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Thermolumineszenz
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Leick P: Das Gedächtnis des Wassers, Skeptiker 4/08, 2008 |
Thermolumineszenz bezeichnet das Leuchten, das bestimmte, vorher durch hochenergetische Strahlung "aktivierte", Materialien im Laufe ihrer Erwärmung abgeben. In Zusammenhang mit der Homöopathie ist es vor allem durch die Arbeiten des Schweizer Chemikers Louis Rey bekannt, der experimentell nachgewiesen haben will, dass die Thermolumineszenz von Wassereis, das durch Einfrieren einer homöopathischen Lösung entstanden ist, sich von der Thermolumineszenz von Kontrollproben unterscheidet[1].
Inhaltsverzeichnis
Thermolumineszenz
Thermolumineszenz[2] ist eine schwache Form von Leuchten, das bestimmte Kristalle oder amorphe Festkörper, die vorher hochenergetischer elektromagnetischer oder ionisierender Strahlung ausgesetzt waren, während ihrer Erwärmung abgeben. Es handelt sich nicht um thermische Strahlung. Während der Bestrahlung werden elektronisch angeregte Zustände im Kristall erzeugt[B 1], die in bestimmten Materialien und bei ausreichend niedriger Temperatur aufgrund der Einbindung in die Kristallstruktur "eingefroren" bleiben, d. h. nicht in den Grundzustand zurückkehren können. In den meisten Fällen verhindern Störstellen oder Defekte der Kristallstruktur diese Relaxation der angeregten Zustände. Bei genügend hoher Temperatur sorgt hingegen die Wechselwirkung mit den Gitterschwingungen des Kristalls dafür, dass eine Rückbildung der Defekte sowie eine Rückkehr der angeregten Zustände in den Grundzustand möglich wird. Während dieses Prozesses werden Lichtquanten (Photonen) emittiert, deren Spektrum charakteristisch für das Material ist und deren Intensität ein Maß für die Energie der vorher absorbierten Strahlung ist.
Anwendung
Thermolumineszenz kann u. a. verwendet werden, um die Beschaffenheit eines Materials oder die Struktur eines Kristalls zu studieren. Das bekannteste Anwendungsgebiet dürfte jedoch die Datierung von Objekten wie z. B. bei archäologischen Funden sein[3]. Natürliche Radioaktivität sorgt für einen Hintergrund an ionisierender Strahlung im Erdreich. Röntgen- oder Gammastrahlung wird zum Beispiel von vergrabenen Tonscherben absorbiert. Während einer kontrollierten Erwärmung kann die Thermolumineszenz dieser Scherben aufgezeichnet werden. Ihre Intensität hängt von der im Lauf der Zeit absorbierten Energie und somit von der Verweildauer im Erdreich ab. Damit ist es ein Maß für das Alter des Objektes.
Datieren mittels Thermolumineszenz setzt Materialien wie Keramiken voraus, die in ihrer Vergangenheit bzw. während der Herstellung stark erhitzt wurden, denn erst dadurch wird die vorher gespeicherte Energie abgegeben und die "Thermolumineszenz-Uhr" auf null zurückgesetzt.
Experimente von Louis Rey
Der Schweizer Chemiker Louis R. Rey (* 1931, † 2010[4], [5]), langjähriger Forschungsleiter bei Nestlé und Mitentwickler der Gefriertrocknung sowie einige Jahre wissenschaftlicher Berater des französischen Homöopathie-Herstellers Boiron, hat selbst hergestellte homöopathische Hochpotenzen mittels Thermolumineszenz untersucht und seine Ergebnisse in mehreren Fachpublikationen vorgestellt (u. a. im bekannten Journal Physica A[1] sowie in Homeopathy[6]).
Dabei wurden Proben eingefroren, einen Tag bei -20° C ruhen gelassen, anschließend mit flüssigem Stickstoff (-196° C) gekühlt und wiederum nach einer Ruhezeit von einem Tag bestrahlt. Durch die Bestrahlung entstehen Defekte im Eiskristall, die sich während der Erwärmung ab einer bestimmten Temperatur selbst "reparieren" und dabei den Kristall leuchten lassen. Die Thermolumineszenz wird während einer langsamen kontrollierten Erwärmung der Probe aufgezeichnet, die sich dabei gemeinsam mit einem Photomultiplier in einer geschlossenen und vom Umgebungslicht vollkommen abgeschotteten Kammer befindet.
Als Lösungsmittel wurde schweres Wasser (D2O) verwendet, da daraus bestehendes Eis deutlich stärkere Thermolumineszenz aufweist als leichtes Wasser (H2O, "normales Wasser"; dessen Thermolumineszenz ist etwa 50× schwächer). Die Thermolumineszenzkurven von reinem Lösungsmittel, homöopathischen Hochpotenzen (NaCl und LiCl, jeweils C15) und einem homöopathischen Placebo, das durch wiederholtes "Verdünnen" und Schütteln von reinem D2O hergestellt wurde, wiesen dabei Unterschiede auf. Rey vermutet, dass die Sukkussion[B 2] sowie eingeschlossene Gasbläschen eine wichtige Rolle spielen, da die Lumineszenzkurven sich je nach Atmosphäre, unter der die Präparate hergestellt wurden, stark unterscheiden [6]. Eine Bewertung der Unterschiede oder Einordnung der Ergebnisse ist jedoch schwierig, da sich in Reys Artikel keine Angaben zur Genauigkeit oder Reproduzierbarkeit der Versuche finden.
