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Neue Homöopathie nach Erich Körbler
Die Homöopathie besteht längst nicht mehr aus einem einzigen einheitlichen therapeutischen Ansatz, der von allen Homöopathen gleichermaßen verwendet wird. Heute existieren zahlreiche Formen der Homöopathie nebeneinander.[1] Eine allgemeine Richtlinie oder Empfehlungen, welches Grundkonzept der Homöopathie angewendet werden soll, gibt es nicht. Verschiedene Therapeuten vertreten hier teils diametral entgegengesetzte Standpunkte. Einem homöopathisch behandelten Patienten kann deshalb immer passieren, dass ihm ein anderer homöopathisch arbeitender Therapeut sagt, das bisher angewendete Verfahren sei gar keine „echte Homöopathie“ gewesen.
Die Neue Homöopathie nach Körbler® gehört zu diesen Varianten der Homöopathie und hier wiederum zu denjenigen Strömungen, die homöopathische Prinzipien mit anderen nicht evidenten Verfahren oder esoterischen Vorstellungswelten vermischen.
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Das Verfahren ist eine Erfindung des Wiener Elektrotechnikers und Wünschelrutengängers Erich Körbler (1938–1994). Ende der 1980er Jahre begann Körbler zu publizieren, er erspüre mittels seiner Wünschelrute Wirkungen von Strich-Codes und anderen geometrischen Formen auf Wasser, Lebensmittel und auch am Menschen.[2] Körbler veröffentlichte ausschließlich im Magazin raum & zeit.[3][B 1]
Nach Körbler modulieren spezielle Zeichen wie Striche, Sinuswellen, ein Y oder ein punktsymmetrisches Kreuz „energetische Informationen“ auf schwächste biologische Felder, die mit seiner speziellen „Universalrute“[4] messbar seien.[2] Wissenschaftlich ist dies nicht nachgewiesen.[4] Auch der Mensch sei wegen seines Nervensystems eine Art Antenne. Durch moderne Technik verursachte elektromagnetische Felder („Elektrosmog“) erzeugen laut Körbler biologisch unverträgliche „Informationen“, die im Gedächtnis des Zellwassers gespeichert und so für den Mensch belastend werden. Körbler meinte, diesem mutmaßlichen Effekt mit den von ihm beschriebenen Symbolen entgegenwirken zu können und verstand seine Methode daher als „Energie- und Informationsmedizin“.[2]
„Körbler“ und „Neue Homöopathie nach Körbler“ sind eingetragene Marken.[5] Inhaber ist die naturwissen GmbH & Co. KG mit Sitz in Wolfratshausen bei München; dort ist auch ein Ausbildungszentrum angeschlossen. Die Ausbildung zum „diplomierten Lebens-Energie-Therapeuten (L-E-T®/NH)“ dauert drei Wochenendmodule (Expertenstufe 1 bis 3) zu je 445 Euro (Stand 2017).[6]
Zu Diagnosen und zum Prüfen von Wirkungen der Zeichen wird allein die Universalrute herangezogen.[2] Untersucht werden beispielsweise Nahrungsmittel oder Textilien (auf Verträglichkeit) oder Schlafplätze (Elektrosmog, Wasseradern), aber auch die Akupunkturpunkte eines Patienten.[2]
Eine horizontale Schwingung („positiver Ausschlag“) der Rute soll eine gute Verträglichkeit anzeigen, eine vertikale Rutenschwingung („negativer Ausschlag“) wird als Zeichen einer Unverträglichkeit gewertet. Kreisende Bewegungen der Rute werden als „Phase“ zwischen dieser waagrechten positiven und der senkrechten negativen Schwingung eingeordnet. Insgesamt werden in der „Neuen Homöopathie“ auf diese Weise acht verschiedene Rutenausschläge unterschieden:[7]
- horizontale (lineare) Schwingung
- horizontale elliptische Schwingung im Uhrzeigersinn
- kreisrunde Schwingung im Uhrzeigersinn
- vertikale elliptische Schwingung im Uhrzeigersinn
- vertikale (lineare) Schwingung
- vertikale elliptische Schwingung gegen den Uhrzeigersinn
- kreisrunde Schwingung gegen den Uhrzeigersinn
- horizontale elliptische Schwingung gegen den Uhrzeigersinn
Es wird in der „Neuen Homöopathie“ nicht näher begründet, warum gerade diese acht verschiedenen Rutenbewegungen bedeutsam sind und andere nicht.
