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Oft gehörte Argumente - Aussagen über Wissenschaft
Weder ist eine gezielte Wirksamkeit teils vollkommen wirkstofffreier Homöopathika nach den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu erwarten, noch lässt sich eine Überlegenheit über Placebo stabil und reproduzierbar nachweisen.[1][2][3] Naturwissenschaftliche Theorie und praktische Überprüfung in klinischen Studien ergänzen sich zu einem stimmigen Gesamtbild.
Dem gegenüber finden sich auf den Webseiten von Homöopathen und homöopathischen Verbänden immer wieder Einwände gegen diese Erkenntnis. Diese Aussagen werden nicht nur dort direkt an die Patienten herangetragen, sondern auch häufig in Pressemitteilungen, Fernsehberichten oder Zeitschriftenartikeln verbreitet. Entsprechend oft werden sie in Diskussionen auch von Laien benutzt. Da man ihnen immer wieder begegnet, lohnt sich für den Patienten ein genauer Blick auf diese Aussagen, ihr Zutreffen und ihre tatsächliche Aussagekraft.
Die häufig vorgebrachten Einwände zugunsten der Homöopathie lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die hier in mehreren Artikeln behandelt werden:
- Es wird mit persönlich erlebten Genesungen argumentiert oder mit der Beliebtheit der Homöopathie.
- Der Placebocharakter der Homöopathika wird aufgrund zumeist unzutreffender, aber weitverbreiterter Vorstellungen über den Placebo-Effekt angezweifelt.
- Die Aussagekraft und Seriosität klinischer Studien wird allgemein oder zumindest in Bezug auf die Homöopathie angezweifelt.
- Es wird auf einzelne Arbeiten verwiesen, in denen sich Effekte der Homöopathie über Placebo-Effekte hinaus ergaben.
- Wissenschaftliches Arbeiten wird insgesamt als dogmatisch oder unzuverlässig dargestellt.
In diesem Artikel wird die letztgenannte Kategorie betrachtet, also Aussagen, die wissenschaftlich kritisches Denken ganz allgemein zu diskreditieren versuchen. Mit den anderen Kategorien beschäftigen sich die anderen verlinkten Teilartikel.
Inhaltsverzeichnis
Die Haltung der Homöopathen zur Wissenschaft ist uneinheitlich. Teilweise gibt man sich selbst wissenschaftlich, gründet Fachverbände, hält Kongresse ab und veröffentlicht in eigenen Fachzeitschriften. Durch viele Publikationen und Aussagen zur Homöopathie zieht sich jedoch ein Grundgedanke, der mit wissenschaftlichem Arbeiten nur wenig gemeinsam hat: So lange das Ergebnis wissenschaftlicher Arbeiten zur Homöopathie keine Placeboüberlegenheit der Homöopathika belegt, wird es nicht akzeptiert und als vorläufig dargestellt. Die Wissenschaft solle vielmehr Methoden und Erkenntnisse entwickeln, um zu dem Ergebnis der Wirksamkeit zu kommen. Eine dem Placebo überlegene Wirkung der Homöopathika wird also als nicht widerlegbare Grundvoraussetzung und gewünschter Endpunkt der „Forschung“ gesetzt.
Einer Wissenschaft, die mit einer Überlegenheit der Homöopathika gegen Placebo nicht im Einklang ist, wird oft mit allgemeinen immunisierenden Redewendungen begegnet, die nicht selten voraufklärerischen Denkmodellen entstammen.
Aussage | Erkenntnistheoretische Erklärung |
Naturwissenschaftliche Aussagen müssen immer wieder korrigiert werden. |
Naturwissenschaft weiß auch nicht alles – richtig. Aber das behaupten die Naturwissenschaften auch nicht. Im Gegenteil: Bereits der Begriff „Wissenschaft“ bedeutet ganz wörtlich, dass es gilt, neues Wissen zu schaffen. Allein die Tatsache, dass wir „Wissenschaft“ betreiben, zeigt also an, dass wir unser Wissen verbessern und erweitern können.