Interpretation und Kritik
Zwar weisen Experimente zur Thermolumineszenz von gefrorenem schwerem Wasser nur einen geringen Bezug zur homöopathischen Praxis auf, doch wenn Unterschiede zwischen ultrahohen Verdünnungen und geeigneten Kontrollen sich auf diesem Weg nachweisen lassen würden, wäre eine zentrale Annahme der Homöopathie bestätigt - nämlich dass sich homöopathische Hochpotenzen von reinem Lösungsmittel unterscheiden. Dementsprechend wohlwollend wurden Reys Experimente von der homöopathischen Fachwelt aufgenommen. Rey selbst hat in seinen Arbeiten den Verdacht geäußert, dass
[… die Thermolumineszenz] vom Wasserstoffbrücken-Netzwerk im Eis abhängen könnte, welche wiederum aus der Struktur der ursprünglichen flüssigen Probe resultieren könnte […][B 3]
und so eine Verbindung zu Benvenistes Arbeiten um das Gedächtnis des Wassers hergestellt, von dem auch angenommen wird, dass es durch Bildung von Clustern an Wassermolekülen vermittelt wird, die über Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden. Fachleute halten diesen Zusammenhang allerdings für wenig plausibel. So wendet etwa Martin Chaplin von der London South Bank University ein:
Reys Erklärung für ein Wassergedächtnis scheint sehr unwahrscheinlich. Die meisten Wasserstoffbrücken bilden sich um, wenn flüssiges Wasser gefriert[7][B 4]
Reys Arbeiten sind u. a. aufgrund fehlender Verblindung der Proben kritisiert worden - die Experimentatoren wussten also stets, welche Probe sie gerade untersuchten. Für ein physikalisches Experiment, dessen Messwerte wenig Spielraum für subjektive Auslegung bieten, entspricht dies jedoch dem Stand der Technik. Deutlich schwerer wiegen dagegen die fehlenden Angaben zu Reproduzierbarkeit bzw. Fluktuation zwischen einzelnen Messungen sowie zur statistischen Absicherung der Unterschiede zwischen den Proben. So ist es unmöglich zu bewerten, ob die gezeigten Abweichungen typisch sind oder ob es sich um die spektakulärsten Ausreißer handelt. Darüber hinaus lässt sich nicht nachvollziehen, mit welchen Methoden Verunreinigungen der Proben ausgeschlossen wurden. Letzteres ist von essentieller Bedeutung, da hochkonzentriertes LiCl eine Thermolumineszenz-Struktur von D2O stark unterdrückt, während LiCl C15, in dem keine Li+- oder Cl--Ionen mehr erwartet werden, dieselbe Struktur (Peak 2) trotzdem noch geringfügig abschwächt. Eine mögliche Erklärung wäre eine geringe Restkonzentration; diesem Verdacht scheint Rey (z. B. durch chemische Untersuchungen seiner Proben) nicht nachgegangen zu sein.
Replikation
Rey verweist darauf[6], dass unabhängige Forscher um den Niederländer Roeland van Wijk die Ergebnisse reproduziert hätten. Eine Übertreibung, denn in dessen Bericht [8] heißt es:
Wir berichten hier von Unterschieden in der Thermolumineszenz von C15 D2O und C15 LiCl, welche den Beobachtungen entsprechen, die von Rey berichtet wurden. Die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der betrachteten Substanzen waren jedoch statistisch nicht signifikant.[B 5]
Es ist insgesamt auffällig, dass van Wijks Ergebnisse nicht durchgehend einem einzelnen oder einfachen Trend folgen, z. B. scheinen einige Differenzen zwischen homöopathischen Präparaten und Kontrollproben je nach Lagerungszeit der Proben unterschiedlicher Natur zu sein. In einigen Versuchsreihen sind Unterschiede zwischen den potenzierten Lösungen (LiCl und als Kontrolle potenziertes, aber reines D2O) auffällig, in anderen Versuchen sind die potenzierten Lösungen voneinander kaum zu unterscheiden, weisen aber drastische Abweichungen zur Thermolumineszenz von unbehandeltem D2O auf. Möglicherweise liegt den Daten aber auch gar keine echte Tendenz zugrunde, denn angesichts der sehr starken Streuung in den Signalstärken der einzelnen Peaks[B 6] ist fraglich, ob den beobachteten Unterschieden eine über den reinen Zufall hinausgehende Bedeutung zugemessen werden sollte.
Selbst zwischen Experimenten, die unter gleichen Bedingungen durchgeführt wurden, streuen die gemessenen Photonenzahlen in den Peaks sehr stark (bis zu einem Faktor von etwa 3).
In Summe scheint van Wijks Gruppe aber wesentlich sorgfältiger als Rey gearbeitet zu haben, denn der experimentelle Aufbau und die Herstellung der Präparate werden detailliert beschrieben, die Darstellung der Ergebnisse ist konsistent und die starken statistischen Fluktuationen innerhalb der Versuchsreihen werden nicht verschwiegen. Sämtliche Experimente wurden blind durchgeführt, d. h. bei der Durchführung der Versuche war dem Experimentator nicht bekannt, welche Probe er gerade untersuchte. Bei der Herstellung der Proben wurde darauf geachtet, durchgehend D2O aus der gleichen Charge zu verwenden und für jeden Potenzierungsschritt saubere Flaschen zu verwenden.
Anmerkungen und Originalzitate |
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