere

James Tyler Kent (1849-1916)
Bildquelle: Wikipedia
Lizenz: CC BY-SA 3.0

Beginn

James Tyler Kent machte 1870 seinen Bachelor of Philosophy, was dem heutigen Abitur entspricht. Von 1868 bis 1870 hospitierte er bei Dr. Elihu Brown in Woodhull.[3][4] Er absolvierte seine Ausbildung 1871 am Eclectic Medical College in Cincinnati, wo er auch promovierte. Seine erste Praxis führte er von 1871 bis 1873 in Woodhull. Am 22.10.1872 verstarb im Alter von 19 Jahren Kents erste Frau. (Anm.: Diese wird nicht in allen biographischen Texten aufgeführt). 1874 arbeitete Kent in St. Louis (Missouri) in der eklektischen Praxis mit John A. King. 1875/76 heiratet Kent seine zweite Frau Lucy H.

Anfangs war Kent von der Homöopathie weder beeindruckt noch überzeugt. Er gehörte zur nationalen Vereinigung eklektischer Ärzte und veröffentlichte in der Zeitschrift der Eklektischen Schule. Dieser Verband zeichnete sich durch seine große Toleranz gegenüber allen möglichen therapeutischen Methoden aus. Der Name „eklektisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle Therapien, unabhängig von ihrer Plausibilität, als gleichwertig angesehen wurden, wenn sie „in der Praxis“ funktionierten. 1876 wurde Kent Anatomieprofessor am American College in Saint Louis.[3]

Krankheit seiner zweiten Frau

Kents zweite Frau erkrankte 1880 schwer. Sie litt unter Schwäche, hartnäckiger Schlaflosigkeit, und Blutarmut und konnte das Bett nicht verlassen. Die herbeigerufenen Mediziner waren nicht in der Lage zu helfen. Daraufhin bat sie ihn, einen homöopathischen Arzt zu konsultieren. Kent stimmte zu, wohnte der homöopathischen Anamnese bei und empfand diese als äußerst befremdlich. Kent verabreichte seiner Frau die erste Gabe von Globuli und vergaß daraufhin über der Arbeit die Zeit, so dass er eine nächste Gabe (2 Stunden später) verpasste. Wenige Stunden nach dem Besuch des homöopathischen Arztes und den ersten Globuli war Kents Frau eingeschlafen, was in den Wochen vor der Behandlung nicht passiert war. Nach wenigen Wochen war ihre Gesundheit wiederhergestellt. Kent war beeindruckt. Er begann, sich mit Homöopathie zu beschäftigen. Unter Anleitung des Arztes seiner Frau, Dr. Phelans, las er im Organon.[3]

Homöopathische Tätigkeit

Er gab seine Professur auf und trat aus der nationalen Eklektikervereinigung aus. Kent glaubte, in der Homöopathie eine Methode mit „festen Heilgesetzen“ und „deutlich einzusehenden Prinzipien“ zu erkennen. Er war der Ansicht, die Homöopathie nähere sich der Grundursache aller Erkrankungen deutlich mehr als andere Methoden, die nur an der Oberfläche blieben.

Akademische Karriere

1881/82 begann Kent seine Arbeit am Missouri Homeopathic College in St. Louis und blieb dort bis 1888. 1886 wurde er President of the International Hahnemannian Association. Er wechselte 1888 nach Philadelphia an die Postgraduate School of Homeopathics, um dort bis 1899 Fortbildungen für Mediziner zu geben. Diese Schule soll als „bestes Fortbildungszentrum für Hahnemannsche Homöopathie auf der Erde“ gegolten haben.[3] Außerdem übernahm er die Praxis Adolph von Lippes. Am 13.10.1895 verstarb Kents zweite Frau Lucy. Am 02.07.1896 heiratete er Clara Louise Tobey. 1897 begann Kent das Journal of Homoeopathics herauszugeben. Von 1897 bis 1899 veröffentlicht er das Repertorium in 12 Teilen.