Gerade Wissenschaft erkennt an, dass der Irrtum im menschlichen Erkenntnisprozess nicht loszuwerden ist.[4] Zur Wissenschaft wird Wissenschaft aber gerade nicht über die Summe ihrer Aussagen zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern über die Bereitschaft, diese Aussagen jederzeit kritisch zu hinterfragen und auf Fehler zu durchforsten. Wissenschaft ist also eine Methode, die dadurch zu zuverlässigen Aussagen kommt, indem sie immerfort nach Fehlern und Lücken im bestehenden „Wissen“ sucht und als fehlerhaft erkannte Aussagen durch bessere ersetzt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Isaac Newtons Schwerkraftformel von 1687, die sich in sämtlichen Anwendungsfällen auf der Erde brillant bewährt hat. Erst in der Erforschung des Sonnensystems und darüberhinaus des Weltalls zeigten sich Ungenauigkeiten, so dass eine erweiterte, genauere Formel nötig wurde: Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie von 1915. Bis heute ist Newton jedoch für alle irdischen Zwecke genau genug. Die Bereitschaft zur Korrektur aufgrund besserer Messdaten ist also nicht eine Schwäche der Wissenschaft, es ist gerade ihre Stärke. Was sich heute bestätigt, das mag zwar in zukünftigen, genaueren Messungen als unvollständig und manchmal als falsch erkannt werden, es bleibt aber für alle Anwendungsgebiete brauchbar, in denen es sich heute bestätigt. Zuverlässigkeit einer Aussage und die Offenheit, die Allgemeingültigkeit dieser Aussage noch zu revidieren, schließen sich in der Naturwissenschaft nicht aus.[5] Was einer Überprüfung standhält, wird in die Wissenschaften integriert, genauer untersucht und weiterentwickelt.[6] Es ist kein Zeichen von Zuverlässigkeit, sondern ein Merkmal dogmatischen Festhaltens an den Worten eines historischen Lehrmeisters, wenn sich ein Verfahren über Jahrhunderte hinweg in seinen Kernaussagen nicht verändert. Das gilt besonders dann, wenn diese Kernaussagen allmählich mit dem außerhalb dieser Disziplin hinzugekommenen – sich bewährendem – Wissen nicht mehr kompatibel sind, wie das bei der Homöopathie der Fall ist. |
Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde... |
Das Zitat stammt aus Shakespeares Hamlet, erster Akt, vierte Szene. Hamlet sagt zu Horatio, nachdem der Geist seines Vaters am helllichten Tag erschien:
Natürlich steht diese Redewendung dafür, dass man auch für Unerwartetes offen sein sollte. Dennoch hat das Zitieren einer allgemeinen Redewendung natürlich keine Aussagekraft für die konkrete Situation: Nur weil sich auch gut begründete Aussagen manchmal als Irrtum herausstellen, folgt dafür für die Homöopathie überhaupt nichts. Im Gegenteil: Es ist gerade die Offenheit für die Möglichkeit des Überraschenden, des Irrtums, die es notwendig macht, Aussagen immer kritisch zu hinterfragen. Gerade weil Eindrücke täuschen können, ist es ratsam, darauf zu bestehen, dass in medizinischen Fragen Aussagen sauber hinterfragt und belegt werden. Auf Wirksamkeitsnachweise in der Medizin zu verzichten, wäre ein erheblicher Rückschritt,[7] den gerade der Patient nicht ernsthaft wünschen kann. Auch Hamlet verzichtet gerade wegen seiner Offenheit für alle Möglichkeiten nicht auf klare Beweise, bevor er handelt.[8] Deswegen hinterfragt er in der letzten Szene des zweiten Aktes, ob denn richtig ist, was der Geist ihm erzählt hat. Deswegen beschließt er, sich einen „sichereren Grund“ für seine Entscheidung zu beschaffen als die Behauptungen des Geistes und beschließt den aussagekräftigen Test mittels des Theaterstückes:[9]