Als Diagnosemethode werden die Akupunkturpunkte des Patienten nacheinander mit der Rute getestet. Hierzu wird die Rute jeweils über einen Akupunkturpunkt gehalten und die Schwingung beobachtet: Je nachdem, ob die Rute horizontal oder vertikal schwingt, eine elliptische oder eher runde Kreisbewegung ausführt, geht der Therapeut davon aus, an dieser Körperstelle eine „Blockade“ gefunden zu haben und stellt das „Fließgleichgewicht“ wieder her, indem er die „Störung“ durch Aufmalen des passenden Zeichens direkt auf den Akupunkturpunkt „ausgleicht“.[2]
Wahlweise zeichnet man das mittels der Rute generierte Zeichen auch über negative Schlüsselwörter (etwa „Unfall“, „Panik“, …), um diese damit „umzupolen“; diese nun bestärkenden „Informationen“ sollen auch auf Wasser übertragbar sein, so dass es zum individuell nutzbaren Heilwasser wird. Hierzu wird empfohlen, das ausgewählte Zeichen auf ein Blatt Papier zu malen, ein Glas Wasser darauf zu stellen und den Patienten das auf diese Weise „informierte“ Wasser nach einiger Zeit trinken zu lassen.[2] Die naturwissen GmbH & Co. KG bietet zu diesem Zweck auch spezielles, ebenfalls mit der Universalrute auf seine Eignung getestetes Wasser zum Kauf an.[8]
Bezug zur Homöopathie
Da er wusste, dass Homöopathen mit ihren Hochpotenzen auch außerhalb der stofflichen Wirksamkeit arbeiten und wie er von „geistartigen“, „energetisierten“ Kräften sprechen, erkannte Körbler die Verwandtschaft zu seiner „Informationsmedizin“ und nannte sein Verfahren deshalb Neue Homöopathie. Im Gegensatz zur Homöopathie bezeichnete Körbler seine Symbole jedoch nicht als „Simile“ („Ähnliches“), sondern als „Contrarium“, womit er andeuten wollte, dass sie in der Lage wären, die „Information“ eines Systems umzukehren.[2][3]
Homöopathische Verbände wie der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) widersprechen dieser Darstellung auf ihren Webpräsenzen nicht. Eine solche Abgrenzung, was noch als Homöopathie gelten dürfe und was nicht, wäre aber – betrachtet man die einander widersprechende Vielfalt der Strömungen, die sich direkt auf Hahnemann berufen – ohnehin schwierig.
Die wichtigsten Zeichen
Die Strichcode-Antennen
Grundprinzip der „Neuen Homöopathie“ ist das Postulat, dass eine vorhandene Unverträglichkeit durch das Aufmalen der zugehörigen „Strichcode-Antenne“ in eine positive Abstrahlung gewandelt wird. Körbler nannte dies das „Umkehrprinzip der Systeminformation“.[2] Jedem der acht verschiedenen möglichen Ausschläge der Rute ist hierfür eine „Strichcode-Antenne“ zugeordnet.
„Strichcode-Antennen“ bestehen aus einem Linienbündel, das von einer einzelnen aufgemalten Linie bis zu acht parallelen Linien besteht. Die einzelne Linie steht dabei für den positiven Rutenausschlag (also die horizontale Schwingung). Der horizontalen elliptischen Schwingung im Uhrzeigersinn sind zwei Linien zugeordnet, und so weiter. Dem negativen Rutenausschlag als fünfte Variante möglicher Rutenausschläge entspricht beispielsweise ein Bündel aus fünf Strichen.[7] Würde der Therapeut bei der Untersuchung (zum Beispiel eines Körperteils des Patienten) mit seiner Wünschelrute eine horizontale Schwingung sehen, so würde er davon ausgehen, dass der Energiezustand in diesem Körperteil harmonisch ist und keiner Regulation bedarf. Schwingt die Rute dagegen vertikal, dann geht der Therapeut von einem gestörten Energiezustand aus – etwa aufgrund einer Infektion, eines Traumas oder einer langfristigen Ursache. Er wird an dieser Stelle ein Umkehrzeichen, etwa das Bündel aus fünf Strichen, aufmalen.
Bei elliptischen oder kreisenden Bewegungen der Rute wird davon ausgegangen, dass der Störungszustand zwischen den beiden Extremwerten liegt und der dieser Phase zugeordnete Code aufgemalt werden muss. Beispielsweise werden zwei parallele Striche angewendet, wenn die Rute eine horizontale elliptische Schwingung im Uhrzeigersinn vollführt.[7]
Der Sinus
Neben den Linien kommen weitere geometrische Formen zum Einsatz: Die „Sinusschwingung“ soll stets eine umkehrende Wirkung haben, also Negatives in Positives verwandeln und umgekehrt.