Zwischen 1896 und 1897 wies Kent neben seiner Privatpraxis in der Poliklinik 34.800(!) Konsultationen und Hausbesuche aus. Von 1903 bis 1910 war Kent Dekan des Hahnemann Medical College und begleitete die Verschmelzung zweier homöopathischer Schulen zu einer. Das neue Institut nannte sich Hering Medical College. Dort wurde neben dem Organon und homöopathischer Arzneimittellehre auch Anatomie, Physiologie, Histologie, Pathologie, physiologische Chemie, Toxikologie, Pharmakologie, Diätetik und Hygiene, Gerichtsmedizin, Allgemeinpraxis, physikalische und klinische Diagnostik, Neurologie, Kinderheilkunde, Dermatologie, Herz- und Lungenkrankheiten, Urologie, Geschlechtskrankheiten, Gynäkologie und Geburtshilfe, Hals-Nasen-Ohren-Kunde und Chirurgie gelehrt. Dessen Dekan war Kent von 1910 bis 1913.[3]

Kent war ein Fachmann für das Philosophieren über Homöopathie. Über jeden der 294 Paragraphen des Organon philosophierte er ausgiebig vor Studenten.

Zentrale Werke

Kent war unzufrieden mit den homöopathischen Werken seiner Zeit, in denen Symptome Mitteln zugeordnet wurden. Er arbeitete 17 Jahre mit seiner dritten Frau, die vorher seine Patientin gewesen war, an einem eigenen Werk, welches 1349 Seiten hatte. Neben seinem „Repertorium“ arbeitete er mit ihr an der „Philosophie der Homöopathie“. Seine wichtigsten Werke sind:

  1. Kents Arzneimittelbilder. Vorlesungen zur homöopathischen Materia Medica
  2. James Tyler Kent: Neue Arzneimittelbilder der homöopathischen Materia Medica
  3. James Tyler Kent: Repertorium der homöopathischen Arzneimittellehre
  4. James Tyler Kent: Zur Theorie der Homöopathie. Vorlesungen über Hahnemanns Organon

Kent wurde in Deutschland vor allem in der Zeit um 1900 zitiert. Seine Werke erschienen aber erst später in deutscher Übersetzung: 1937 veröffentlichte der Hippokrates Verlag eine übersetzte Edition des „Repertoriums“. Edward Heits veröffentlichte 1958 die „Arzneimittelbilder“. Die Organonvorlesungen wurden sogar erst 1973 im Verlag „Grundlagen und Praxis“ unter dem maßgeblichen Mitwirken von Jost Künzli publiziert. Künzli und Georg von Keller lieferten 1960 eine Neuübersetzung von Kents „Repertorium“.[5] Heute liegen Kents Werke also in verschiedenen Übersetzungen und Ausgaben vor.

Homöopathische Philosophie

Kents Biograph Pierre Schmidt zitiert ihn wie folgt:

Wenn man ein, 2,3 Medikamente verschrieben hat, hauptsächlich bei akuten Leiden – es gilt aber auch für die Behandlung chronischer Krankheiten – und man hat damit gar nichts erreicht, so bitte nun Stop, meine Herren. Jetzt geben Sie zuerst einmal Placebo, was sie vernünftigerweise schon zuerst hätten tun sollen und was bestimmt vorteilhafter gewesen wäre als dieses blinde Dreienschießen. Das wäre freilich ein mehr Mut erfordernder Schluss gewesen als einfach irgend etwas zu geben, und zwar auf ganz unbestimmte Indikationen, in der Hoffnung, dass schlage hilfreich ein. Haben Sie anfangs die Symptome genau erfasst? Die Wesentlichen von den Symptomen gefunden? Und hat das Mittel, dass sie als erstes gaben, dieselben auch wirklich gedeckt? Nun bitte nichts mehr geben und zuerst nochmals den Fall ganz gründlich studieren. Geduldig die Symptome sich klarer abheben lassen und dann, wie der Jäger die sichere Beute mit der eigenen Kugel in gutem Licht erledigt, Abgabe der einen Dosis des Simillimums. Sie müssen zu warten und zu beobachten wissen und verlieren Sie nie den Kopf.[3]

Und an anderer Stelle:

Jedes Mal, wenn sie einen Fall studieren, um das Konstitutionsmittel herauszufinden, beschränken Sie sich nicht darauf, nur das Simillimum zu bestimmen, das heißt das Mittel, dass die größte qualitative und quantitativen Übereinstimmung mit den Symptomen ausweist, sondern halten Sie es mit Wilhelm Tell, der, als Vogt Gessler ihm befahl, einen Apfel vom Haupte seines Sohnes weg zu schießen, noch einen zweiten Pfeil bereitlegt, nachdem er den ersten auf die Armbrust gelegt hatte, mit dem er den getötet hätte, der von Ihnen diese unmenschliche Tat verlangte, wenn er etwa möglicherweise statt des Apfels seinen Sohn treffe. Halten Sie auch stets einen zweiten Pfeil, das heißt ein zweites Mittel bereit, dass gleich hinter dem vermeintlichen Simillimunum rangiert, so werden sie nie entwaffnet und ratlos dastehen, wenn sie eine zweite Verschreibung machen.[3]

Kent war wichtig, dass nicht die Krankheit, sondern der Mensch behandelt wird. Er war der Ansicht, dass man jede Krankheit als „Syndrom“ betrachten müsse und dass „man die Behandlung nach den persönlichen Modalitäten des Kranken richten müsste.“

Kent schien unzufrieden mit den homöopathischen Fähigkeiten vieler Kollegen, mit denen er zu tun hatte. Viele schienen aus seiner Sicht wenig von den Prinzipien homöopathischer Behandlung zu verstehen oder diese sogar zu missachten.

Vitalismus

Kent glaubte nicht an Mikroorganismen als Verursacher von Erkrankungen.[B 1][6] Er war der Ansicht, um gesund zu werden oder zu bleiben, müsse die Lebenskraft beeinflusst werden.[B 2] Auch andere Umwelteinflüsse als Ursache für Erkrankungen lehnte er ab.[B 3][B 4] Gleichzeitig sah er die Möglichkeit, dass Bakterien „wie ein Elefant“ eine Substanz transportieren könnten, die eine Erkrankung verursacht.[B 5] Mit diesen Ansichten stand Kent im Gegensatz zu den Erkenntnissen von Louis Pasteur und Robert Koch. Zur gleichen Zeit wie Kent arbeitete auch Joseph Lister, der als Chirurg mit dem Konzept der Antisepsis die Erkenntnisse Pasteurs und Kochs praktisch anwendete und die Chirurgie zu Kents Lebzeiten revolutionierte. Listers Erfolge waren auch in den USA bekannt, er wurde 1893 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Glaube

Kent war ein gläubiger Mensch. Nach dem Tod seiner zweiten Frau befasste er sich mit dem schwedischen Naturwissenschaftler und Mystiker Swedenborg.[7] Swedenborg hatte nach einem Erweckungserlebnis geäußert, „Gott“ habe ihm mitgeteilt, er solle eine neue Kirche gründen, wie es in der Apokalypse des Johannes verheißen sei. In der homöopathischen Literatur beschäftigen sich viele Schriften mit dem Einfluss Swedenborgs auf Kent und damit auf die Homöopathie.[7][8][9][10] Kent war der Ansicht, Homöopathie und Glaube seien nicht zu trennen[B 6] und ging davon aus, nur ein gläubiger Mensch könne Homöopath werden.[B 7][6] Gesundheit und Krankheit waren für Kent eine Frage der Moral.[B 8][B 9][B 10] Den Ursprung aller Erkrankungen, die durch „Psora“ ausgelöst wurden[B 11] (lt. Kent ca. 85%), gehe auf den Sündenfall im Paradies zurück:

Hier sei nur gesagt, dass sie [Anm: die Psora] zusammenhängt mit dem ersten großen Fehltritt des Menschen, der Ursünde, welche die erste Krankheit des Menschen gewesen ist, ich verstehe darunter die geistige Aberration, diesen Primärzustand, der der gesamten menschlichen Rasse die Anfälligkeit für die Psora einbrachte und welche ihrerseits die Grundlage für alle weiteren Krankheiten gab.[11]

Nach Kents Ansicht ist jeder Mensch von Geburt an krank und die Homöopathie dient dazu, ihn gesund zu machen.[B 12][B 13][B 14][B 15]