Problematisch ist am Himmel-und-Erde-Argument aber nicht nur, dass das Zitat als vage Andeutung, es könnte ja unbekannte Belege für eine Behauptung geben, oft als Ersatz für das Vorlegen stichhaltiger Daten eingesetzt wird. Das Zitat soll nicht selten andeuten, Naturwissenschaft wage nicht über den Tellerrand des bisher Verstandenen zu blicken oder wolle ausblenden, dass es Unerforschtes gibt. Tatsächlich verkennt aber genau diese Andeutung das innerste Wesen naturwissenschaftlicher Arbeit, die per definitionem an der Grenze des menschlichen Wissens stattfindet: Neues Wissen schafft man nur, indem man die Grenze zum Unverstandenen allmählich verschiebt. Naturwissenschaft behauptet nicht, alles zu wissen oder alles erklären zu können. Jedoch zu postulieren, die Ergebnisse würden sich in nicht näher definierter Zukunft schon in die gewünschte Richtung entwickeln, ist ungleich spekulativer: Man behauptet heute schon zu wissen, was erst in Zukunft herausgefunden werden wird und wo man Fehler im gesicherten Wissen entdecken wird. Das geglaubte Modell als die Zukunft des gesicherten Wissens darzustellen, soll es lediglich davor behüten, es seriös anhand der vorhandenen Daten zu hinterfragen. Es hat sich nicht das Modell als falsch herauszustellen, sondern Daten werden als vorläufig beiseite geschoben, so lange sich die naturwissenschaftliche Erkenntnis nicht in die gewünschte Richtung entwickelt hat.[10] |
Eine moderne holistische Sicht der Welt muss auch Erfahrung anerkennen, nicht nur die wissenschaftliche Sicht der Dinge. |
Die Berufung auf „Erfahrung“ ist ein mehrfaches Missverständnis. Es wird suggeriert, dass Erfahrung innerhalb der Wissenschaft oder der Medizin sonst keine Rolle spielen würde. Genau das Gegenteil ist richtig!
Nur hat die Medizin gelernt, dass eine ungeprüfte, also ohne geregelten Vergleich stattfindende Erfahrung allenfalls zur Hypothesenbildung dienen kann, da sie anfällig ist für Fehler und Irrtümer (wie den Post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss). Die Medizin unternimmt seit vielen Jahrzehnten und mit Erfolg enorme Anstrengungen, gerade in Erkenntnis ihrer eigenen Irrtümer, um zu „kontrollierter“, „geregelter“, d. h. wissenschaftlicher, therapeutischer Erfahrung zu gelangen.[11] Diese Verpflichtung zur vernünftigen Methodik reduziert die Medizin selbst keineswegs auf eine Naturwissenschaft oder ihr Menschenbild auf ein rein mechanistisches. Vielmehr geht es darum, als „Handlungswissenschaft“ auf bestmöglich abgesicherte Weise die gesundheitlichen Interessen der Patienten zu verfolgen: Die Erkenntnisse, derer sich die Medizin bedient, sind nicht auf die Naturwissenschaften im engeren Sinne (Physik, Chemie, Biologie) beschränkt, sondern umfassen auch Psychologie, Sozialwissenschaften oder Anthropologie:
Die Medizin betrachtet also den ganzen Menschen und seine Erfahrungen. Ganzheitliche Betrachtung und Zuwendung sind keine spezifischen Merkmale der Homöopathie. Im Gegenteil: Die Homöopathie zertrennt das systemische Menschenbild in „körperliche“ und „geistartige“ Komponenten, ohne die Wechselwirkungen zwischen körperlichen und seelischen Beschwerden zu analysieren und konzentriert sich ausschließlich auf von außen wahrgenommene Symptome, ohne Blick auf die heute oft durchaus bekannten Ursachen von Erkrankungen. Ihr Bild vom Menschen ist tief im frühen 19. Jahrhundert verblieben. In der Medizin wird der reinen Erfahrung – wo immer möglich – die Evidenz hinzugestellt. Evidenzbasierte Medizin bedeutet, dass ihre Ergebnisse und Aussagen – und damit ihre Erfahrung – jederzeit nachprüfbar und begründbar sind. Ein Widerspruch zur Wahrnehmung des Patienten als individuelle Person ist das nicht. |
Für weitere häufig vorgebrachte Aussagen
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Hinweise auf persönliche Erfahrungen, Beliebtheit und Wohlfühlcharakter
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Verbreitete Vorstellungen über den Placebo-Effekt
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Allgemeines über klinische Studien
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Verweise auf konkrete Studien und Experimente
Quellen- und Literaturangaben |
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