Der Sinus kann laut der „Neuen Homöopathie“ auch anstelle der „Strichcode-Antenne“ aus fünf Linien als Umkehrzeichen eingesetzt werden oder mit weiteren Linien kombiniert werden.
Im Rahmen der „Neuen Homöopathie“ ist mit der Bezeichnung „Sinus“ in aller Regel nicht die mathematische Kurve f(x) = sin x gemeint, sondern ein deutlich stärker gerundetes Zeichen, wie es im Bild dargestellt ist. Der eigentlich exakt definierte Begriff Sinus wird hier lediglich – wie oft in der Esoterik – ohne direkten Bezug zum Originalkontext in der Mathematik übernommen.
Das Ypsilon
Ein weiteres, häufig eingesetztes Zeichen ist das Y, das mit drei gleich langen Ästen aufgemalt wird. Das Y wird auch als „Lebensrune“ bezeichnet und soll immer positive Wirkung haben, also Negatives in Positives umkehren und bereits Positives verstärken.
Das Kreuz
Eine Blockadewirkung spricht die Neue Homöopathie dagegen dem Kreuz zu. Anders als das christliche Symbol wird es hier mit vier gleich langen Armen dargestellt. Mit ihm soll es möglich sein, „Störzonen“ wie „Wasseradern“ in der Wohnung zu neutralisieren, indem man es beispielsweise auf das Betttuch zeichnet.[2][9] Die naturwissen GmbH & Co. KG bietet zu diesem Zweck bereits mit dem Kreuz bedruckte Bettlaken zum Kauf an.[10]
Von der Neuen Homöopathie genannte Belege
Die Vertreter der „Neuen Homöopathie“ deuten es als Bestätigung ihres Verfahrens, dass die Eismumie „Ötzi“ Tätowierungen in Form von Linien und Kreuzen[11] aufwies. Auch die traditionellen Bemalungen oder Narbensetzungen verschiedener Naturvölker werden als Belege des Verfahrens gewertet.[2] Nicht thematisiert wird in diesem Zusammenhang, dass Linien ein sehr einfaches und entsprechend kulturübergreifend vorhandenes Muster sind. Anthropologische Quellen, dass die als Belege genannten Tätowierungen tatsächlich aus einer medizinischen Absicht heraus erfolgten, fehlen komplett.
Eine Brücke zur Naturwissenschaft versucht die Literatur der „Neuen Homöopathie“ zu schlagen, indem man sich wahlweise auf die Quantenphysik, die Biophysik und die Chaostheorie bezieht.[2][9] In allen genannten Fällen werden allerdings nur vage Begriffe der jeweiligen Fachgebiete genannt, jedoch keine konkreten Bezüge, Berechnungen oder experimentelle Nachweise.
Zum Wassergedächtnis (für das durch die Zeichen „informierte“ Wasser) beruft man sich auf Masaru Emoto,[2] der seine Fotografien verschiedener Eiskristalle zuletzt selbst als „Kunst“, nicht als wissenschaftliche Arbeit dargestellt hat.[B 2]
In der Literatur zur „Neuen Homöopathie“ findet sich auch immer wieder die Aussage, das Verfahren sei durch Resonanzmessungen von Dr. Hartmut Müller experimentell bestätigt und könne deshalb eigentlich nicht mehr angezweifelt werden.[12] Bei den genannten Messungen handelt es sich jedoch nicht um die Anwendung gesicherter Physik. Dies ist beispielsweise der Beschreibung von Ölwin Pichler zu entnehmen:[13]
Was heute unter dem Namen Global Scaling mehr und mehr bekannt wird, beruht auf dem Forschungsergebnis, dass der gesamte und bekannte Kosmos, also auch das Vakuum(!), in einer gigantischen stehenden Welle – und deren Ober- und Unterschwingungen – synchron schwingt. Auch im Vakuum finden sich demnach sowohl stabile als auch instabile Frequenzen, die Teil der „Melodie der Schöpfung“ sind, wie Dr. Müller dieses Phänomen nennt. Vor einiger Zeit konnte auf dieser Basis auch experimentell nachgewiesen werden, dass die in der Neuen Homöopathie auf der Haut eingesetzten geometrischen Formen als Antennen wirken und mit Vakuumfrequenzen in Resonanz treten.