Quellen- und Literaturangaben
  1. Curriculum der Kurse A-F des DZVhÄ; gelehrt wird laut Ankündigung auch die „Einführung in die Gewichtung von Symptomen und Repertorisation nach Kent“ (Link), aufgerufen am 18. Februar 2017
  2. Literaturempfehlungen "Ärztliche Homöopathie, Weiter- und Fortbildung" auf der Webseite des DZVhÄ (Link), aufgerufen am 18. November 2016
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 Schmidt, Pierre: Biographie von James Tyler Kent (BPh-AM-MD) 1849-1916. Zeitschrift für Klassische Homöopathie 6.06 (1962) Seite 278-293
  4. Heike Susanne Kron: Rezeptionsgeschichte James Tyler Kents (1849-1916) in Deutschland von 1886 bis 1986 (Dissertation an der LMU, 2014), S. 23 (Link), aufgerufen am 19. November 2016
  5. Heike Susanne Kron: Rezeptionsgeschichte James Tyler Kents (1849-1916) in Deutschland von 1886 bis 1986 (Dissertation an der LMU, 2014), S. 5 (Link), aufgerufen am 1. Dezember 2016
  6. 6,0 6,1 James Tyler Kent: New Remedies, Clinical Cases, Lesser Writings, Aphorisms and Precepts. Chicago, Ehrhart and Karl, 1926.
  7. 7,0 7,1 Wedepohl W: Einiges über James Tyler Kent und seine Verbindung zu Swedenborg. Allgemeine Homöopathische Zeitung 2006; 251: 65–72
  8. E. van Galen: Swedenborg und Kent - Über den Einfluß von Emanuel Swedenborg auf die homöopathische Philosophie des James Tyler Kent. Zeitschrift für Klassische Homöopathie, 1995
  9. P. Schmidt: The life of James Tyler Kent. British Homeopathic Journal, 1964
  10. Heike Susanne Kron: Rezeptionsgeschichte James Tyler Kents (1849-1916) in Deutschland von 1886 bis 1986 (Dissertation an der LMU, 2014), u.a. S. 30ff (Link), aufgerufen am 27. Dezember 2016
  11. J.T. Kent: "Zur Theorie der Homöopathie – Kents Vorlesungen über Hahnemanns Organon", übersetzt von K. Künzli von Firmelsberg, 3. Aufl. 1985, S. 169 - zitiert nach: L. Barth: "Der Mythos Hahnemann - ein Betrag zur Entmythologisierung der Homöopathie", IQB – Internetportal: Medizin-, Pflege- und Psychiatrierecht, 2006 (Link), aufgerufen am 19. November 2016


Originalzitate
  1. Most doctors have gone crazy over the vicious Microbe as being the cause of disease, and think the little fellows are exceedingly dangerous. As a matter of fact they are scavengers. Shortly after death a prick with a scalpel is a serious matter, but when the cadaver has become green and is filled with bacteria, It is comparatively harmless.
  2. The microbe is not the cause of disease. We should not be carried away by these idle allopathic dreams and vain imaginations, but should correct the Vital Force.
  3. It is not from external things that man becomes sick, not from bacteria nor environment, but from causes within himself.
  4. The internal state of man is prior to that which surrounds him; therefore, the environment is not the cause (...) Kent's Lectures and Aphorisms
  5. The Bacterium is an innocent feller, and if he carries disease he carries the Simple Substance which causes disease, just as an elephant would.
  6. You cannot divorce medicine and theology. Man exists all the way down from his innermost spiritual to his outermost natural
  7. A man who cannot believe in God cannot become a homeopath.
  8. The body became corrupt because man's interior will became corrupt
  9. Man (...) becomes disposed to sickness by doing evil, through thinking wrong...
  10. Diseases correspond to man's affections, and the diseases upon the human race today are but the outward expression of man's interiors (...) man hates his neighbour, he is willing to violate every commandment; such is the state os man today. This state is represented in man's diseases.
  11. Psora is the beginning of all physical sickness (...) is the underlying cause and is the primitive or primary disorder of the human race.
  12. The human race today walking the face of the earth, is but little better than a moral leper. Such is the state of the human mind at the present day. To put it another way everyone is Psoric.
  13. Psora (...) would not exist in a perfectly healthy race.
  14. Psora (...) is a state of susceptibility to disease from willing evils.
  15. ...for it goes to the very primitive wrong of the human race, the very first sickness of the human race that is the spiritual sickness (...) which in turn laid the foundation for other diseases.