Tatsächlich handelt es sich beim hier erwähnten Global Scaling keineswegs um ein Ergebnis seriöser Forschung:
„Global Scaling“ wurde schon vor Jahrzehnten von Hartmut Müller außerhalb der wissenschaftlichen Fachliteratur an das Laienpublikum herangetragen. Müller wurde von verschiedenen Quellen als „Physiker“ bezeichnet.[14][15] Richtig ist jedoch, dass er niemals Mathematik oder Physik studiert oder akademische Abschlüsse darin erworben hat.[16][B 3] Die beteiligten „Institute“ waren von Hartmut Müller gegründete Firmen.[17] Global Scaling postuliert, es gäbe eine den gesamten Kosmos durchdringende, stehende „Gravitationswelle“, deren Knotenpunkte sämtliche Messgrößen (also sowohl geometrische Maße, Massen, aber auch Einwohnerzahlen von Städten etc.) bestimmen würde. Diese stehende Gravitationswelle führe dazu, dass die Natur bestimmte Wertebereiche bevorzuge, andere vermeide.[18]
Tatsächlich handelt es sich bei „Global Scaling“ um ein pseudowissenschaftliches Konstrukt,[17][16] das weder die mathematischen Zusammenhänge noch die benutzten physikalischen Begriffe korrekt einsetzt. Die mittlerweile tatsächlich nachgewiesenen Gravitationswellen[19] haben in keiner Weise die Eigenschaften, die ihnen in den „Global Scaling“-Texten zugesprochen werden.
Hartmut Müller wollte mit „Global Scaling“ nicht nur die „Neue Homöopathie“ belegt haben, sondern warb auch Investoren an, um ein auf „Global Scaling“ beruhendes System zur Vorhersage der Lottozahlen zu entwickeln. Dies führte 2012 zu einer Verurteilung Müllers wegen Anlagebetrugs. Im Verlauf der Verhandlung räumte Müller schließlich selbst ein, bei erfolgreichen Demonstrationen (unter anderem ein angebliches Telefonat von Bad Tölz nach St. Petersburg via Gravitationswellen) manipuliert zu haben. Die Technik hat nie funktioniert.[16][20] Der vor Gericht als Sachverständiger geladene Physiker Stefan Locke sprach „Global Scaling“ jede Wissenschaftlichkeit ab:
Seine Theorie hat kein wissenschaftliches Fundament (…) Müller operiere mit physikalischen Fachausdrücken, die für Laien beeindruckend klängen, die er aber auf Nachfrage nicht erklären könne oder, wie etwa den Begriff Welle, in haarsträubenden Zusammenhängen verwende.[16]
Wissenschaftliche Einschätzung
Trotz der zahlreichen Anekdoten, die sich um den erfolgreichen Einsatz von Wünschelruten (im medizinischen Kontext oft in Form von Einhandruten und dann als „Biotensoren“ bezeichnet) in verschiedensten Einsatzgebieten ranken, gibt es keinerlei wissenschaftliche Daten, die die dahinter stehenden Vorstellungen stützen würden.[21][22] Das gilt für alle Verfahren, die derartige Ruten zur Diagnose einsetzen. Die Rutenausschläge werden vielmehr durch kleinste motorische Veränderungen wie beispielsweise der Muskelspannung oder des Pulsschlages verursacht und dann durch die Rute so weit verstärkt, dass die Bewegung bemerkt werden kann. Studien und Tests zeigen immer wieder, dass die Rutenausschläge durch unbewusste und an der Hand selbst nicht wahrnehmbare „ideomotorische Muskelbewegungen“ verursacht werden: Die Treffsicherheit verschwindet, wenn das Verfahren verblindet getestet wird.[23][24] In einer doppelt verblindeten und randomisierten Studie scheiterten Homöopathen darin, mittels Biotensoren homöopathische Arzneien (Bryonia C12) von Placebos zu unterscheiden.[25] Damit ist allein das in der „Neuen Homöopathie“ eingesetzte Diagnoseverfahren ohne Belege einer zuverlässigen Aussagekraft.
Zur Vorstellung, bestimmte aufgemalte Zeichen könnten gezielte Wirkungen auf den Körper haben, gibt es keinerlei in seriösen Fachzeitschriften publizierte Belege.
Die empfohlene Anwendung, Wasser zu „informieren“, beruht auf der ebenfalls nicht durch wissenschaftliche Daten gestützten Vorstellung eines Wassergedächtnisses. Jedoch ist weder ein einzelnes Wassermolekül (wegen seines sehr einfachen Aufbaus) noch ein Verbund derartiger Moleküle in der Lage, komplexe Informationen zu speichern: Aufgrund thermischer Bewegungen brechen Clusterverbände mehrerer Moleküle innerhalb von rund 50 Femtosekunden (= 0,000 000 000 000 050 Sekunden) auseinander.[26][27][B 4]
Quellen- und Literaturangaben |
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Anmerkungen und Originalzitate |
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